Neues zum Recht auf Erteilung eines Buchauszuges

Da der Anspruch auf Buchauszugserteilung für jeden Versicherungsvertreter immer noch das größte Druckmittel darstellt, sind selbstverständlich die Argumente, um einen solchen nicht ausstellen zu müssen, zahlreich, sodass sich das Oberlandesgericht München mit seiner Entscheidung vom 31. Juli 2019 (Az. 7 U 4012/17) mit einigen Argumenten ausführlich  beschäftigen musste.

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Ausschluss durch Verzicht

So wird bereits oftmals behauptet, der Versicherungsvertreter habe bereits auf die Erteilung des Buchauszuges verzichtet. Haben die Parteien bereits während des laufenden Vertragsverhältnisses eine Vereinbarung getroffen, in welcher der Versicherungsvertreter insbesondere auch auf die Abrechnung zukünftiger Dynamikprovisionen verzichtet, so stellt ein solcher Verzicht für die Zukunft eine unwirksame Klausel gemäß § 87c Abs. 5 HGB dar.

Stephanie-Has-2019-FHR-RechtsanwaelteStephanie-Has-2019-FHR-Rechtsanwaelte Stephanie Has, Fachanwältin für Arbeitsrecht, FHR Rechtsanwälte

Während somit eine Verzichtserklärung für zukünftige Ansprüche nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sowie nach § 87c Abs. 5 HGB nicht wirksam vereinbart werden kann, so ist ein Verzicht für vergangene Zeiträume auf den Buchauszugsanspruch durch den Abschluss eines Erlassvertrages grundsätzlich möglich.

Hat der Handelsvertreter im Nachfolgenden lediglich geäußert, dass er kein Interesse mehr an der Erteilung eines Buchauszuges habe, so sind an einen für diese Vereinbarung erforderlichen Verzicht strenge Anforderungen zu stellen. Bei Erklärungen  die als Verzicht, Erlass oder in ähnlicher Weise rechtsvernichtend gewertet werden sollen, muss das Gebot einer interessengerechten Auslegung beachtet werden. Es bedarf konkreter Anhaltspunkte für die Feststellung des Willens einer Partei, auf einen Anspruch zu verzichten. Für diesen sogenannten „Verzichtswillen“ trägt jedoch ausschließlich das Versicherungsunternehmen die Beweislast.

„Das Oberlandesgericht hat mit seiner aktuellsten Entscheidung zum Handelsvertreterrecht noch einmal deutlich gemacht, dass der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges nur schwer abgewehrt werden kann und damit als Druckmittel des Versicherungsvertreters durchaus nicht an Relevanz verliert.“

Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

Der Anspruch kann auch nicht mit dem Argument zurückgewiesen werden, dass der Versicherungsvertreter, die im Rahmen des Buchauszugs zur Verfügung gestellten Angaben wettbewerbswidrig verwendet, um die Kunden des Versicherungsunternehmens abzuwerben.

Das Interesse des Versicherungsunternehmens an der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist jedoch für die Erteilung des Buchauszuges nicht relevant, da der Schutz hierbei bereits durch § 90 HGB geregelt ist. Nach § 90 HGB darf der Handelsvertreter gerade erlangte Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nicht verwerten, sofern diese der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmannes widersprechen. Damit fallen auch Verwendungen darunter, welche zur wettbewerbswidrigen Abwerbung von Kunden des Versicherungsunternehmens genutzt werden.

Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung

Auch wenn der Verstoß gegen das Datenschutzrecht bereits oftmals als Totschlagargument angeführt wird, so ist hierbei zu unterscheiden. Zwar ist die DSGVO auf erteilte Buchauszüge und auch auf alle nach § 87c Abs. 2 HGB zukünftig noch vorzunehmenden Datenverarbeitungen anwendbar, jedoch ist die mit der Erteilung eines Buchauszuges verbundene Datenübermittlung nach der DSGVO erlaubt.

Die Erteilung des Buchauszugs ist jedoch durch den Erlaubnistatbestand des Art. 6 S. 1 Nr. f DSGVO gedeckt, der die Übermittlung dann gestattet, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die dagegen stehenden Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person überwiegen.

Bei der Buchauszugserteilung steht jedoch ausschließlich das Vergütungsinteresse des Versicherungs- beziehungsweise Handelsvertreters an erster Stelle. Dabei handelt es sich um ein berechtigtes Interesse eines Dritten, da es aus einer von der Rechtsordnung erlaubten unternehmerischen Tätigkeit des Vertreters folgt und die unternehmerische Freiheit, die notwendigerweise das Recht zur Gewinnerzielung umfasst, ausdrücklich durch Art. 16 EU-Grundrechte-Charta anerkannt und geschützt ist.

Darüber hinaus sieht die europäische Rechtsordnung auch ausdrücklich einen Anspruch gegen den Unternehmer auf Erteilung eines Auszugs aus den Büchern des Unternehmers zur Nachprüfung seines Provisionsanspruchs vor, sodass sich daraus ableiten lässt, dass das Interesse des Handelsvertreters an der Erteilung eines Buchauszugs ein europarechtlich geschütztes und damit berechtigtes Recht ist.

Informationen selbst nicht bekannt

Verfügt das Versicherungsunternehmen selbst nicht über die im Buchauszug beanspruchten Informationen oder Unterlagen, so kann das Unternehmen darüber auch keine Informationen erteilen. Der Buchauszug muss alles enthalten, was sich aus allen dem Unternehmer verfügbaren schriftlichen Unterlagen im Zeitpunkt der Ausstellung des Buchauszuges über die fraglichen Geschäfte ergibt und nach der getroffenen Provisionsvereinbarung für die Berechnung der Provision von Bedeutung sein kann.

Der Buchauszug muss aber nur solche Angaben enthalten, die sich aus den Büchern des Prinzipals ergeben. Was sich nicht aus den Büchern ergibt, kann und braucht auch nicht in den Buchauszug aufgenommen werden, selbst wenn es provisionsrelevant sein sollte.

Damit muss das Versicherungsunternehmen nicht mehr leisten, als ihm selbst zur Verfügung steht. Das Oberlandesgericht hat mit seiner aktuellsten Entscheidung zum Handelsvertreterrecht noch einmal deutlich gemacht, dass der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges nur schwer abgewehrt werden kann und damit als Druckmittel des Versicherungsvertreters durchaus nicht an Relevanz verliert.

Autorin: Stephanie Has, Fachanwältin für Arbeitsrecht, FHR Rechtsanwälte

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