Da der Anspruch auf Buchauszugserteilung für jeden Versicherungsvertreter immer noch das größte Druckmittel darstellt, sind selbstverständlich die Argumente, um einen solchen nicht ausstellen zu müssen, zahlreich, sodass sich das Oberlandesgericht München mit seiner Entscheidung vom 31. Juli 2019 (Az. 7 U 4012/17) mit einigen Argumenten ausführlich beschäftigen musste.
Ausschluss durch Verzicht
So wird bereits oftmals behauptet, der Versicherungsvertreter habe bereits auf die Erteilung des Buchauszuges verzichtet. Haben die Parteien bereits während des laufenden Vertragsverhältnisses eine Vereinbarung getroffen, in welcher der Versicherungsvertreter insbesondere auch auf die Abrechnung zukünftiger Dynamikprovisionen verzichtet, so stellt ein solcher Verzicht für die Zukunft eine unwirksame Klausel gemäß § 87c Abs. 5 HGB dar.
Während somit eine Verzichtserklärung für zukünftige Ansprüche nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sowie nach § 87c Abs. 5 HGB nicht wirksam vereinbart werden kann, so ist ein Verzicht für vergangene Zeiträume auf den Buchauszugsanspruch durch den Abschluss eines Erlassvertrages grundsätzlich möglich.
Hat der Handelsvertreter im Nachfolgenden lediglich geäußert, dass er kein Interesse mehr an der Erteilung eines Buchauszuges habe, so sind an einen für diese Vereinbarung erforderlichen Verzicht strenge Anforderungen zu stellen. Bei Erklärungen die als Verzicht, Erlass oder in ähnlicher Weise rechtsvernichtend gewertet werden sollen, muss das Gebot einer interessengerechten Auslegung beachtet werden. Es bedarf konkreter Anhaltspunkte für die Feststellung des Willens einer Partei, auf einen Anspruch zu verzichten. Für diesen sogenannten „Verzichtswillen“ trägt jedoch ausschließlich das Versicherungsunternehmen die Beweislast.
„Das Oberlandesgericht hat mit seiner aktuellsten Entscheidung zum Handelsvertreterrecht noch einmal deutlich gemacht, dass der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges nur schwer abgewehrt werden kann und damit als Druckmittel des Versicherungsvertreters durchaus nicht an Relevanz verliert.“
Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
Der Anspruch kann auch nicht mit dem Argument zurückgewiesen werden, dass der Versicherungsvertreter, die im Rahmen des Buchauszugs zur Verfügung gestellten Angaben wettbewerbswidrig verwendet, um die Kunden des Versicherungsunternehmens abzuwerben.
Das Interesse des Versicherungsunternehmens an der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist jedoch für die Erteilung des Buchauszuges nicht relevant, da der Schutz hierbei bereits durch § 90 HGB geregelt ist. Nach § 90 HGB darf der Handelsvertreter gerade erlangte Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nicht verwerten, sofern diese der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmannes widersprechen. Damit fallen auch Verwendungen darunter, welche zur wettbewerbswidrigen Abwerbung von Kunden des Versicherungsunternehmens genutzt werden.
Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung
Auch wenn der Verstoß gegen das Datenschutzrecht bereits oftmals als Totschlagargument angeführt wird, so ist hierbei zu unterscheiden. Zwar ist die DSGVO auf erteilte Buchauszüge und auch auf alle nach § 87c Abs. 2 HGB zukünftig noch vorzunehmenden Datenverarbeitungen anwendbar, jedoch ist die mit der Erteilung eines Buchauszuges verbundene Datenübermittlung nach der DSGVO erlaubt.
Die Erteilung des Buchauszugs ist jedoch durch den Erlaubnistatbestand des Art. 6 S. 1 Nr. f DSGVO gedeckt, der die Übermittlung dann gestattet, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die dagegen stehenden Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person überwiegen.
Bei der Buchauszugserteilung steht jedoch ausschließlich das Vergütungsinteresse des Versicherungs- beziehungsweise Handelsvertreters an erster Stelle. Dabei handelt es sich um ein berechtigtes Interesse eines Dritten, da es aus einer von der Rechtsordnung erlaubten unternehmerischen Tätigkeit des Vertreters folgt und die unternehmerische Freiheit, die notwendigerweise das Recht zur Gewinnerzielung umfasst, ausdrücklich durch Art. 16 EU-Grundrechte-Charta anerkannt und geschützt ist.
