Ein stabiler Ruhestand ist das Versprechen der deutschen Sozialpolitik. Doch was kostet Sicherheit heute – und wer bezahlt sie morgen?
Mit dem neuen Rentenpaket der Bundesregierung, das Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) vorgelegt hat, wird das Rentenniveau bis 2031 bei mindestens 48 Prozent eingefroren. Zugleich soll die sogenannte Mütterrente III eingeführt werden, wodurch künftig auch für vor 1992 geborene Kinder drei Jahre Erziehungszeit angerechnet werden. Die Kosten dieser Maßnahmen: fast 47 Milliarden Euro zusätzlich bis 2031 – finanziert nicht durch höhere Beiträge, sondern aus Steuermitteln.
Die Botschaft ist klar: Niemand soll Angst vor Altersarmut haben. Die Rente soll sicher bleiben – zumindest bis 2031. Für viele Rentnerinnen und Rentner, die Jahrzehnte gearbeitet haben, ist das eine notwendige Anerkennung. Auch die Gleichstellung bei der Kindererziehungszeit ist sozialpolitisch längst überfällig.
Doch während für die Rentner von heute und morgen gesorgt wird, stellt sich eine unbequeme Frage: Was ist mit den Rentnern von übermorgen?
Das politische Dilemma: kurzfristige Stabilität, langfristige Risiken
Die Reform setzt den sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor aus – ein zentrales Instrument, das seit den 2000er-Jahren dazu diente, die Rentenanpassung an die demografische Entwicklung zu koppeln. Seine Aussetzung bewirkt, dass Renten auch dann steigen, wenn das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern sich weiter verschlechtert. Diese politische Entscheidung schafft kurzfristig Vertrauen – und langfristig eine Finanzierungslücke.
Der Beitragssatz zur Rentenversicherung steigt zwar auch künftig – von heute 18,6 auf 20,3 Prozent im Jahr 2031. Doch um das Rentenniveau künstlich zu stabilisieren, muss der Staat zusätzlich Milliarden zuschießen. Diese Mittel fehlen an anderer Stelle – bei Bildung, Infrastruktur oder Klimaschutz. Es ist ein klassisches Beispiel für politische Priorisierung mit Langzeitfolgen.
Generationengerechtigkeit auf dem Prüfstand
Während heutige Rentner profitieren, werden die Lasten auf eine jüngere, ohnehin kleinere Kohorte verlagert. Die demografische Entwicklung – mehr Ältere, weniger Jüngere – wird damit nicht bekämpft, sondern politisch übertüncht. Der Generationenvertrag, einst als solidarisches System gedacht, wird zur Einbahnstraße: Jüngere zahlen, Ältere profitieren – mit fraglicher Gegenleistung in der Zukunft.
Ökonomen wie Axel Börsch-Supan und Bernd Raffelhüschen warnen seit Jahren vor solchen Verschiebungen. Der Sozialstaat verliere seine Zukunftsfähigkeit, wenn er sich nur auf die Sicherung bestehender Ansprüche konzentriere und dabei die Beitragenden von morgen überlaste.
Sicherheit um jeden Preis?
Niemand will Rentner bestrafen – nicht die von heute, nicht die von morgen. Doch wer heute Wahlversprechen absichert, ohne die Finanzierung über 2031 hinaus zu klären, betreibt eine Politik auf Pump – zulasten der Rentner von übermorgen. Eine Rentenpolitik, die Vertrauen schafft, darf nicht nur den Status quo absichern, sondern muss auch künftige Generationen in den Blick nehmen.
Ohne eine Reform der Erwerbsbiografien, der Zuwanderungspolitik und des Arbeitsmarktes wird kein Rentenversprechen langfristig haltbar sein. Sicherheit ist kein Geschenk – sie ist eine Verpflichtung gegenüber allen Generationen.
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