Die deutschen Versicherer haben Anfang April ihre aktuellen SFCR-Berichte vorgelegt. Die privaten Krankenversicherer hinterließen einen soliden Eindruck und auch die Eigenkapitalausstattung der Lebensversicherer hat sich verbessert. Nur noch neun statt bisher 17 Anbieter erreichten ohne Übergangsmaßnahmen eine Bedeckungsquote von 100 Prozent nicht.
Erneut wurden die Lebensversicherer und privaten Krankenversicherer einer Analyse der Solvabilitätsquoten nach dem Solvency-II-Regime unterzogen. In der Neuauflage der Untersuchung wird die Entwicklung der Eigenmittelquoten über die vergangenen zehn Jahre grafisch dargestellt. Für Versicherungs-Gesellschaften bietet der Vergleich eine marktumfassende Übersicht darüber, wie das eigene Unternehmen im Verhältnis zu den Mitbewerbern bedeckt ist. Ebenso für Vermittler, die entscheiden, welche Anbieter für ihre Kund*innen optimal sind.
Bei den Quoten differenzieren
Quote ist nicht gleich Quote. Denn anstelle einer Standardformel dürfen Versicherer auch ein internes, gesellschaftsindividuelles Modell zur Berechnung der SCR-Quote anwenden. Zudem sind Übergangsmaßnahmen sowie Erleichterungen bei den Rückstellungen zulässig. Im Ergebnis können die aufsichtsrechtlich relevanten Solvency-II-Quoten einschließlich aller Übergangsmaßnahmen nicht direkt verglichen werden, denn je nachdem, wie die Quote ermittelt wurde, kann das Ergebnis um mehrere hundert Prozentpunkte abweichen.
Der map-report 924 trägt den verschiedenen Berechnungsformeln Rechnung. Die Solvabilitätsquote wird sowohl mit Volatilitätsanpassung (VA) und Übergangsmaßnahmen (ÜM) als auch ohne jegliche Hilfsmaßnahmen abgebildet. In den Grafiken werden immer nur jene Gesellschaften berücksichtigt, bei denen die jeweiligen Übergangshilfen auch angewendet wurden. Auf diese Weise wird deutlich, wie groß der Einfluss einer Maßnahme auf die Bedeckungsquote ist.
Solvenzquoten der Lebensversicherer
Die aufsichtsrechtlich relevante SCR-Quote der LV-Branche (anrechenbare Eigenmittel der Branche im Verhältnis zum SCR der Branche inklusive Übergangsmaßnahmen) beläuft sich auf 518,5 Prozent. Im Vergleich zum Jahresende 2020 (381,2 Prozent) ist die Kennzahl damit um rund 137 Prozentpunkte gestiegen. Nicht ganz unbeteiligt dürfte das gegenüber dem Jahr 2020 gestiegene Zinsniveau gewesen sein, das zu einer Reduzierung der Solvenzkapitalanforderungen geführt hat. In diesem Durchschnittswert nicht enthalten sind Lebensversicherer, die auf Übergangsmaßnahmen verzichten.
Die Spannweite zwischen den einzelnen Anbietern ist dabei noch immer sehr breit. Den höchsten Wert verzeichnete die SV mit einer Quote von 1.125,5 Prozent. Und auch die Provinzial Rheinland (1.014,4 Prozent), LVM (1.005,1 Prozent) sowie R+V (1.002,2 Prozent) notierten über dem Zehnfachen der geforderten Bedeckung. Größen von über 1.000 Prozent gab es im Vorjahr nicht. Die niedrigsten Quoten unter Berücksichtigung sämtlicher Übergangsmaßnahmen veröffentlichten die Bayerische (244,2 Prozent), Athora (279,2 Prozent) und HanseMerkur (283,4 Prozent). Im vergangenen Jahr lagen die geringsten Bedeckungsquoten noch deutlich unter 200 Prozent.
