Die private Krankenversicherung (PKV) entwickelte sich auch im Geschäftsjahr 2022 sehr stabil. Die Prämieneinnahmen stiegen weiter, wobei sie nicht ausschließlich aus Beitragsanpassungen zulasten der Versicherten resultierten. Diese sind vergleichsweise moderat ausgefallen. Zusammen mit den gleichzeitig gestiegenen Leistungsausgaben verbuchte die Branche einen Rückgang des versicherungsgeschäftlichen Ergebnisses. Deutliche Rückgänge beim Nettokapitalergebnis verringerten zusätzlich das Rohergebnis nach Steuern. Die laufenden Kapitalanlageerträge blieben dagegen stabil.
„Die Corona-Krise scheint 2023 endlich überwunden, dennoch ist das Marktumfeld für die private Krankenversicherung nicht einfacher geworden“, fasste Alexander Kraus, Fachkoordinator Krankenversicherung der Assekurata Assekuranz Rating-Agentur GmbH und Autor der Untersuchung, die Ergebnisse auf der Audio-Web-Pressekonferenz „Marktausblick zur privaten Krankenversicherung“ zusammen.
Mit der Zinswende, der damit einhergehenden Inflation und auch den schwierig vorhersehbaren Auswirkungen des Ukraine-Kriegs täten sich neue Problemfelder auf. Dessen ungeachtet sei das Stimmungsbild auf Seiten der Versicherer für den gesamten PKV-Markt überraschend positiv, so Kraus weiter.
„Die gesamten Beitragseinnahmen befinden sich weiterhin auf einem Rekordniveau. Der Zuwachs wird 2023 jedoch wie bereits im Vorjahr, auch aufgrund moderater Beitragsanpassungen, wieder unter der Mrd.-Euro-Grenze bleiben“, erläuterte Abdulkadir Çebi, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata.
Gleichzeitig führen die hohen Beitragseinnahmen zu einer stabilen Sicherheitslage der PKV. Dies zeigt sich anhand der Eigenkapitalquote, die nach den bisherigen Erkenntnissen von Assekurata im vergangenen Jahr marktweit von 16,0 Prozent auf 16,7 Prozent stieg. Ebenso konnte die Branche die aufsichtliche SCR-Quote von 505 Prozent auf 524 Prozent steigern.
Leistungsausgaben ziehen weiter an
Nachdem die gesamten Leistungsausgaben bereits im Vorjahr wieder stärker angestiegen sind, näherten sie sich 2022 mit etwa 32,6 Mrd. Euro wieder langsam dem Vor-Corona-Niveau an. „Die erwarteten Nachholeffekte aus der Corona-Phase scheinen sich teilweise bereits niederzuschlagen. Dagegen liegen die Kostensteigerungen infolge der Inflation unter dem Niveau anderer Sparten, wie zum Beispiel der Schadenversicherungen“, erläuterte Abdulkadir Cebi.
Er geht davon aus, dass in den kommenden Jahren sich hier ein zeitversetzter Anstieg zeigen könnte. Zukünftige strukturelle Reformen, wie beispielsweise die geplante Krankenhausreform oder eine GOÄ-Novelle, könnten die Leistungsausgaben ebenfalls beeinflussen.
Aufgrund der wieder stärker gestiegenen Leistungsausgaben und der gleichzeitig nur moderaten Beitragsanpassungen verringerte sich die versicherungsgeschäftliche Ergebnisquote von 15,1 Prozent auf 12,9 Prozent, was immer noch einem guten Niveau entspricht. Obwohl die Zinsen gestiegen sind, verringerte sich die Nettoverzinsung branchenweit von 2,9 Prozent auf 2,3 Prozent. Dadurch sank auch die Rohergebnisquote von 14,6 Prozent auf 10,0 Prozent. Im Gegensatz zur Nettoverzinsung blieb die laufende Durchschnittsverzinsung der Kapitalanlagen laut aktuellen Marktdaten mit rund 2,6 Prozent jedoch sehr stabil.
