Die Anzeichen für einen nachlassenden Inflationsdruck sind inzwischen an vielen Stellen erkennbar. Auch die Zentralbanken bereiten sich angesichts dieser Entwicklung auf eine Verlangsamung und spätere Einstellung der Zinserhöhungen vor. Die neuesten Konsensschätzungen für das Wirtschaftswachstum zeigen für 2023 ein Wachstum nahe Null an, das sich 2024 wieder ins Positive wendet.
Auszüge aus dem Investmentausblick „The Globe" von Eurizon Asset Management
Die US-Inflationszahlen von Anfang November waren im Jahresvergleich rückläufig und blieben hinter den Erwartungen zurück, was die Märkte beflügelte. Die gehen davon aus, dass die Inflationsphase ausläuft. Können wir darauf vertrauen? Zumindest sind die Anzeichen für einen nachlassenden Inflationsdruck inzwischen an vielen Stellen erkennbar.
Beendete Lieferkettenstörungen
Zunächst einmal scheint die Beseitigung der Engpässe in den Produktions- und Vertriebsketten, die nach den synchronisierten Wiedereröffnungen der Märkte nach der Corona-Krise entstanden waren, abgeschlossen.
Bestätigung für die Rückkehr zur Normalität sind beispielsweise die Preise für den Transport von und nach China, die seit mehreren Monaten stark rückläufig sind und sich nun dem Niveau von 2019, der Zeit vor der Corona-Krise annähern. Und das ungeachtet der strengen Lockdowns, die das Land teilweise verfügt hat.
Stabilisierte Rohstoffpreise
Die Entwicklung der Rohstoffpreise ist ein zweites Element, das auf eine Trendwende bei der Inflation hindeutet. Die Preise für Industriemetalle erreichten im März ihren Höchststand, gingen bis Juli zurück, sind seither stabil und liegen etwa 40 Prozent unter den Höchstständen. Der Ölpreis erreichte im Juni mit 120 US-Dollar pro Barrel (WTI) seinen Höchststand, jetzt liegt auch er mit 80 US-Dollar 40 Prozent darunter. Schließlich erreichte der Erdgaspreis zuletzt im September einen Höchststand, weshalb die Inflation in Europa immer noch ansteigt. Aber auch er ist seit dem Höchststand um etwa 60 Prozent gesunken.
Abschwächung des US-Immobilienmarktes
Ein weiteres beruhigendes Element bei der Betrachtung der US-Inflation sind die Anzeichen für eine Abschwächung des Immobilienmarktes. Die Wohnkosten, insbesondere die Mieten, spielen im US-Inflationsindex eine große Rolle. Bis vor wenigen Wochen schien der Immobilienmarkt preisunempfindlich gegenüber steigenden Zinsen zu sein. In letzter Zeit sind die Hauspreise immer schneller gefallen, was den Druck auf die Mieten verringern dürfte.
Alles zusammengenommen können wir von einer allmählichen Abschwächung der Inflation als Hauptszenario ausgehen. Allerdings wird der Rückgang wahrscheinlich nicht linear verlaufen, da wirtschaftliche Mechanismen selten linear sind. Die für Ende 2023 allgemein erwartete Inflation von gerade einmal 3 Prozent sowohl in den USA als auch in der Eurozone ist möglicherweise zu optimistisch.
Inflation auf dem Abwärtspfad
Nichtsdestotrotz ist es wichtig und für die Marktdynamik ausreichend, dass die Inflation sich von nun an auf einem Abwärtspfad befindet. Die Geschwindigkeit des Rückgangs ist dabei von untergeordneter Bedeutung. Ein zu rascher Rückgang könnte zudem zu einer unerwartet starken Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit führen. Dies würde ein neues Momentum der Unsicherheit mit sich bringen.
In den USA ist der Rückgang der Inflation bei den nicht zum Kerngeschäft gehörenden Komponenten, die am engsten mit den Rohstoffpreisen verknüpft sind, bereits weit fortgeschritten. Der Rückgang muss sich nun auch noch in den Kernkomponenten manifestieren. Wichtig sind hier vor allem der Wohnungsbau und die Mieten.
In der Eurozone steigen alle Komponenten vorerst weiter an. Der Rückgang der Energiepreise dürfte jedoch nicht lange auf sich warten lassen und auch in den anderen Sektoren zu Preisrückgängen führen.
