In der Regulierungspraxis von Sachversicherungen spielen Vorschäden eine zunehmend wichtige Rolle. Während die Neuwertversicherung grundsätzlich für eine wertverbesserte Entschädigung steht, nutzen Versicherer vermehrt den Vorschadeneinwand, um Leistungen zu kürzen. Rechtsanwalt Vincent Jacobsen (Kanzlei Michaelis) erläutert in einem aktuellen Newsletter-Beitrag die rechtlichen Grundlagen und Abgrenzungen.
Obwohl der Bundesgerichtshof (BGH) bereits 1997 ein generelles Bereicherungsverbot in der Schadenversicherung verneint hat, bleibt die Neuwertversicherung eine Ausnahme von der üblichen Zeitwertentschädigung. Versicherungsnehmer profitieren von einer besseren finanziellen Stellung nach einem Schadensfall – doch diese Besserstellung kommt nicht ohne Hürden.
Ein zunehmend häufiger genutztes Argument der Versicherer ist der Vorschadeneinwand, so Rechtsanwalt Vincent Jacobsen im jüngsten Newsletter der Kanzlei Michaelis. Den Ausführungen von Jacobsen zufolge wird dabei zwischen zwei zentralen Aspekten unterschieden:
- Vorschadeneinwand in der Entschädigungsberechnung: Nur Schäden, die durch das aktuelle Versicherungsereignis entstanden sind, gelten als erstattungsfähig. Vorschäden aus früheren Schäden oder Abnutzung sind nicht ersatzfähig.
- Einwand der Verletzung von Wartungs- und Instandhaltungsobliegenheiten: Versicherungsnehmer sind verpflichtet, ihre versicherten Sachen instand zu halten. Werden Mängel nicht behoben und tragen diese zur Schadensentstehung bei, kann die Entschädigung gekürzt werden.
„Besonders große Bedeutung hat die Instandhaltungsobliegenheit in der Sturm- und Rohrbruchversicherung, obwohl sie für alle versicherten Gefahren gilt“, erklärt Rechtsanwalt Vincent Jacobsen von der Kanzlei Michaelis. Er weist darauf hin, dass „verdeckte Mängel oder Schäden an der Bausubstanz häufig nicht zur Leistungskürzung führen, da grobe Fahrlässigkeit bei Nichterkennbarkeit ausgeschlossen ist.“
Besonders relevant sei dies in der Wohngebäudeversicherung. Hier bestätigt die Rechtsprechung die Wirksamkeit von Instandhaltungsobliegenheiten und betont, dass Versicherer bei nachgewiesenen Vorschäden Kürzungen vornehmen können. Ein Urteil des BGH aus dem Jahr 2024 unterstreicht, dass die Nichterfüllung vertraglich vereinbarter Wartungspflichten zur Kürzung oder sogar zum Ausschluss der Leistung führen kann.
Versicherungsmakler sollten ihre Kunden daher frühzeitig auf die Bedeutung der Instandhaltung hinweisen. Werden Vorschäden bereits im Vorfeld erkannt und dokumentiert, kann dies spätere Kürzungen verhindern. „Kann die Instandhaltung nachgewiesen werden, erübrigt sich in den meisten Fällen auch der Vorschadeneinwand“, so Jacobsen weiter. Gerade in der Neuwertversicherung sind klare Abgrenzungen entscheidend, um berechtigte Ansprüche durchzusetzen.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Beratungsverzicht per Vordruck? OLG Nürnberg stärkt Versicherer und sorgt für Kritik
Ein Beratungsverzicht bei Versicherungsverträgen muss nicht zwingend in einem separaten Dokument erklärt werden, sondern kann auch innerhalb eines Antragsformulars erfolgen, sofern er optisch hervorgehoben und vom Kunden unterschrieben ist. So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg (Az. 8 U 1684/24).
„Die Versicherer müssen die Kosten senken – auch im Vertrieb“
Die Kompositversicherer stehen vor enormen Herausforderungen: Die Schaden-Kosten-Quote lag 2023 im Durchschnitt über 100 Prozent – ein Verlustgeschäft. Besonders betroffen sind Kfz- und Wohngebäudeversicherungen. Experten von Simon-Kucher fordern nun eine radikale Optimierung im Vertrieb, mehr Automatisierung und eine durchdachte Rabattstrategie.
AssCompact AWARD 2025: VEMA übernimmt Führung in drei Kategorien
Die „AssCompact AWARD – Pools & Dienstleister 2025“-Studie bringt eine bedeutende Marktverschiebung mit sich. Fonds Finanz verliert erstmals seit Jahren die Spitzenposition in drei von vier Kategorien an die VEMA eG.
Ob Unfall, Hausrat, Privathaftpflicht: InterRisk für ihre Kompositversicherungen prominent ausgezeichnet
Die InterRisk Versicherungen, Sach- und Lebensversicherer der Vienna Insurance Group (VIG) in Deutschland, haben in jüngster Zeit für ihre Komposit-Produkte diverse Auszeichnungen und Top-Rankings erhalten.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Streit um den Rentenfaktor: Allianz zieht vor den BGH
Der Rechtsstreit um die Senkung des Rentenfaktors bei Riester-Renten geht in die nächste Instanz. Nachdem das Oberlandesgericht Stuttgart eine Vertragsklausel der Allianz für unwirksam erklärte, soll nun der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.
BGH-Urteil: Hundehalter haften auch für gehorsame Hunde
Hundehalterinnen und Hundehalter müssen auch dann für Schäden haften, wenn ihr Hund gehorsam ist und an der Leine geführt wird. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH, VI ZR 381/23) in einem aktuellen Urteil entschieden.
BaFin bestraft Tesla-Tochter
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat gegen die Tesla Financial Service GmbH Bußgelder in Höhe von 11.000 Euro verhängt. Der Grund: Verstöße gegen das Kreditwesengesetz.
BGH erklärt Klauseln zu Verwahrentgelten für unwirksam
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Banken und Sparkassen dürfen keine Verwahrentgelte auf Giro-, Tagesgeld- und Sparkonten erheben. Zudem wurden Klauseln zu Entgelten für Ersatz-Bankkarten und Ersatz-PINs für unwirksam erklärt. Die Urteile könnten weitreichende Folgen für Banken und Kunden haben.