Darüber hinaus sind Zinspapiere in der Neuanlage wieder deutlich attraktiver geworden. „Rententitel und vor allem Staatsanleihen gelten nach vielen Jahren wieder als ein renditeseitig attraktives Segment in der Neuanlage, während Aktien und Immobilien durch das volatile und schwierige Marktumfeld an Bedeutung verlieren“, merkt Cebi an. „Die Versicherer nutzen die gestiegenen Zinsen, um ihre laufenden Erträge zu stabilisieren beziehungsweise zu erhöhen und damit Sicherheit für Verträge mit langen Laufzeiten zu schaffen.“
RfB-Mittel verbleiben auf hohem Niveau
Dank der der soliden Ertragslage können die Unternehmen kontinuierlich Mittel in die Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) einführen und somit ein Reservepolster für Beitragsanpassungen aufbauen. Obwohl die RfB-Zuführungsquote im Jahr 2022 branchenweit von 13,7 Prozent auf etwa 9,2 Prozent gesunken ist, hat sich die RfB-Quote aufgrund des Rückgangs der RfB-Entnahmequote von 10,6 Prozent auf ca. 6,4 Prozent leicht auf 35,8 Prozenterhöht.
Nach den moderaten Beitragsanpassungen im Jahr 2022 verzeichneten die Analysten von Assekurata auch für die Anpassungsrunde 2023 durchschnittliche Werte von rund 3,5 Prozent in der Vollversicherung ohne Beihilfe und etwa 1,6 Prozent in der Beihilfe.
„Inzwischen hat sich das jahrelange Niedrigzinsniveau in den Tarifen wiedergefunden und die Rechnungszinsen wurden am unteren Ende angepasst. Erste Auswirkungen der Zinswende werden sich erst zeitversetzt in den Kapitalanlagen der Versicherer wiederfinden, und es ist nicht zwingend zu erwarten, dass dies langfristig zu niedrigeren Beiträgen führt, da die steigenden Kosten diesem Effekt entgegenwirken dürften. Allerdings könnten zukünftige Beitragsanpassungen durch diese Entwicklung abgemildert werden“, gab Çebi einen positiven Ausblick.
Zugangsprobleme in der Vollversicherung
Auch wenn sich bereits im fünften Jahr in Folge der Trend weiter bestätigte und die Branche mehr Zugänge aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) als Abgänge verzeichnen konnte, kämpft die PKV weiterhin mit Zugangsproblemen in der Vollversicherung. Insgesamt musste die Branche abermals einen Nettobestandsverlust von rund 14.000 Versicherten hinnehmen.
„Neben den immer noch hohen Abgängen in die GKV verhindert zusätzlich die steigende Anzahl der Sterbefälle ein Wachstum in der Vollversicherung. Ebenso könnten die zukünftigen politischen Rahmenbedingungen, wie die deutliche Anhebung der Jahresarbeitsentgeltgrenze, den Zugang zur PKV weiter erschweren“, erklärte Kraus die Entwicklung.
Umso wichtiger sei es, bereits jetzt die Attraktivität für freiwillig Versicherte und Familien zu erhöhen, so Kraus. In der Zusatzversicherung hingegen zeigt sich weiterhin ein stabiles Wachstum. Insbesondere aufgrund der Zahnzusatzversicherung und der betrieblichen Krankenversicherung (bKV) konnte der Markt im Jahr 2022 erneut um 2,1 Prozent wachsen. Ende 2022 verzeichneten die Unternehmen nach vorläufigen Schätzungen eine Gesamtzahl von rund 29,4 Millionen Policen.
Nachdem im Jahr 2021 durch die Einführung der tariflichen Pflegeabsicherung CareFlex sprunghaft über 400.000 Personen im Bereich der betrieblichen Krankenversicherung (bKV) versichert werden konnten, konnte die Branche hier 2022 mit etwa 185.000 versicherten Personen erneut einen beachtlichen Zuwachs verbuchen.
