Risikokapitalsumme für Startups nahezu halbiert

Deutlicher Dämpfer für die deutsche Startup-Szene: Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 ging das Gesamtvolumen der Investitionen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um 49 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro zurück.

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Dies liegt vor allem daran, dass weniger große Deals abgeschlossen wurden: Waren es im ersten Halbjahr 2022 noch 15 Abschlüsse im Wert von mehr als 100 Millionen Euro, gab es in den ersten sechs Monaten dieses Jahres lediglich fünf Investitionen in dieser Kategorie.

Halbiert haben sich auch die Abschlüsse in einem Volumen von jeweils mehr als 50 bis 100 Millionen Euro, von zwölf im ersten Halbjahr 2022 auf sechs in den ersten sechs Monaten dieses Jahres. Auch die Anzahl der Deals war in diesem Halbjahr geringer: Nach 549 Abschlüssen im Vorjahreszeitraum gab es in der ersten Jahreshälfte 2023 nur noch 447, ein Rückgang um 19 Prozent.

Immerhin: Der Abwärtstrend, der im November des vergangenen Jahres begonnen hatte, wurde im Frühjahr dieses Jahres gestoppt, und es zeigen sich am Markt Stabilisierungstendenzen – sowohl bei der Anzahl als auch beim Wert der Investitionen. Trotzdem sank die Investitionssumme in 13 der 15 untersuchten Branchen gegenüber der Vorjahresperiode – die Bereiche E-Commerce und Education konnten dagegen ein Plus verbuchen.

Boomende Geschäftsideen

Das meiste Geld floss in den Bereich Software & Analytics (769 Millionen Euro), dahinter folgt der Bereich Energy mit Investitionen in Höhe von 677 Millionen Euro. E-Commerce-Startups erhielten Risikokapital in Höhe von 395 Millionen Euro. Das zeigt das Startup-Barometer der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young). Die Studie basiert auf einer Analyse der Investitionen in deutsche Startups.

Als Startups werden dabei grundsätzlich Unternehmen gewertet, die nicht älter als zehn Jahre sind. Dr. Thomas Prüver, Partner bei EY: „Deals im Gesamtvolumen von mehr als drei Milliarden Euro – das scheint auf den ersten Blick ein solider Wert zu sein. Klar ist aber auch, dass die großen geopolitischen Risiken, der hohe Inflationsdruck, das hohe Zinsniveau und die schwache Konjunkturentwicklung zu einem schwierigen Finanzierungsumfeld im Startup-Ökosystem hierzulande geführt haben."

Die dadurch ausgelösten Effekte stellen Jungunternehmen vor die Aufgabe, ihre Geschäftsmodelle wetterfest zu machen, realistische und belastbare Umsatzprognosen aufzustellen und den Weg zur Profitabilität aufzuzeigen. Das sei der klare Fokus, den Investoren sehen wollen, rät Prüver.

Hotspots der Startup-Szene

Im ersten Halbjahr zeigte sich erneut deutlich, wo der Hotspot der deutschen Startup-Szene liegt: in der
Hauptstadt. Mit 170 Finanzierungsrunden vereinigten Jungunternehmen in Berlin 38 Prozent aller hierzulande gezählten Finanzierungsrunden auf sich. Dahinter folgen Bayern und Nordrhein-Westfalen, die es in Bezug auf die Anzahl an Finanzierungsabschlüssen auf Marktanteile von 18 und 13 Prozent bringen. Während die Zahl der Abschlüsse in Berlin und Bayern zuletzt deutlich zurückging, konnten Jungunternehmen in Nordrhein-Westfalen im ersten Halbjahr 2023 sogar eine Finanzierungsrunde mehr verzeichnen als in der Vorjahresperiode.

47 Prozent der investierten Risikokapitalsumme gingen an Startups an der Spree – insgesamt mehr als 1,4 Milliarden Euro – ein Rückgang um 56 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die übrigen 53 Prozent gingen an Jungunternehmen im Rest der Republik: So konnte Bayern (851 Millionen Euro, minus 27 Prozent) seinen Marktanteil gegenüber dem ersten Halbjahr 2022 von 19 auf 28 Prozent ausbauen. Mit deutlichem Abstand folgen Hamburg (281 Millionen Euro, minus 32 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (169 Millionen Euro, minus 20 Prozent).

Prüver: „Berlin hat als Metropole von Weltrang deutliche Vorteile im hart umkämpften Markt der Fachkräfte – vor allem bei jungen Talenten und bei potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Ausland steht die Hauptstadt hoch im Kurs. Es zeigt sich aber auch, dass Jungunternehmen in anderen deutschen Großstädten und Regionen punkten konnten, denn die Rückgänge bei Deals und Finanzierungen sind hier geringer als in der Hauptstadt“, so der EY-Partner. Er konkretisiert: „Dass einer der beiden Top-Deals in Höhe von 215 Millionen Euro bei einem Hamburger Startup investiert wurde, zeugt von diesem Trend. Es wird spannend zu beobachten sein, ob sich diese Entwicklung fortsetzt. Die Stärke der deutschen Startup-Szene besteht nicht zuletzt darin, dass es mehrere Hotspots gibt, die unterschiedliche Qualitäten und Schwerpunkte aufweisen.“

Jeder dritte Euro geht an Startups mit Nachhaltigkeitsbezug

Im ersten Halbjahr 2023 betraf jede fünfte Finanzierungsrunde ein Startup mit Sustainability-Bezug – noch nie war dieser Anteil so hoch. In beiden Halbjahren 2022 hatte der Anteil noch jeweils 17 Prozent betragen. Insgesamt wurden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 910 Millionen Euro in deutsche Startups mit Nachhaltigkeits-Fokus investiert, was einem Anteil am Gesamtfinanzierungsvolumen von 30 Prozent entspricht – auch dies ist ein Rekordwert.

Prüver: „Startups üben Druck auf die etablierten Geschäftsmodelle und Marktteilnehmer aus. Dank ihrer kompakten Struktur, die die Entscheidungsfindung erleichtert und Umsetzungsfähigkeit beschleunigt, haben sie Vorteile, die sie nun beispielsweise in Zukunftsbereichen wie Klimaschutz und Nachhaltigkeit voll ausspielen können. Dass der Investitionsanteil in Jungunternehmen mit Sustainability-Fokus aktuell – trotz wirtschaftlich stürmischer Zeiten – so hoch wie noch nie ist, ist ein starkes Signal.“

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