Der Zinsanstieg ist noch nicht zu Ende: Eine erneute Erhöhung der Leitzinsen bei der kommenden Sitzung der EZB ist so gut wie sicher. Analysten halten sogar einen weiteren Schritt im September für möglich. Wie werden sich die Baufinanzierungszinsen vor diesem Hintergrund entwickeln?
Immobilienkäufer hatten es in den letzten Wochen mit schwankenden Zinsen für Baufinanzierungen zu tun: Nach Signalen der US-amerikanische Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank (EZB), dass ihre Geldpolitik weiterhin restriktiv bleiben könnte, reagierten die Märkte. Als Folge zogen Baufinanzierungsanbieter Anfang Juli ihre Zinssätze an – zum Teil um rund 0,3 Prozentpunkte.
Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender des Kreditvermittlers Dr. Klein, geht aber nicht von einer nachhaltigen Aufwärtsbewegung aus: „Seit rund einem dreiviertel Jahr sehen wir intensive Schwankungen auf einem Niveau zwischen 3,5 und gut 4 Prozent für 10-jährige Zinsbindungen. Der letzte Anstieg ist da keine Ausnahme, die Zinskurve geht wieder zurück: Nach positiven Arbeitsmarktdaten und fallender Inflation in den USA setzt sich aktuell die Hoffnung durch, dass die Notenbanken spätestens im vierten Quartal einen neutralen Kurs einschlagen.“ Der repräsentative Bestzins für ein 10-jähriges Immobiliendarlehen beträgt laut Dr. Klein aktuell 3,53 Prozent (Stand: 24.07.2023).
Leitzinserhöhungen wahrscheinlich
In den kommenden geldpolitischen Sitzungen werden vermutlich sowohl die Fed als auch die EZB die Leitzinsen um 25 Basispunkte erhöhen. Während in den USA dann der Höhepunkt erreicht sein könnte, ist für Europa noch Luft nach oben: Zwar sinkt die Inflation allmählich, aber die Kerninflation hält sich hartnäckig auf hohem Niveau. Sie gilt als Gradmesser für den generellen Preistrend und ist im Juni wieder auf 5,5 Prozent gestiegen, im Mai waren es 5,3 Prozent.
Nach dem Zinsentscheid im Juli erwartet Michael Neumann daher noch einen weiteren Zinsschritt im September. Er rechnet aber nicht mit größeren Sprüngen bei den Baufinanzierungszinsen: „Zwei kleine Zinsschritte würden die Märkte nicht überraschen, daher sehe ich in Summe für die nächsten Wochen keinen generellen Anstieg des Bauzinsniveaus. Aber es wird weiterhin hohe Schwankungen geben."
Je nachdem, in welche Richtung die Finanzmärkte neue Wirtschaftsdaten interpretieren – und ob sie daraufhin eine restriktive oder neutrale Haltung von den Zentralbanken erwarten – werde das den Baufinanzierungszins nach oben oder nach unten ziehen, so der Vorstandsvorsitzende.
Steigende Zinsen nicht ausgeschlossen
Für die zweite Jahreshälfte ist der Inflationsausblick auf 2024 entscheidend: Haben die aktuellen Erwartungen der EZB Bestand? Momentan gehen die Zentralbänker von einem Durchschnitt von 3 Prozent aus – damit sind sie optimistischer als beispielsweise die Deutsche Bundesbank. „Sollte sich abzeichnen, dass die EZB auch diese Inflationsprognose kassieren und wieder nach oben korrigieren muss, könnte sie gezwungen sein, länger an ihrem restriktiven Kurs festzuhalten als aktuell vom Markt erwartet“, meint Neumann.
Dieses Szenario sei momentan nicht in die Bauzinsen eingepreist – und daraus ergäbe sich Potenzial für einen Zinsanstieg. Dann wären auch über 4 Prozent für 10-jährige Immobilienfinanzierungen im Herbst möglich.
Möglicher Leitzinsrückgang 2024 senkt Langfristzins
Der langfristige Blick voraus betrifft nicht nur Zinsanstiege – auch mögliche Zinssenkungen werden zum Teil bereits jetzt eingepreist. Auch weil der Markt 2024 einen ersten Rücksetzer erwartet, kosten lange Kreditlaufzeiten momentan tendenziell weniger als kurzfristige Darlehen: So sind 5-jährige Darlehen teurer als 10-jährige, die Zinssicherung für 20 Jahre kostet in etwa so viel wie für 15.
Diese sogenannte inverse Zinsstruktur spiegelt sich aufgrund der differenzierten Preispolitik der Kreditanbieter zwar nicht immer 1:1 im Baufinanzierungszins wider. Aber Kaufinteressenten sollten diese Besonderheit bei der Planung ihrer Finanzierung einbeziehen: Der Zinsunterschied zwischen langen und kurzen Zinsbindungen sei momentan nicht existent, so Michael Neumann.
„Gerade wenn eine lange Planungssicherheit wichtig ist, lassen sich 20 Jahre Zinssicherheit derzeit zu einem vergleichbaren Preis wie eine 5-jährige Festschreibung einkaufen“, erklärt der Vorstandsvorsitzende. Damit minimiere man zum einen das Risiko, bei der Anschlussfinanzierung in eine Zinsfalle zu tappen. Zum anderen bleibe die Flexibilität trotzdem hoch: Nach zehneinhalb Jahren können Kreditnehmer kostenfrei auf ein anderes Angebot umsteigen.
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