„Vor allem die Budgettarife bieten in diesem Segment einen erleichterten Zugang, weshalb auch in den vergangenen Jahren weitere Versicherer derartige Tarife eingeführt haben. Voraussichtlich werden noch weitere dem Beispiel folgen“, prognostizierte Krankenversicherungsexperte Kraus. Aktuell bieten 14 Versicherer diese Form der betrieblichen Krankenversicherung an.
Klarer Fokus auf Zahnzusatz und bKV
Es ist daher wenig überraschend, dass die Versicherer die Bereiche Zahnzusatz und bKV sowohl in Bezug auf die aktuelle Geschäftslage als auch auf die zukünftige Wachstumseinschätzung besonders positiv bewerten. Dies geht aus einer Umfrage zur Markteinschätzung hervor, die Assekurata im Vorfeld des Marktausblicks unter 13 Krankenversicherern durchgeführt hat.
Diese Versicherer repräsentieren einen Marktanteil von 72 Prozent gemessen an den vollversicherten Personen. Darüber hinaus rücken die stationären Zusatzversicherungen demnach wieder mehr in den Fokus. Im Gegensatz dazu werden die Krankenhaustagegeldversicherung und der Pflege-Bahr deutlich negativer bewertet. Gleichzeitig bleibt die Pflegezusatzversicherung ein Handlungsfeld für die PKV. Dies spiegelt sich auch in den aktuellen Zahlen wider, da das Wachstum im Bereich der Pflegezusatzversicherung weiterhin stagniert.
Ein Grund für die Kaufzurückhaltung könnten auch Verunsicherungen sowohl vermittler- als auch kundenseitig durch die verstärkte öffentliche Diskussion und etwaige grundlegenden Reformpläne sein. Diese Diskussionen beziehen sich nicht nur auf das aktuell beschlossene Pflegeunterstützungs- und -Entlastungsgesetz (PUEG), sondern gehen möglicherweise darüber hinaus. Kraus fügt an:
Sicher ist, dass die private Vorsorge auch nach neuen Reformen unerlässlich bleiben wird. Hier bieten sich eigentlich Chancen für die PKV, die es zum Beispiel durch Produktinnovationen zu nutzen gilt.
Insgesamt schätzt die Branche den Gesamtmarkt für die Krankenversicherung und auch speziell für die Vollversicherung aktuell und zukünftig durchweg eher positiv ein.
Elektronische Patientenakte (ePA): PKV erkennt Chancen
Einführung der elektronischen Patientenakte in der GKV Anfang 2021 fristet diese eher ein Schattendasein und ist bei den Versicherten noch nicht richtig angekommen. Hier könnte die PKV mit zeitnahen Einführungen der elektronischen Patientenakte (ePA) aufholen, zumal hier auch zukünftig verstärkt ein hoher Kundennutzen gesehen wird. Diese Erkenntnis geht aus der genannten Umfrage hervor, bei der inzwischen 64 Prozent der befragten Versicherer einen hohen Kundennutzen sehen, während es im Vorjahr lediglich 40 Prozent waren.
„Die elektronische Patientenakte und deren Einführung bleibt weiterhin ein wichtiger Punkt für die privaten Krankenversicherer. Sie ist ein wichtiger Bestandteil in der Servicewahrnehmung durch ihre Kunden und kann bei intelligenter Umsetzung dazu beitragen, dass sich die privaten Krankenversicherer als Gesundheitspartner etablieren. Im Zuge der digitalen Services werden zudem die Einsatzmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz verstärkt in den Fokus rücken“, merkt Assekurata-Bereichsleiter Çebi an.
Die Kölner Rating-Agentur stellte ihren Ausblick für die Versicherungswirtschaft im Zuge von einzelnen Presseveranstaltungen vor. Interessenten können den 38 Folien umfassenden Bericht für die Krankenversicherung nebst einer begleitenden Videopräsentation auf der Internetseite gegen eine Schutzgebühr von 900 Euro zzgl. MwSt. erstehen.
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