DIW-Rentenexpert*innen haben die Abschaffung der sogenannten Altersrente für Frauen im Jahr 1999 untersucht. Es zeigt sich, dass ein höheres Renteneintrittsalter vor allem die psychische und teilweise auch die physische Gesundheit betroffener Frauen verschlechtert hat. Daher sollten künftige Reformen von präventiven Maßnahmen und Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente begleitet werden.
Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters ist regelmäßig Gegenstand politischer Diskussionen. Meist stehen dabei die finanzielle Stabilität des Rentensystems und der Fachkräftemangel im Vordergrund. Die gesundheitlichen Folgen bleiben häufig im Dunkeln. Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) weist nun anhand einer Rentenreform aus dem Jahr 1999 nach, dass sich der gesundheitliche Zustand verschlechtert, wenn die Betroffenen erst später in den Ruhestand gehen können. Das gilt vor allem mit Blick auf psychische Krankheiten wie Stimmungsstörungen, aber auch mit Blick auf körperliche Erkrankungen, beispielsweise Übergewicht und Arthrose.
Konkret haben die DIW-Rentenexpert*innen Mara Barschkett, Johannes Geyer und Peter Haan die Abschaffung der sogenannten Altersrente für Frauen untersucht. Bis 2011 konnten Frauen unter bestimmten Voraussetzungen bereits mit 60 Jahren und Abschlägen in Rente gehen.
Frauen der Geburtsjahrgänge ab 1952 hatten diese Option nicht mehr; sie konnten sich in der Regel frühestens mit 63 Jahren verrenten lassen. Auf Basis von Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) haben die Studienautor*innen den Geburtsjahrgang 1951 – also den letzten, der von der alten Regelung profitieren konnte – und den Jahrgang 1952 unter die Lupe genommen und deren Gesundheit verglichen.
Die Berechnungen ergeben, dass stressbedingte Krankheiten bei 60 bis 62 Jahre alten Frauen des Jahrgangs 1952 im Vergleich zum durchschnittlichen Vorkommen im Jahrgang 1951 um 0,8 Prozentpunkte auf rund 23 Prozent gestiegen sind. Die Häufigkeit von Stimmungsstörungen hat im Zuge der Rentenreform sogar um 0,9 Prozentpunkte auf etwa 19,5 Prozent zugenommen.
Bei 59-jährigen Frauen waren die Anstiege noch größer, was mit Antizipationseffekten zu erklären ist. In allen Fällen waren die gemessenen Effekte im statistischen Sinne signifikant. Barschkett resümiert:
Arbeit ist offenbar insbesondere in höherem Alter mit Stress verbunden und überfordert einen Teil der Beschäftigten.
Auch im Alter von 63 bis 65 Jahren zeigten sich bei den Rentnerinnen noch negative Gesundheitseffekte, wenngleich weniger stark.
Weiterbildung wichtig, um Berufswechsel zum Ende des Erwerbslebens zu ermöglichen
Bei körperlichen Erkrankungen fällt das Bild weniger eindeutig aus und hängt von der speziellen Diagnose ab. Es lässt sich jedoch feststellen, dass sich der Gesundheitszustand durch eine Erhöhung des Renteneintrittsalters nicht verbessert.
Für Adipositas (Übergewicht) ergab sich eine deutliche Zunahme von bis zu rund einem Prozentpunkt auf etwa 14,5 Prozent. Grund dafür könnte neben mangelnder Zeit für Sport und gesunde Ernährung auch die festgestellte Zunahme der psychischen Belastungen sein. Auch Arthrose und Rückenbeschwerden traten deutlich häufiger auf, wohingegen die Effekte beispielsweise auf Bluthochdruck und Diabetes nicht statistisch signifikant waren.
Um die gesundheitlichen Folgen eines höheren Renteneintrittsalters abzumildern, sprechen sich die Studienautor*innen unter anderem für präventive Gesundheits- und Bildungsinvestitionen aus: Wenn die Arbeit die Gesundheit erst in Mitleidenschaft gezogen habe, sei es meist zu spät – zielgerichtete Gesundheitsvorsorge müsse bereits in jungen Berufsjahren ansetzen, um die Beschäftigten dauerhaft zu stärken, empfiehlt Haan. Dabei gehe es auch darum, Berufswechsel zum Ende des Erwerbslebens zu erleichtern, um der körperlichen Verfassung entsprechende Tätigkeiten ausüben zu können.
