Die Grundsteuerreform, die ab Januar 2025 in Kraft tritt, sorgt bereits jetzt für hitzige Diskussionen. Kritiker befürchten deutliche finanzielle Belastungen für Eigentümer und Mieter, die weit über das hinausgehen, was ursprünglich von der Politik versprochen wurde. Insbesondere der Eigentümerverband Haus & Grund warnt vor drastischen Steuererhöhungen.
Massive Steuersteigerungen befürchtet
Laut einer Analyse von Haus & Grund könnte die Grundsteuer im Durchschnitt um 116 Prozent steigen. Für mehr als 60 Prozent der Betroffenen sei mit einer Erhöhung zu rechnen – in Einzelfällen sogar um bis zu 996 Prozent. Diese Zahlen stehen im Widerspruch zu den politischen Zusicherungen, die Reform werde keine Mehrbelastung für die Bürger mit sich bringen.
Kai Warnecke, Präsident von Haus & Grund, kritisiert scharf: „Es zeichnet sich eine massive Steuererhöhung ab. Die Verantwortung dafür trägt Olaf Scholz: erst als Finanzminister, jetzt als Bundeskanzler.“ (Quelle: Bild-Zeitung, Interview vom 28.12.2024). Scholz hatte 2019, damals als Bundesfinanzminister, versprochen, die Reform werde „aufkommensneutral“ sein – Kommunen sollten dadurch keine zusätzlichen Einnahmen erzielen. Nach Ansicht von Haus & Grund sei dieses Versprechen jedoch gebrochen.
Hebesätze als zentraler Faktor
Ein entscheidender Punkt der Reform ist die Rolle der kommunalen Hebesätze. Diese bestimmen, wie hoch die Grundsteuer letztendlich ausfällt. Viele Kommunen haben ihre Hebesätze jedoch noch nicht festgelegt. Besonders in hochverschuldeten Regionen wie Nordrhein-Westfalen könnten finanzschwache Gemeinden die Sätze deutlich erhöhen, um Haushaltslücken zu schließen.
Uwe Zimmermann, Vizepräsident des Städte- und Gemeindebundes, hält dies für unvermeidlich: „Wenn wegen der katastrophalen Finanzlage als letzter Ausweg nur eine Erhöhung der kommunalen Steuern bleibt, dann ist das der letzte Schritt, der in der aktuellen Situation unumgänglich ist.“ (Quelle: Bild-Zeitung, 28.12.2024)
Unterschiedliche Auswirkungen nach Immobilientyp
Die Reform betrifft Eigentümer unterschiedlich, je nach Art und Lage ihrer Immobilie. Gewerbeimmobilien und ältere Gebäude in ländlichen Gebieten könnten von Steuererleichterungen profitieren. Dagegen müssen Besitzer neuer Eigenheime oder Immobilien in Ballungszentren mit höheren Belastungen rechnen. Der Grund hierfür liegt in der neuen Bewertungsgrundlage, die den aktuellen Marktwert der Immobilien stärker berücksichtigt.
Hintergrund der Reform
Auslöser der Reform war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die bisherigen Bewertungsgrundlagen aus den Jahren 1964 (Westdeutschland) und 1935 (Ostdeutschland) für verfassungswidrig erklärte. Ziel der Neuregelung ist eine gerechtere und zeitgemäße Besteuerung von Immobilien. Zukünftig soll der aktuelle Marktwert der Grundstücke maßgeblich sein.
Die Bundesregierung betont, dass die Reform nicht auf Mehreinnahmen abzielt. Einige Städte, wie Leipzig und Dresden, haben ihre Hebesätze bereits gesenkt, um die Steuerlast stabil zu halten. In Leipzig wurde der Hebesatz beispielsweise von 650 auf 450 Basispunkte reduziert, um trotz gestiegener Bemessungsgrundlagen ein gleichbleibendes Steueraufkommen von 102 Millionen Euro zu erzielen. (Quelle: Offizielle Mitteilung der Stadt Leipzig, November 2024)
Herausforderungen für Kommunen
Die finanzielle Situation vieler Kommunen stellt eine zusätzliche Herausforderung dar. Besonders verschuldete Gemeinden könnten die Reform nutzen, um ihre Einnahmen durch höhere Hebesätze zu steigern. Das führt dazu, dass die offizielle Zielsetzung der „Aufkommensneutralität“ zunehmend in Frage gestellt wird. Die Kritik, sowohl von Verbänden als auch von Betroffenen, wächst entsprechend.
Eine Sprecherin des Bundesverfassungsgerichts betonte: „Die Aktualisierung der Werte führt dazu, dass ein Teil der Eigentümerinnen und Eigentümer zukünftig mehr, andere weniger Grundsteuer bezahlen.“ (Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2018)
Blick auf die nächsten Schritte
Mit der Grundsteuerreform steht eine der bedeutendsten Steueränderungen der letzten Jahrzehnte bevor. Doch die Auswirkungen sind bereits jetzt umstritten. Während die Politik an ihrem Ziel einer gerechten und zeitgemäßen Besteuerung festhält, warnen Experten vor erheblichen Mehrbelastungen. Wie die Kommunen ihre Hebesätze letztlich gestalten und ob die Politik auf die wachsende Kritik reagiert, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch: Viele Eigentümer und Mieter werden sich auf höhere Kosten einstellen müssen.
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