Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Für die Beurteilung eines Reiserücktritts wegen Covid-19 sind nur die Umstände zum Zeitpunkt des Rücktritts entscheidend. Was diese Entscheidung für Reisende, Veranstalter und Versicherer bedeutet.
Mit seinem Urteil vom 28. Januar 2025 hat der Bundesgerichtshof (BGH) die rechtlichen Maßstäbe für Reiserücktritte wegen Covid-19 präzisiert. In drei Verfahren urteilte der X. Zivilsenat, dass spätere Ereignisse wie Einreiseverbote oder Reiseabsagen bei der Bewertung außergewöhnlicher Umstände nicht berücksichtigt werden dürfen. Maßgeblich sei allein die Situation zum Zeitpunkt des Rücktritts.
Die verhandelten Fälle im Überblick:
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Japan-Reise (Aktenzeichen: X ZR 53/21): Im März 2020 trat ein Kläger von einer Japan-Reise zurück, nachdem erste Maßnahmen wie Schulschließungen und Veranstaltungsabsagen bekannt wurden. Ein später verhängtes Einreiseverbot wurde nicht berücksichtigt.
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Ostseekreuzfahrt (Aktenzeichen: X ZR 3/22): Ein Kläger stornierte im März 2020 eine Kreuzfahrt, die erst im August 2020 stattfinden sollte. Der Veranstalter sagte die Reise später ab, was laut BGH nicht als Entscheidungsgrund herangezogen werden kann.
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Mallorca- und Flusskreuzfahrt (Aktenzeichen: X ZR 55/22): Zwei Reisen wurden im April 2020 vom Klägerpaar storniert. Der BGH stellte klar, dass nur die Umstände zum Zeitpunkt des Rücktritts relevant sind.
Die Auswirkungen der Entscheidung:
Laut § 651h Abs. 3 BGB müssen Reisende keine Entschädigung (an den Reiseveranstalter) zahlen, wenn am Reiseziel außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Reise erheblich beeinträchtigen. Der BGH betonte jedoch, dass eine solche Bewertung streng auf die damalige Faktenlage begrenzt ist.
Die genaue Prüfung der Umstände zum Rücktrittszeitpunkt wird für Veranstalter und Versicherer aufwendiger und könnte zu zusätzlichen Streitfällen führen. Besonders Reise- und Rechtsschutzversicherungen dürften häufiger in Anspruch genommen werden, um Klärung bei Stornierungen herbeizuführen. Zudem wird die Branche vor die Aufgabe gestellt, spezifische Produkte zu entwickeln, die pandemiebedingte Risiken transparenter abdecken.
Der BGH stützte sich bei seiner Entscheidung auf eine Vorab-Entscheidung Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dieser hatte im Februar 2024 entschieden, dass zur Beurteilung der Frage, ob ein Reisender, der vor Beginn der Reise vom Vertrag zurückgetreten ist, von der Zahlung einer Entschädigung an den Reiseveranstalter gemäß befreit ist, nur Umstände zu berücksichtigen sind, die im Zeitpunkt des Rücktritts auch bestanden (C-584/22, RRa 2024, 62 - Kiwi Tours).
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