Für ein Zusammengehörigkeitsgefühl und eine gelebte Unternehmenskultur sorgen – nach einem Jahr Pandemie und Homeoffice ist das die größte Herausforderung für Führungskräfte.
Dies bestätigten mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Personalmanager, die während der HR-Executive-Konferenz von Willis Towers Watson an einer Umfrage teilnahmen.
Als zu Pandemiebeginn schnell so viele Mitarbeitende wie möglich ins Homeoffice geschickt wurden, waren zunächst viele Sachfragen zu klären, etwa zum Gesundheitsschutz, zur IT-Sicherheit oder zur Balance zwischen Arbeit, Kinderbetreuung und Homeschooling.
Nach dem ersten Pandemiejahr zeigen sich aber, so Ariane Köhler Leiterin Talent & Rewards bei Willis Towers Watson, zwei Punkte deutlich:
- Homeoffice und New Work sind keine kurzfristigen Phänomene; sie werden bleiben.
- Die Frage, wie Mitarbeitende nun ‚mit auf die Reise genommen werden‘ und wodurch sie sich ihrem Unternehmen verbunden fühlen, müsse neu geklärt werden.
Mitarbeiterbindung neu definieren
Studien zeigen, dass Mitarbeitende ihrem Arbeitgeber vor allem aus drei Gründen treu bleiben: Wenn der Weg zur Arbeit nicht zu weit ist, das Gehalt "stimmt" und der Kontakt zu den Kollegen gut ist.
Im Homeoffice spielt der Weg zur Arbeit jedoch keine Rolle mehr und der Kontakt zu den Kollegen reduziert sich auf Telefonate oder Videokonferenzen. Daher plant nun fast die Hälfte der befragten Unternehmen (42 Prozent), das Zusammengehörigkeitsgefühl durch regelmäßige Teambuilding-Maßnahmen aktiv zu pflegen.
Noch mehr (50 Prozent) stellen nun eine flexible Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben in den Vordergrund.
Die althergebrachten Mitarbeiterbindungsstrategien scheinen ausgedient zu haben. Gar kein Unternehmen sagt, dass es die bisherige Mitarbeiterbindungsstrategie beibehalten will. Auch auf eine attraktive Vergütung als wesentliches Argument für die Mitarbeiterbindung zählen nur sehr wenige Unternehmen (sechs Prozent). Doch Köhler betont:
Die Vergütung bleibt weiterhin ein wichtiger Hygienefaktor – Unternehmen sollten das nicht unterschätzen.
Employee Experience nachhaltig statt halbherzig gestalten
Die HR-Expertin warnt davor, das Zusammengehörigkeitsgefühl nur mit halbherzigen Maßnahmen aus der Ferne pflegen zu wollen: Hier komme es wesentlich auf die Haltung der Führungskräfte an. Gehen sie mit gutem Beispiel voran? Bleiben sie auch im Homeoffice in engem Austausch mit ihren Mitarbeitenden? Kümmern sie sich mit echtem Interesse darum, dass auch die ‚weichen‘ Voraussetzungen für eine produktive Zusammenarbeit vorhanden sind?
Wenn die Pflege der Teamkultur hingegen nur als lästige Pflicht betrachtet werde, merkten die Mitarbeitenden das sofort. Führungskräften, die wissen möchten, ob ihnen die Pflege der Teamkultur gelingt, empfiehlt Köhler folgendes:
Wenn Mitarbeitende von sich aus den Austausch mit ihrer Führungskraft und im Team suchen und auch kritisches Feedback oder etwaige Unzufriedenheiten früh ansprechen, dann hat die Führungskraft vieles richtig gemacht.
Führungskräfte, die sich auch als Coach für ihre Mitarbeitenden verstehen, die tatsächlich zuhören, auf ihre Mitarbeitenden eingehen und sich ehrlich für deren Belange interessierten, werden eher ins Vertrauen gezogen.
Signalisierten Mitarbeitende ihrerseits Unterstützung, wenn die Führungskraft mal einen ‚schlechten Tag‘ habe, sei das auch ein Zeichen dafür, dass die Mitarbeiterführung im Sinne eines wertschätzenden Miteinanders stimmt.“
Aus Köhlers Sicht kommt es auf die richtige Mischung aus einer als sinnstiftend empfundenen Arbeit, einer guten Unternehmenskultur, einem unterstützenden Arbeitsumfeld und angemessenen Vergütung an.
Aus diesen vier Bausteinen setzt sich die Employee Experience, also das tägliche Arbeitserlebnis der Mitarbeitenden zusammen. Es prägt Umsatz und Gewinn des jeweiligen Unternehmens maßgeblich, wie durch Studien nachgewiesen wurde.
New Work – New Pay?
Schon 2020 erwarteten drei Viertel (76 Prozent) der Unternehmen, dass sich die Vergütung durch agile und neuartige Arbeitsformen stark wandeln wird (Umfrage im Rahmen der Willis Towers Watson HR-Executive-Konferenz 2020).
Hierarchien werden flacher, Projektarbeit nimmt zu. Konkret plant daher fast die Hälfte der Unternehmen (42 Prozent), individuelle Leistungen, Kompetenzen oder Fähigkeiten stärker zu honorieren. „Sonst laufen uns die Top-Talente weg“, so die Befürchtung der Unternehmen.
Rund ein Viertel (26 Prozent) will die Vergütung nach Mitarbeitergruppen differenzieren. Mit Blick darauf, dass viele Vergütungssysteme schon heute sehr komplex sind, plädiert knapp ein Fünftel (18 Prozent) hingegen für ein einheitliches stellenbezogenes Vergütungssystem für alle Mitarbeiter.
Die Devise „alles bleibt beim Alten“ verfolgen hingegen nur 14 Prozent der Unternehmen.
Neue Fähigkeiten entwickeln und honorieren
Bis 2022 werden nach Angaben des Weltwirtschaftsforums mehr als die Hälfte aller Mitarbeitenden einen wesentlichen Weiterbildungs- oder gar Umschulungsbedarf haben. Unternehmen bräuchten Mitarbeiter, die mit diesen Veränderungen Schritt halten wollen und bereit seien, sich permanent weiterzubilden. Köhler berichtet:
Im Zeitalter von Automatisierung, Digitalisierung und künstlicher Intelligenz ändert sich die Art und Weise, wie wir arbeiten und auf welche Arbeitsmittel wir zurückgreifen immer schneller.
Die Mitarbeitenden erwarteten im Gegenzug, dass sich dies auch in ihrer Karriereentwicklung und in ihrer Vergütung widerspiegele. Unternehmen, die nicht darauf eingingen, würden es schwer haben, ihre Unternehmensziele zu erreichen und Mitarbeitende zu gewinnen oder zu binden, sagt Köhler abschließend.