Darüber hinaus sieht die europäische Rechtsordnung auch ausdrücklich einen Anspruch gegen den Unternehmer auf Erteilung eines Auszugs aus den Büchern des Unternehmers zur Nachprüfung seines Provisionsanspruchs vor, sodass sich daraus ableiten lässt, dass das Interesse des Handelsvertreters an der Erteilung eines Buchauszugs ein europarechtlich geschütztes und damit berechtigtes Recht ist.
Informationen selbst nicht bekannt
Verfügt das Versicherungsunternehmen selbst nicht über die im Buchauszug beanspruchten Informationen oder Unterlagen, so kann das Unternehmen darüber auch keine Informationen erteilen. Der Buchauszug muss alles enthalten, was sich aus allen dem Unternehmer verfügbaren schriftlichen Unterlagen im Zeitpunkt der Ausstellung des Buchauszuges über die fraglichen Geschäfte ergibt und nach der getroffenen Provisionsvereinbarung für die Berechnung der Provision von Bedeutung sein kann.
Der Buchauszug muss aber nur solche Angaben enthalten, die sich aus den Büchern des Prinzipals ergeben. Was sich nicht aus den Büchern ergibt, kann und braucht auch nicht in den Buchauszug aufgenommen werden, selbst wenn es provisionsrelevant sein sollte.
Damit muss das Versicherungsunternehmen nicht mehr leisten, als ihm selbst zur Verfügung steht. Das Oberlandesgericht hat mit seiner aktuellsten Entscheidung zum Handelsvertreterrecht noch einmal deutlich gemacht, dass der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges nur schwer abgewehrt werden kann und damit als Druckmittel des Versicherungsvertreters durchaus nicht an Relevanz verliert.
Autorin: Stephanie Has, Fachanwältin für Arbeitsrecht, FHR Rechtsanwälte
Themen:
LESEN SIE AUCH
Beendigung eines Handelsvertretervertrages
Ein einem Leitfaden informiert die Kanzlei Wirth–Rechtsanwälte umfassend und detailliert über relevante Belange des Handelsvertreters und gibt wichtige Informationen sowie Tipps über erlaubte und verbotene Aktivitäten. Das erste Kapitel dieser Beitragsserie widmet sich der Beendigung des Handelsvertretervertrages im Allgemeinen.
Rückzahlungspflicht einer „Garantieprovision“ kann unzulässige Kündigungsbeschränkung darstellen
Kryptowährung als Lohnbestandteil: Bundesarbeitsgericht legt Bedingungen fest
Dürfen Arbeitnehmer ihre Provisionen in Kryptowährung erhalten? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hierzu jetzt eine wegweisende Entscheidung getroffen – und klargestellt, unter welchen Bedingungen digitale Währungen als Teil des Gehalts zulässig sind.
Wirecard-Fall: BGH muss über die Haftung von EY entscheiden
Im Wirecard-Skandal hat das Bayerische Oberste Landesgericht eine Teil-Musterentscheidung getroffen, die weitreichende Folgen für geschädigte Anleger haben könnte. Demnach fallen Fragen zur Haftung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY (Ernst & Young GmbH) nicht in den Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (KapMuG) und müssen stattdessen in Einzelverfahren geklärt werden.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Bürgergeld gestrichen trotz Erbengemeinschaft: Landessozialgericht schafft Klarheit
Darf eine Erbin mit Millionenvermögen weiter Bürgergeld beziehen, solange sie aus der Erbengemeinschaft nicht auszahlen kann? Ein Gericht hat dazu eine klare Antwort – und verändert damit die Dynamik in blockierten Erbengemeinschaften.
„Musik ist erlaubt – aber nicht grenzenlos“: Was beim Musikhören rechtlich zu beachten ist
Ob beim Autofahren, Üben in der Mietwohnung oder Klingeltonnutzung – Musik im Alltag ist rechtlich klar geregelt. Eine Sammlung aktueller Urteile zeigt, wann es teuer werden kann und welche Rechte Mieter, Musiker und Verkehrsteilnehmer haben.
Gebrauchtwagenkauf: Kein Eigentum trotz Fahrzeugbrief
Ein vermeintlich seriöser Autoverkauf entpuppte sich als Betrug – trotz Vorlage eines echten Fahrzeugbriefs. Das Landgericht Frankenthal verneint einen gutgläubigen Erwerb und erklärt: Wer Warnsignale ignoriert, handelt grob fahrlässig und verliert Eigentum wie Kaufpreis.
Leitsatzurteil: Verletzung der Masseerhaltungspflicht führt zum Leistungsausschluss in der D&O-Versicherung
Ein Geschäftsführer, der bei Zahlungsunfähigkeit keinen Insolvenzantrag stellt, riskiert nicht nur straf- und zivilrechtliche Haftung – sondern auch den Verlust des D&O-Versicherungsschutzes.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.