Der Baurechtsanwalt Prof. Dr. Andreas Koenen hat die geplanten Änderungen im Baugesetzbuch analysiert – und kommt zu einem differenzierten Fazit: Die Baurechtsreform 2025 hat das Potenzial, mehr zu sein als bloße Symbolpolitik. Doch der von Bundesbauministerin Verena Hubertz angekündigte „Bauturbo“ zündet nur, wenn Kommunen und Behörden den neuen Spielraum auch mutig nutzen.
Bundesbauministerin Verena Hubertz hat Ende Mai den „Bauturbo“ angekündigt: Mit einem Investitionsbudget von rund 110 Milliarden Euro sollen Wohnungsbauprojekte in Deutschland massiv beschleunigt werden. Doch dafür braucht es nicht nur Geld, sondern auch eine Reform des veralteten Baugesetzbuchs (BauGB). Ein Blick auf die geplanten Änderungen zeigt: Es geht um mehr Flexibilität – aber auch um mehr Verantwortung für die Kommunen.
Drei zentrale Paragrafen sollen Planungsprozesse erleichtern
-
§ 31 Abs. 3 BauGB: Erleichtert Ausnahmen in bereits beplanten Gebieten. Kommunen können künftig schneller von bestehenden Bebauungsplänen abweichen – etwa bei Aufstockungen oder dichterer Bebauung. Das langwierige Änderungsverfahren könnte entfallen, wenn die städtebaulichen Ziele gewahrt bleiben.
-
§ 34 Abs. 3a BauGB: Im unbeplanten Innenbereich wird mehr Spielraum geschaffen. Auch Projekte, die sich nicht exakt in das Umfeld einfügen, könnten genehmigt werden – sofern ein städtebauliches Gesamtkonzept und die Zustimmung der Gemeinde vorliegen. Das öffnet die Tür für mehr Nachverdichtung im Bestand.
-
§ 246e BauGB: Eine bis 2030 befristete Experimentierklausel für Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt. Ohne Bebauungsplan, aber mit einem vereinfachten Genehmigungsverfahren sollen größere Wohnbauprojekte ermöglicht werden – z. B. durch Umnutzung innerstädtischer Flächen oder Aufstockung von Gewerbebauten.
Chancen für den Wohnungsbau – aber nur bei kommunalem Mitwirken
Der Essener Baurechtsanwalt Prof. Dr. Andreas Koenen sieht in seiner Analyse sowohl Potenzial als auch Fallstricke. Die neuen Regelungen könnten Verfahren deutlich beschleunigen und Investitionen wirtschaftlicher machen – etwa durch geringere Vorlaufzeiten, sinkende Planungskosten und eine bessere Planbarkeit.
Doch die Umsetzung hängt maßgeblich von den Gemeinden ab:
„Die gesetzlichen Änderungen sind Angebote – keine Verpflichtungen“, so Koenen.
Ohne den politischen Willen vor Ort und eine pragmatische Verwaltungspraxis droht der gewünschte Effekt zu verpuffen.
Koenen warnt: „Kein Paragraf zwingt zur Genehmigung. Die Einzelfallprüfung bleibt – und damit auch das Risiko von Verzögerungen.“
Rechtssicherheit als Schlüssel: Warum juristische Begleitung entscheidend bleibt
Trotz der neuen Spielräume bleiben Unsicherheiten. Ohne fundierte Antragsstellung und rechtliche Absicherung könnten Projekte an fehlerhaften Genehmigungen oder Nachbarschaftsklagen scheitern. Besonders kritisch: Formfehler, übersehene Umweltauflagen oder fehlende kommunale Rückendeckung.
Koenen empfiehlt deshalb frühzeitige rechtliche Begleitung:
„Nur wer die neuen Möglichkeiten auch rechtssicher ausschöpft, profitiert vom Tempo der Reform.“
Reform mit Potenzial
Die geplanten Änderungen sind mehr als bloße Paragrafen-Kosmetik. Sie setzen ein Signal der Entbürokratisierung und schaffen neue Handlungsspielräume. Doch diese müssen kommunalpolitisch gewollt und juristisch sauber genutzt werden. Nur wenn alle Beteiligten – Ministerium, Kommunen, Investoren und Planer – an einem Strang ziehen, kann der „Bauturbo“ tatsächlich Realität werden.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Bau- und Immobilienwirtschaft: Insolvenzen steigen spürbar
Im bisherigen Jahresverlauf bis einschließlich August 2023 stieg die Zahl der Pleiten im Bau- und Immobiliengewerbe bereits um 20 Prozent. Damit finden mehr als ein Fünftel aller Insolvenzen in Deutschland in diesen beiden Branchen statt.
Baukonjunktur kann die deutsche Wirtschaft nicht stabilisieren
Der IWF erwartet für Deutschland in diesem Jahr einen Rückgang um 0,5 Prozent. Anders als in den vergangenen Jahren fällt aber die Bauwirtschaft als Stabilisator aus. Denn die seit 2022 massiv gestiegenen Zinsen und die schon seit Jahren stetig steigenden Kosten würgen die Baukonjunktur ab.
Wohnungsbaugipfel-Beschlüsse: vielversprechend, aber unzureichend
Der vdp befürwortet insbesondere die Aussetzung der weiteren Verschärfung der Klimaschutzvorgaben beim Wohnungsbau und damit das Festhalten am EH 55-Gebäudestandard. Kritisiert aber, dass das Thema Finanzierung hätte stärker berücksichtigt werden müssen.
Nachhaltig und effizient: Zukunftsweisende Techniken im Hausbau
Nachhaltigkeit und Effizienz sind heute zentrale Leitprinzipien des modernen Bauens. Angesichts wachsender globaler Herausforderungen im Bereich des Klimawandels und begrenzter Ressourcen rücken innovative Bautechniken und Baustoffe zunehmend in den Fokus der Bauwirtschaft.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Kaufen oder mieten? Wohnatlas 2025 zeigt große Unterschiede bei der Einkommensbelastung
Die Immobilienpreise sinken, die Mieten steigen: Was bedeutet das für Wohnen in Deutschland? Der neue Postbank Wohnatlas 2025 zeigt, wo Kaufen lohnt – und wo Mieter klar im Vorteil sind.
Immobilienmarkt erholt sich, Zinsniveau bremst nicht
Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang zieht der Immobilienmarkt im ersten Halbjahr 2025 wieder an: Während Destatis im ersten Quartal einen Anstieg von 3,8 Prozent meldet, bestätigt immowelt für das zweite Quartal eine weitere Verteuerung. Doch nicht überall geht es bergauf.
Mietpreisbremse bis 2029 verlängert – politische Debatte über Wirksamkeit und Wohnraumpolitik
Der Bundestag hat die Mietpreisbremse bis 2029 verlängert – doch Kritik an ihrer Wirksamkeit reißt nicht ab. Während SPD und Union das Signal für Mieterschutz betonen, spricht die Linke von einem „schlechten Witz“. Die Debatte rückt die ungelöste Wohnraumkrise und die Notwendigkeit tiefgreifender Reformen ins Zentrum.
Ungeziefer in der Mietwohnung: Wer trägt die Verantwortung – und wann?
Wenn Schädlinge zur Mietfrage werden: Wer zahlt, wenn Kakerlaken, Papierfischchen oder Mäuse die Wohnung befallen? Besonders im Sommer häufen sich die Fälle – und damit auch die rechtlichen Konflikte. Ein Überblick über Rechte, Pflichten und Fallstricke für Mieter und Vermieter.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.