Weiteres Urteil zur Leistungspflicht für Versicherer bei Betriebsschließung

Der in versicherungsrechtlichen Fragen hochangesehene 12. Senat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat mit am 30.6.2021 verkündetem Urteil (Geschäftszeichen 12 U 4/21) entschieden, dass Versicherungsschutz in einer Betriebsschließungsversicherung auch dann besteht, wenn die Schließung durch einen „Lock-down“ aufgrund der Corona Pandemie erfolgt ist. 

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Geschaeft-geschlossen-330487671-AS-Christian-SchwierGeschaeft-geschlossen-330487671-AS-Christian-Schwier(1) Christian Schwier – stock.adobe.com (2) Wirth Rechtsanwälte

Mit der Corona-Krise gerieten insbesondere unzählige Hotels und Restaurant aber auch Kitabetreiber, Handwerker, Ladenbetreiber und viele andere Gewerbebetriebe in existentielle finanzielle Not. Viele hatten für diesen Fall mit einer Betriebsschließungsversicherung vorgesorgt.

Diverse Versicherer lehnten die Übernahme der Versicherungsleistung ab, unterbreiteten Zahlungsangebote, die in vielen Fällen inakzeptabel waren und sprachen die Kündigung der Versicherungspolice aus. Wirth-Rechtsanwälte bearbeitet eine Vielzahl dieser Fälle. Ein äußerst relevantes Urteil erging nun zugunsten der Betroffenen.

Das Oberlandesgericht hatte über die Schließung eines Hotels mit angeschlossener Gaststätte zu entscheiden. Die dem Oberlandesgericht Karlsruhe vorgelegenen Versicherungsbedingungen enthielten Regelungen, die nahezu identischen in vielen Betriebsschließungsversicherungen vereinbart wurden.

Dabei wurde in den Versicherungsbedingungen mehrfach auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) Bezug genommen und bestimmt, dass eine Entschädigung für eine Betriebsschließung „beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger (siehe Nr. 2)“ geleistet wird.

Tobias Strübing, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht, Partner, Wirth-Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB

Die „Nr. 2“ enthielt dann einen Katalog auf die „folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger“, wobei Sars-COV-2 beziehungsweise Covid-19 dort nicht aufgeführt waren.

Hierzu führte das Oberlandesgericht nun aus, dass die Begrenzung auf diesen Katalog nicht hinreichend klar und verständlich erfolgte und daher unwirksam sei.

Es stellte insbesondere darauf ab, dass durch die mehrfache Nennung des Infektionsschutzgesetzes dem Versicherungsnehmer der Eindruck vermittelt wird, dass jede Betriebsschließung aufgrund des Infektionsschutzgesetzes vom Versicherungsschutz umfasst sei.

Dass demgegenüber in der oben erwähnten Nr. 2 eine Beschränkung des Versicherungsschutzes enthalten ist, wird dem Versicherungsnehmer nicht deutlich vor Augen geführt.

Darüber hinaus stellt das Oberlandesgericht Karlsruhe klar, dass auch die vielfach verwendeten Allgemeinverfügungen den Versicherungsfall auslösen und es unschädlich sei, dass SARS-Cov-2 und Covid-19 erst im Mai 2020 im Infektionsschutzgesetz als meldepflichtige Krankheit geregelt wurden.

Zuvor wurden sie lediglich im Rahmen einer Verordnung als meldepflichtige Krankheit beziehungsweise meldepflichtigen Krankheitserreger geregelt.

Nachdem jüngst mehrere Oberlandesgerichte in vergleichbaren Fällen zu erkennen gegeben haben, dass kein Versicherungsschutz bestehen soll, ist dieses Urteil umso mehr zu begrüßen. Es zeigt, dass die rechtliche Entwicklung weiterhin sehr dynamisch ist,

so Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing, Partner der Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte. Letztlich werde abschließend darüber der Bundesgerichtshof entscheiden. Wirth Rechtsanwälte seien optimistisch, dass auch der BGH die so auch von Beginn an durch uns vertretene Rechtsauffassung bestätigen werde.

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