Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Banken und Sparkassen dürfen keine Verwahrentgelte auf Giro-, Tagesgeld- und Sparkonten erheben. Zudem wurden Klauseln zu Entgelten für Ersatz-Bankkarten und Ersatz-PINs für unwirksam erklärt. Die Urteile könnten weitreichende Folgen für Banken und Kunden haben.
Mit vier Urteilen vom 4. Februar 2025 hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) die von Banken und Sparkassen verwendeten Klauseln zu Verwahrentgelten – umgangssprachlich auch als „Negativzinsen“ bezeichnet – für unwirksam erklärt. Dies betrifft Entgelte für die Verwahrung von Einlagen auf Girokonten, Tagesgeldkonten und Sparkonten. Auch Klauseln zu Gebühren für Ersatz-Bankkarten und Ersatz-PINs wurden als rechtswidrig eingestuft.
Hintergrund der Entscheidung
Die klagenden Verbraucherschutzverbände hatten sich gegen Verwahrentgelte gewandt, die Banken auf Einlagen oberhalb bestimmter Freibeträge erhoben hatten – teilweise bis zu 0,7 % pro Jahr. Die Klauseln wurden als unangemessene Benachteiligung der Verbraucher eingestuft, da sie gegen das Transparenzgebot verstoßen.
Laut BGH sind Einlagen auf Girokonten nicht nur für den Zahlungsverkehr gedacht, sondern auch zur sicheren Verwahrung. Da Banken mit dem sogenannten „Bodensatz“ der Einlagen wirtschaften können, sei es nicht rechtens, für die Verwahrung zusätzlich Gebühren zu verlangen. Auch Tagesgeld- und Sparkonten, die klassisch zur Geldanlage und zum Vermögensaufbau dienen, dürfen nach Auffassung des Gerichts nicht mit negativen Zinsen belastet werden.
Entscheidung zu Ersatz-Bankkarten und Ersatz-PINs
Neben den Verwahrentgelten erklärte der BGH auch Klauseln zu Gebühren für Ersatz-Bankkarten und Ersatz-PINs für unwirksam. Die entsprechenden Regelungen in Preisverzeichnissen seien intransparent, weil nicht klar definiert sei, unter welchen Bedingungen die Bank eine Gebühr erheben darf. Kunden konnten daher nicht abschätzen, ob sie die Gebühr tatsächlich zahlen müssen oder ob die Bank zur kostenlosen Ausstellung verpflichtet ist.
Konsequenzen für Banken und Verbraucher
Das Urteil stellt klar, dass Banken und Sparkassen solche Gebühren nicht mehr erheben dürfen. Für Verbraucher bedeutet dies potenzielle Rückforderungsansprüche, sofern sie in der Vergangenheit entsprechende Entgelte gezahlt haben. In einigen Verfahren hatten die klagenden Verbände auch Rückzahlungen sowie die Herausgabe von Kundendaten gefordert. Diese Forderungen wurden vom BGH jedoch abgelehnt, da sie nicht den Anforderungen der Zivilprozessordnung entsprachen.
Die Entscheidung könnte Auswirkungen auf das Geschäftsmodell vieler Banken haben. Während Negativzinsen in Zeiten niedriger Leitzinsen von der Europäischen Zentralbank (EZB) teilweise auf Bankeinlagen erhoben wurden, sind sie für Privatkunden nun rechtlich unzulässig.
Aktenzeichen der Urteile:
- XI ZR 61/23 – Landgericht Leipzig, Oberlandesgericht Dresden
- XI ZR 65/23 – Landgericht Düsseldorf, Oberlandesgericht Düsseldorf
- XI ZR 161/23 – Landgericht Berlin, Kammergericht Berlin
- XI ZR 183/23 – Landgericht Frankfurt am Main, Oberlandesgericht Frankfurt am Main
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