Bedeutung des Leitzinsgipfels für die Bauzinsen

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Noch ist unklar, ob und wann die EZB die Leitzinsen weiter anhebt: Vor der kommenden geldpolitischen Sitzung am 14. September 2023 hält sie sich alle Optionen offen. Während über die anstehende Entscheidung kontrovers diskutiert wird, gehen Experten allgemein davon aus, dass der Zinserhöhungszyklus in absehbarer Zeit zum Ende kommen könnte. Auch für die Konditionen für Baufinanzierungen gibt es derzeit wenig Potenzial für einen nachhaltigen deutlichen Anstieg.

Ein Zinskommentar der Dr. Klein Privatkunden AG

Geht die Europäische Zentralbank (EZB) in ihrer September-Sitzung einen weiteren Zinsschritt, zum zehnten Mal in Folge? Oder legt sie eine Pause ein und wartet ab, wie sich die bisherigen Leitzinserhöhungen auswirken? Analysten sind sich uneins wie selten: Während die sogenannten Falken unter den Notenbankern angesichts der hohen Inflation eine weitere Straffung der Geldpolitik für sinnvoll halten, fordern die sogenannten Tauben eine neutrale Haltung, weil hohe Zinsen die Wirtschaft belasten.

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Die Ungewissheit zum weiteren Vorgehen der EZB spiegelte sich zuletzt auch in den Baufinanzierungszinsen wider. Mit Veröffentlichung von Inflationsdaten, die höher lagen als erwartet, stiegen sie Mitte August leicht an: Die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung nahm zu. Nachdem anschließend Konjunkturdaten für ein erhöhtes Risiko einer Rezession in Europa sprachen, gingen die Baufinanzierungszinsen wieder zurück – verstärkt wurde auf eine Zinserhöhungspause gewettet.

Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender des Kreditvermittlers Dr. Klein, zufolge müssten Darlehensnehmer immer wieder mit kleineren Bewegungen rechnen, unterm Strich sei das Niveau aber relativ stabil: „Seit fast zwölf Monaten bewegen sich die Zinsen seitwärts. Temporären Ausschlägen nach oben folgen immer wieder auch Rücksetzer.“ Den repräsentativen Bestzins gibt Dr. Klein aktuell mit 3,63 Prozent an (Stand: 11.09.2023).

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EZB-Entscheidung bereits eingepreist

Laut dem Vorstandsvorsitzenden müsse die EZB die Inflation weiter aktiv bekämpfen. Er erwartet in diesem Jahr noch mindestens einen weiteren kleinen Zinsschritt von 0,25 Prozent. Ob die EZB jetzt noch einmal an der Zinsschraube dreht oder erst im Oktober, spiele dabei keine wesentliche Rolle:

Ein etwas höheres Zinsniveau ist auf den Finanzmärkten bereits eingepreist und wird daher die Baufinanzierungszinsen nicht deutlich mitziehen.

Solange sich die Notenbanker auf ihrem Kurs sehen, bis 2025 die Inflation in Richtung 2 Prozent zu bringen, seien kaum Veränderungen des derzeitigen Niveaus für langfristige Kreditzinsen zu erwarten: Ein Korridor zwischen 3,5 und 4,5 Prozent für 10-jährige Darlehen entwickele sich gerade zum Standard, so der Experte von Dr. Klein.

Senkungen nach Zinsgipfel?

Ein stärkerer Anstieg der Baufinanzierungszinsen wäre theoretisch dann möglich, wenn die Inflation zu langsam sinkt und die EZB die Leitzinsen noch einmal kräftiger anheben müsste als erwartet. Dieses Risiko hält Neumann derzeit für gering. Der Zins-Peak ist so gut wie erreicht und wahrscheinlicher als ein Anstieg über 5 Prozent ist eine vorsichtige Absenkung der Zinsen ab 2024. Das könnte auch für die Baufinanzierungskonditionen zutreffen.

Immobilieninteressenten sollten sich davon laut Michael Neumann aber nicht zu viel versprechen: „Die Baufinanzierungszinsen werden die Leitzinsentwicklung auch im Rückwärtsgang nicht 1:1 abbilden. Ein leichtes Nachgeben ist zwar möglich, aber in überschaubarem Ausmaß und mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf Niveaus von 2 oder 2,5 Prozent für 10-jährige Darlehen.“ Wer lange abwarte, laufe zudem Gefahr, dass sich die Immobilienpreise bis dahin wieder aufwärts bewegen – ein Szenario, das Neumann in vielen Regionen für realistisch hält.

Starker Bestandsimmobilienmarkt

Der schnelle Zinsanstieg im vorigen Jahr und die extreme Inflationsentwicklung hat Kaufinteressenten verunsichert und temporär zu Zurückhaltung geführt. Als Folge hat in diesem Jahr die Nachfrage nach Baufinanzierungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich abgenommen. Aber: „Es ist nicht so, dass die Nachfrage flächendeckend eingebrochen ist. Der Rückgang geht vor allem auf den gelähmten Neubau und weniger Anschlussfinanzierungen zurück“, differenziert Dr. Klein-Vorstand Neumann.

Anfang vorigen Jahres, als die Zinsen in die Höhe schnellten, haben sich überproportional viele Immobilienbesitzer um ihre Anschlussfinanzierung gekümmert – deren Anteil lag zwischenzeitlich bei rund 40 Prozent. Durch diesen Vorzieheffekt wurden viele Darlehensabschlüsse bereits vorweggenommen und der Bedarf an Anschlussfinanzierungen ist erst einmal gedeckt.

Eine geringere Delle ist beim Kauf von Bestandsimmobilien zu sehen – seit Jahresmitte ist die Entwicklung sogar positiv. „Wohneigentum bleibt intensiv nachgefragt und Interessenten loten alle Möglichkeiten aus. Derzeit sehen wir eine Ausweichbewegung weg vom Neubau hin zum Kauf. Um wieder mehr neuen Wohnraum zu schaffen, braucht es dringend und schnell politische Impulse, ansonsten sehe ich für die Baubranche schwarz.“

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