Weiterbildung sei in diesem Zusammenhang ein wichtiges Stichwort. Allerdings sei auch die Bereitstellung altersgerechter Arbeitsplätze wichtig, so Haan. Da es jedoch immer Menschen geben werde, die in höherem Alter nicht mehr arbeiten können, seien darüber hinausgehende Lösungen gefragt, ergänzt Rentenexperte Geyer. Er rät: Eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters sollte daher mit Reformen und Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente einhergehen.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Gemeinsam für starken Antrieb sorgen.
Angesichts des Fachkräftemangels müssen sich Unternehmen mehr denn je Gedanken über ihre Mitarbeiterattraktivität machen. Die „Betriebliche Fürsorge“ der ALH kombiniert bAV und bKV und bietet Arbeitgebern so ein Versorgungswerk, mit dem sie sich entscheidende Wettbewerbsvorteile sichern können.
Corona-Pandemie drängte Frauen stärker aus der Erwerbstätigkeit
Mehrheit der Deutschen will früher in Rente
Rente bis 70: Und die Vorsorge?
Angesichts des demografischen Wandels mit einer Überalterung der Bevölkerung und des Fachkräftemangels werden die Rufe lauter, die Regelaltersgrenze schrittweise auf 68, 69 oder gar 70 Jahre zu erhöhen. Doch was bedeutet dies für die private Vorsorge?
Babyboomer gehen in Rente: Dem Arbeitsmarkt fehlen 12,9 Mio. Erwerbspersonen
Mit dem Ausscheiden der Babyboomer gehen dem Arbeitsmarkt 30 Prozent der zur Verfügung stehenden Erwerbspersonen verloren. Das Problem: Jüngere Altersgruppen werden die Lücke zahlenmäßig nicht ersetzen können.
Rentenreform: Pläne ohne wirkliche Lösung
Versicherungsbranche erwartet 2025 stabiles Wachstum – GDV fordert Reformen
Die Versicherungswirtschaft prognostiziert für 2025 ein branchenweites Beitragswachstum von fünf Prozent. Besonders die Schaden- und Unfallversicherung sowie die PKV legen zu. Gleichzeitig fordert der GDV Reformen in der Altersvorsorge, Cybersicherheit und dem Steuerrecht.
Kennzeichenwechsel für Mofas, Mopeds und E-Scooter: Ab März gilt nur noch Grün
Zum 1. März müssen Mofas, Mopeds und E-Scooter auf ein grünes Versicherungskennzeichen umgestellt werden. Wer weiterhin mit dem blauen Kennzeichen unterwegs ist, fährt nicht nur ohne Versicherungsschutz, sondern macht sich auch strafbar. Die aktuellen Zahlen des GDV zeigen zudem: Schäden und Diebstähle haben 2023 deutlich zugenommen.
Lebensversicherung: Überschussbeteiligung 2025 steigt weiter – doch nicht in der Breite
Die Überschussbeteiligungen deutscher Lebensversicherer steigen weiter, wenn auch weniger stark als im Vorjahr. Eine Analyse von MORGEN & MORGEN zeigt, dass fast alle Versicherer mindestens zwei Prozent bieten, während jeder fünfte Anbieter drei Prozent oder mehr gewährt. Thorsten Saal, Bereichsleiter Mathematik & Rating, bewertet die Entwicklung als kundenfreundlich, betont aber auch die individuelle Strategie der Versicherer.
Lebensversicherung führt Beschwerde-Statistik an
Der Versicherungsombudsmann e. V. hat seinen Tätigkeitsbericht zur Streitbeilegung vorgelegt. Insgesamt 21.548 Beschwerden wurden im Jahr 2024 bearbeitet. Dabei fällt auf: Beschwerden über Versicherungsvermittler sind mit 334 Fällen gering und zeigen kaum Veränderungen zu den Vorjahren.
Maul- und Klauenseuche in Deutschland: Was Versicherungen wirklich abdecken
Maul- und Klauenseuche nach Jahrzehnten erneut in Deutschland: Der Ausbruch in Brandenburg zeigt, wie schnell Tierseuchen enorme wirtschaftliche Risiken für Landwirte mit sich bringen. Versicherungen helfen bei direkten Schäden, lassen Landwirte bei Einkommensverlusten durch Exportverbote jedoch oft allein.
Versicherer fordern Rechtsrahmen für automatisierte Binnenschifffahrt
Automatisierte Binnenschiffe könnten schon heute einsatzbereit sein – doch es fehlt an klaren gesetzlichen Vorgaben. Der GDV fordert die Bundesregierung und internationale Flusskommissionen auf, Standards zu schaffen, um die Technologie voranzutreiben.