Wie in den Vorjahren haben die Übergangshilfen den Solvenzquoten der Lebensversicherer deutlichen Auftrieb gegeben, maßgeblich beeinflusst durch die Wirkung der Übergangsmaßnahme bei den versicherungstechnischen Rückstellungen. Vielfach beträgt der Unterschied zwischen der Basisquote (ohne VA und/oder ÜM) und dem aufsichtsrechtlichen Nachweis mehr als 200 Prozentpunkte, nicht selten sogar weit über 300 bis hin zu knapp 800 Prozentpunkten.
Marktweit stiegen die Quoten nach Abzug der VA und ÜM ebenfalls deutlich. In der Berechnung ohne Maßnahmen sprang die Solvenzquote des Marktes von 203,9 Prozent im Vorjahr um rund 62 Prozentpunkte auf 264,6 Prozent. Auch bei dieser Kennzahl zeigte sich eine enorme Streuung der Ergebnisse. Die höchste Quote hatte die EUROPA mit 785,7 Prozent (2020: 807,6 Prozent), gefolgt von der Dialog mit 698,9 Prozent (Vorjahr 811,6 Prozent). Die geringsten Werte verzeichneten die Frankfurt Münchener mit 8,9 Prozent und Landeslebenshilfe mit 19,6 Prozent. Negative Werte wie noch im Jahr 2019 gab es erneut nicht.
Neun Lebensversicherer erreichten zum 31.12.2021 die Bedeckungsquote von 100 Prozent nicht. Zum Jahresultimo 2020 waren es noch 17 Gesellschaften, deren Bedeckung unter 100 Prozent lag. Bei der erstmaligen Berichterstattung nach Solvency II zum Jahresende 2016 waren es noch 21 Gesellschaften, denen es nicht gelang eine SCR-Bedeckung von 100 Prozent zu erzielen. Aber genau für diese Situation wurden die Hilfsmaßnahmen erarbeitet, um den Gesellschaften den Übergang vom alten ins neue Aufsichtsregime zu erleichtern.
PKV mit anderen Voraussetzungen
Die privaten Krankenversicherer zeigten sich bei ähnlich breiter Streuung der Ergebnisse wie in der Lebensversicherung durchweg solvent. Die Ergebnisse schwanken zwischen 954,7 Prozent (UKV) und 191,0 Prozent (ERGO). Die PKV ist dank anderer Spielregeln als in der Lebensversicherung gut gerüstet. Hier können die Beiträge angepasst werden. Dadurch wird ein Großteil des Risikos von den Kund*innen geschultert.
Insgesamt hat der Markt die SCR-Bedeckung ohne VA und ÜM von 477,2 Prozent in 2020 auf 500,3 Prozent in 2021 erhöht. Dabei variieren die Ergebnisse der einzelnen Unternehmen recht deutlich. Von Veränderungsraten wie in der Lebensversicherung ist die PKV aber weit entfernt. Ein sehr hoher Wert kann in der Krankenversicherung auch bedeuten, dass es für einen Anbieter gilt, eine schlechte Risikosituation innerhalb und zwischen den Tarifwerken zu kompensieren.
Einnahmen bisher Krisenfest
Neben den Bedeckungsquoten enthält die Auswertung auch Übersichten zu den verdienten Beitragseinnahmen gemäß der SFCR-Berichte. In der Lebensversicherung beliefen sich die verdienten Bruttobeiträge gemäß SFCR-Berichten im Jahr 2021 auf 98,31 Mrd. Euro (Vorjahr 98,65 Mrd. Euro). Das entspricht einem Minus von 0,3 Prozent. 24 Gesellschaften gelang es nicht die Beitragseinnahmen zu steigern, zehn Anbieter lagen mit bis zu 2 Prozent knapp über dem Vorjahresniveau und 40 Versicherer bauten die Beitragseinnahmen zwischen plus drei und über 90 Prozent aus.
In absoluten Zahlen baute die R+V die Beitragseinnahmen um 1,08 Mrd. Euro am stärksten aus. Mit deutlichem Abstand folgen auf den weiteren Plätzen die HanseMerkur (613,9 Mio. Euro), Generali (424,1 Mio. Euro), SV Sachsen (235,0 Mio. Euro) und die SV mit 199,8 Mio. Euro. Den größten absoluten Rückgang musste Branchengigant Allianz mit einem Minus von 4,42 Mrd. Euro (-16,0 Prozent) verbuchen.
