Hohe Inflation, rasant steigende Zinsen und eine nachlassende Notenbankenliquidität haben im ersten Börsenhalbjahr zu schweren Turbulenzen an den Märkten geführt. Ein deutlicher Abwärtstrend bei Aktien ist die Folge. Anleihen erlebten sogar einen echten Crash, der historisch ohne Beispiel ist.
Ein Beitrag von Dr. Eduard Baitinger, Head of Asset Allocation in der FERI Gruppe.
Da die Unternehmensgewinne noch relativ robust sind, geht der Abverkauf an den Aktienmärkten bislang vor allem auf rückläufige Bewertungsmultiplikatoren zurück. Exemplarisch ist der massive Ausverkauf bei Technologieaktien, deren Kurse zuvor – bei fallenden Zinsen – von stetig steigenden Multiplikatoren getrieben wurden. Auch der massive Absturz von Kryptowährungen ist ein klares Symptom restriktiver Zins- und Liquiditätsbedingungen. Dieses komplexe Marktumfeld bietet vorerst kaum Chancen für nachhaltig steigende Kurse.
Im zweiten Halbjahr könnte sich die Situation etwas entspannen: Die Inflation dürfte zwar auf hohem Niveau verharren, die Dynamik des Preisauftriebs jedoch zurückgehen. Das wird der US-amerikanischen Notenbank FED die Möglichkeit geben, ihren monetären Straffungskurs zu verlangsamen. Der Druck stark steigender Zinsen und gleichzeitiger Bewertungskontraktion könnte dann merklich nachlassen.
Trotzdem sollten Anleger vorerst keine durchgreifende Besserung an den globalen Aktienbörsen erwarten, denn nach den aktuellen Inflations- und Zinssorgen werden zunehmende Rezessionsängste das Bild bestimmen. Dies gilt speziell für Europa, wo akute Energieknappheit immer mehr zum Problem wird.
Das schwierige Gesamtumfeld wird das Wirtschaftswachstum in den kommenden Monaten deutlich dämpfen, Unternehmensgewinne spürbar reduzieren und die Aktienmärkte erneut belasten. Auch konjunktursensitive Rohstoffe, die im bisherigen Jahresverlauf zu den klaren Gewinnern zählen, erwartet in diesem Umfeld eine schwächere oder sogar negative Wertentwicklung.
Anleger müssen sich in Geduld üben
Anleger sollten vor diesem Hintergrund ihre Exponierung in Risikoanlagen reduzieren und die Konjunktursensitivität ihrer Portfolios auf ein Minimum beschränken – aktives Fondsmanagement kann in solchen Zeiten seine Stärken besonders ausspielen. Partielle Aufhellungen des Investmentumfelds sind erst in Sicht, wenn die inflationäre Dynamik spürbar nachlässt.
Das könnte zum Jahresende geschehen, vorausgesetzt Russland verhängt kein vollständiges Energieembargo gegen Europa und die Störungen der Lieferketten ausgehend von China werden überwunden. Damit ein echter Turnaround an den globalen Börsen gelingt, müsste jedoch der gegenwärtige monetäre Straffungszyklus sichtbar auslaufen. Das dürfte aber frühestens 2023 der Fall sein.
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Der Glaube an ein „Soft Landing“ könnte sich als Irrtum erweisen
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