Das Bürokratieentlastungsgesetz IV, das am 1. Januar 2025 in Kraft trat, sorgt für einige Änderungen im Arbeitsrecht. Rechtsanwältin Sarah Kolß (Kanzlei Michaelis) erklärt, welche Neuerungen Arbeitgeber beachten sollten und wo weiterhin Vorsicht geboten ist.
Digitale Arbeitsverträge und Co.: Was sich ändert
Das Bürokratieentlastungsgesetz IV bringt laut Rechtsanwältin Sarah Kolß sowohl praktische Erleichterungen als auch weiterhin bestehende Pflichten mit sich. „Auch wenn viele noch immer von zu viel Bürokratie sprechen, gibt es einige Neuerungen, die den Arbeitsalltag tatsächlich vereinfachen können“, so Kolß.
1. Arbeitsverträge und Änderungen erstmals digital möglich
Eine der bedeutendsten Änderungen: Arbeitsverträge und deren Änderungen können nun in Textform abgeschlossen werden, beispielsweise per E-Mail. „Die bislang vorgeschriebene Schriftform, bei der beide Parteien den Vertrag handschriftlich unterschreiben mussten, entfällt“, erklärt Kolß. Arbeitgeber sind allerdings verpflichtet, den Erhalt der Bedingungen vom Arbeitnehmer schriftlich bestätigen zu lassen.
Die Schriftform bleibt jedoch in bestimmten Branchen wie dem Bau- oder Gaststättengewerbe weiterhin Pflicht. Kolß warnt zudem: „Die neuen Regelungen betreffen nur die Nachweispflichten, nicht die Gültigkeit des Vertrags. Arbeitsverträge können auch mündlich oder konkludent abgeschlossen werden.“
2. Befristungen und Arbeitszeugnisse
Auch Befristungen von Arbeitsverhältnissen bis zur Regelaltersgrenze können nun in Textform vereinbart werden. Wichtig ist laut Kolß: „Normale Befristungen ohne Sachgrund erfordern nach wie vor die Schriftform.“
Für Arbeitszeugnisse gilt ab sofort: Diese dürfen in elektronischer Form ausgestellt werden, allerdings nur mit Einwilligung des Arbeitnehmers. „Hier reicht eine einfache E-Mail nicht aus“, betont Kolß. „Eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 126a BGB ist notwendig.“
3. Änderungen bei Eltern- und Pflegezeit
Ab Mai 2025 werden Anträge auf Elternzeit, Teilzeitarbeit während der Elternzeit oder Pflegezeit ebenfalls in Textform akzeptiert. Arbeitgeber dürfen dabei ihre Entscheidungen ebenfalls ohne handschriftliche Unterschrift mitteilen.
4. Weitere Vereinfachungen
Neu ist auch, dass gesetzliche Regelungen wie das Arbeitszeitgesetz oder Jugendarbeitsschutzgesetz nicht mehr in Papierform ausgelegt werden müssen. Eine Veröffentlichung im Intranet genügt.
5. Vorsicht bei Kündigungen und Co.
Trotz der Lockerungen bleiben bestimmte Dokumente weiterhin an die Schriftform gebunden. „Für Kündigungen, Aufhebungsverträge oder Betriebsvereinbarungen ist nach wie vor eine handschriftliche Unterschrift erforderlich“, warnt Kolß. Verstöße gegen diese Vorgaben können erhebliche rechtliche Konsequenzen haben.
Hinweis: Rechtsanwältin Sarah Kolß wird auch auf der kommenden Online-Fachtagung der Kanzlei Michaelis arbeitsrechtliche Themen vorstellen. Konkret wird es um den 'KI-Führerschein' gehen.
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