Angesichts des erwarteten Rückgangs der Inflation bereiten sich die Zentralbanken auf eine Verlangsamung und spätere Einstellung der Zinserhöhungen vor. Für die Fed und die EZB stehen bis Anfang 2023 noch eine Straffung um 100 Basispunkte auf dem Programm. Aber der Großteil liegt bereits hinter uns.
In den Fed Funds Futures ist die Annahme eingepreist, dass die Fed nach Erreichen der 5 Prozent-Marke einige Monate lang nichts unternimmt und dann die Zinsen bis Ende 2024 auf 3,5 Prozent senkt. Dieser Trend legt nahe, dass die Weltwirtschaft eine leichte Verlangsamung oder Mini-Rezession erleben könnte.
In dem Szenario, das jetzt in den Konsensschätzungen für das Wirtschaftswachstum zugrunde gelegt wird, geht man für 2023 von einem Wachstum nahe Null aus, das sich 2024 wieder ins Positive wendet.
Dies ist ein positives Szenario, das die Rückkehr zu moderatem Wachstum und moderater Inflation nach den turbulenten Jahren während und nach der Corona-Krise bedeutet. Das nächste Thema, das die Anleger beschäftigen wird, ist die Frage, ob die Konjunkturabschwächung nachlässt oder nicht.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Droht eine Stagflation?
Die Fed, die EZB und der Beinahe-Crash der Banken
Die Spannungen bezüglich der US-Regionalbanken, die SVB-Pleite und die Übernahme der Credit Suisse als Ansteckungspunkt in Europa sind eine indirekte Folge und ein unerwünschter Nebeneffekt im Kampf gegen die Inflation, den Fed und EZB um jeden Preis führen wollten.
Wege aus der Vielfachkrise – Ausblick auf 2023
2022 ist gezeichnet von vielzähligen Krisen, die auch die Finanzmärkte beeinflussen. Zudem vollziehen viele Notenbanken einen geldpolitischen Kurswechsel. Mit welchen Trends Investoren in diesem Umfeld anhaltender Volatilität und zunehmend angespannter Liquidität rechnen sollten.
Gegenwind für die Aktienmärkte beginnt nachzulassen
Die Inflation scheint ihren Höhepunkt zu erreichen, während die Angebotsprobleme nachlassen. Ein wahrscheinlicher Höhepunkt der Inflation fällt mit Aktienmarktbewertungen zusammen, die im 3-, 5- und 10-Jahres-Durchschnitt attraktiver geworden sind.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
BFH-Urteil zum freiwilligen Wehrdienst: Wann Kindergeld trotz Soldatendienst gezahlt wird
Der Bundesfinanzhof schafft Klarheit: Ein freiwilliger Wehrdienst allein begründet keinen Anspruch – doch wer ausbildungswillig ist und keinen Platz findet, kann profitieren. Was das Urteil für Familien bedeutet.
Geldanlage: Sicherheit vor Rendite – aber mit wachsender Risikobereitschaft
Für die meisten Deutschen steht Sicherheit bei der Geldanlage weiterhin an erster Stelle. Das zeigt eine aktuelle repräsentative forsa-Umfrage im Auftrag der BarmeniaGothaer. Während klassische Sparformen dominieren, gewinnt das Interesse an renditestärkeren Alternativen wie Fonds und Aktien langsam an Bedeutung.
Insolvenzverfahren der P&R-Gruppe: Über 666 Millionen Euro an Gläubiger verteilt
In den Insolvenzverfahren der vier deutschen P&R-Containerverwaltungsgesellschaften wurde nunmehr die vierte Abschlagsverteilung vorgenommen. Insgesamt rund 122 Millionen Euro wurden an mehr als 54.000 Gläubiger ausgezahlt.

Steuerbonus aus der Nebenkostenabrechnung
Versteckte Steuerersparnis in der Betriebskostenabrechnung: Wer haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen gezielt nutzt, kann jährlich mehrere hundert Euro direkt von der Steuer abziehen. Was § 35a EStG erlaubt, wie man eine Bescheinigung bei der Hausverwaltung anfordert – und worauf Mieter und Eigentümer jetzt achten sollten.