Die privaten Krankenversicherer haben im Jahr 2021 ihre verdienten Bruttobeiträge um 5,5 Prozent auf 45,2 Mrd. Euro gesteigert. Auch in der Gesundheitsvorsorge haben die einzelnen Marktteilnehmer an dem Zuwachs einen sehr unterschiedlichen Anteil. Auf die Beitragsentwicklung der PKV-Anbieter wirken mehrere Einflussfaktoren. Neben Kündigungen, Neuabschlüssen und Tarifwechseln innerhalb der privaten Krankenversicherung, wirken sich auch Übertritte zur und von der gesetzlichen Krankenversicherung, Geburten, Todesfälle und natürlich die oft im Kreuzfeuer der Kritik stehenden Prämienanpassungen auf die Entwicklung der Beitragseinnahmen aus.
Welche Anteile diese Variablen an den Prämien der einzelnen Versicherer haben, lässt sich den SFCR-Berichten nicht entnehmen. Marktneuling Ottonova wuchs ausgehend von einem niedrigen Niveau mit 61,4 Prozent relativ am stärksten. Aber auch das PKV-Flaggschiff Debeka konnte mit 14,1 Prozent deutlich über Marktdurchschnitt wachsen. Auch für einige Anbieter unter dem Top-Dutzend mit über einer Milliarde Euro Beitragseinnahmen stiegen die Einnahmen deutlich, wie beispielsweise Barmenia (12,2 Prozent), HanseMerkur (5,8 Prozent), Bayerische Beamtenkranken (5,7 Prozent), und HUK-Coburg (5,3 Prozent).
Immer neue Herausforderungen
Nachdem sowohl die Lebens- als auch die Krankenversicherer gut durch das zweite Pandemie-Jahr kamen, ließe sich aufgrund der Krisenstabilität der Anbieter auch für die nächsten Jahre mit positiven Aussichten rechnen. Aber die Pandemie ist noch nicht überwunden und der weitere Verlauf nicht absehbar. Gleiches gilt auch für den Krieg in der Ukraine. Unabhängig von etwaigen finanziellen Verbindungen zu den Kriegsparteien, sind die Auswirkungen des Angriffs sowie eine Eskalation geopolitischer Konflikte unvorhersehbar und haben das Potenzial, die internationalen Finanzmärkte und Volkswirtschaften erheblich zu beeinträchtigen. Wie eine weitere Eskalation das Wirtschaftswachstum zusätzlich ausbremst und Handelsbeziehungen stört, ist nach Auffassung von Michael Franke, geschäftsführender Gesellschafter von Franke und Bornberg und Herausgeber des map-report, ebenso ungewiss. Bisher habe der Krieg die Preise von Gas, Öl und weiteren Rohstoffen deutlich in die Höhe getrieben, Lieferengpässe verschärft und die Inflation forciert. Franke prognostiziert:
Für die Versicherer dürften die Schadenaufwendungen und Kosten deutlich steigen, während durch den Kaufkraftverlust der Verbraucher gleichzeitig das Neugeschäft einzubrechen droht.
Neben den ohnehin bestehenden demografischen, regulatorischen und zinstechnischen Herausforderungen dürfte das zu verteilende Geschäft eher gebremst denn gefördert werden, meint Reinhard Klages, Chefredakteur des map-report. Aber es sei beruhigend, dass die Versicherer finanziell gut ausgestattet und für Herausforderungen jeglicher Art gerüstet sind, zeigt sich Klages optimistisch.
Ab sofort lieferbar
Der map-report 924 – „Solvabilität im Vergleich 2012 bis 2021“ ist ab sofort im PDF-Format lieferbar. Interessenten wenden sich an service@fb-research.de oder bestellen direkt über die Website von Franke und Bornberg. Eine kostenlose Basisinformation zum map-report gibt es hier.
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