In zwei Urteilen aus dem Dezember 2020 (Az.: IV ZR 314/18; IV ZR 294/19) beschäftigte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage, ob und wie sich Versicherungsnehmer in der privaten Krankenversicherung gegen Beitragsanpassungen mit dem Argument der mangelhaften Belehrung wehren können.
In einem neueren Urteil vom 14.04.2021 (Az.: IV ZR 36/20) griff der Bundesgerichtshof diese Argumentation erneut auf.
Der für das Versicherungsvertragsrecht zuständige 4. Zivilsenat hatte bereits zuvor in einem anderen Verfahren entschieden, dass ein Zivilgericht eine Prämienerhöhung nicht deshalb für unwirksam erklären kann, weil der Treuhänder aus Sicht des Gerichts nicht unabhängig gemäß § 203 VVG gewesen sei.
Begründet wurde dies damit, dass eine gesonderte Überprüfung der Unabhängigkeit des Treuhänders dann nicht mehr durch die Gerichte stattfinden soll, wenn es um einen Rechtsstreit eines Versicherungsnehmers über eine Versicherungsprämienanpassung geht.
Es sei ausreichend, dass der zustimmende Treuhänder nach den Vorschriften des VAG ordnungsgemäß bestellt worden sei.
Nun hatte sich der Bundesgerichtshof aber noch mit der Begründung der Beitragsanpassung an sich zu befassen. Die gesetzliche Regelung des § 203 Abs. 5 VVG fordert unter anderem, dass dem Versicherungsnehmer für die vorgenommenen Vertragsänderungen die maßgeblichen Gründe mitgeteilt werden.
Hintergrund dieses Erfordernisses ist es, dass der Versicherungsnehmer die Vertragsänderung verstehen soll.
Was ist gemeint, wenn die „maßgeblichen Gründe“ mitgeteilt werden müssen?
In den zwei Urteilen aus dem Dezember 2020 entschied der BGH nun: Für eine wirksame Prämienerhöhung muss die Begründung die Angabe der Rechnungsgrundlage
enthalten, die die Veränderung der Prämien veranlasst hat.
Gemeint sind mit dieser Rechnungsgrundlage etwa die Versicherungsleistung (§ 155 Abs. 3 VAG) oder die Sterbewahrscheinlichkeit. Beide Faktoren unterliegen einer jährlichen Überprüfung. Bei einer Veränderung der Faktoren löst dies eine Verpflichtung zur Neukalkulation aus.
Was muss die Begründung der Prämienanpassung enthalten?
Es muss angegeben sein, bei welcher der Rechnungsgrundlagen (Versicherungsleistung oder Sterbewahrscheinlichkeit oder beide) eine nicht nur vorübergehende Veränderung eingetreten ist, die den festgelegten Schwellenwert überschritten hat.
Nicht ausreichend ist damit eine allgemeine Mitteilung des Versicherers, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Prämienanpassung wiedergibt. Im neueren Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14.04.2021 hatte sich dieser mit folgenden Erläuterungen in einer Anlage zu Informationen zur Beitragsanpassung zu befassen.
Hierin hieß es im dort zu entscheidenden Fall auszugsweise:
Was sind die Gründe für die Beitragsanpassung?
Mit Ihrer privaten Kranken-/Pflegeversicherung sichern Sie sich lebenslang eine optimale Versorgung. In der privaten Krankenversicherung (PKV) stehen Ihnen alle Möglichkeiten der modernen Medizin offen – und das ein Leben lang! Denn die einmal vertraglich vereinbarten Leistungen sind lebenslang garantiert. Ihr privater Krankenversicherungsschutz berücksichtigt darüber hinaus den medizinischen Fortschritt bei Diagnostik, Therapiemethoden und Medikamenten. Mit dem medizinischen Fortschritt wächst also der Umfang Ihres Versicherungsschutzes.
Damit wir unser Leistungsversprechen dauerhaft einhalten können, müssen wir wie alle privaten Krankenversicherer einmal jährlich alle Beiträge überprüfen.
Dies erfolgt in der Kranken-, Krankentagegeld- und Pflegeergänzungsversicherung für jeden einzelnen Tarif, getrennt nach Alter und Geschlecht.
Bei der Überprüfung vergleichen wir die kalkulierten Leistungsausgaben mit den zukünftig erforderlichen. Weichen die Zahlen um den in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegten Prozentsatz nach oben oder unten voneinander ab, müssen die Beiträge angepasst werden.
Hierzu sind wir gesetzlich verpflichtet. Neben den Leistungsausgaben beeinflussen weitere Faktoren den Beitrag: Steigende Lebenserwartung … Kapitalmarktsituation … Entwicklung des Versichertenbestandes …
Diese Formulierung reicht dem Bundesgerichtshof nicht. Er fordert vielmehr, dass der Versicherungsnehmer der Mitteilung des Versicherers mit gebotener Klarheit entnehmen kann, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage die konkrete Beitragserhöhung auslöste.
Die obig genannte Formulierung würde jedoch lediglich darstellen, dass eine jährliche Durchführung der Prämienüberprüfung stattfand. Dem Versicherungsnehmer würde hierdurch aber nicht das konkrete Ergebnis der Überprüfung mitgeteilt.
Was muss nach Ansicht des BGH nicht angegeben werden?
Die Begründung muss keine Angabe darüber enthalten, welche sonstigen Faktoren die Prämienhöhe beeinflusst haben. Darüber hinaus muss der Versicherer auch nicht mitteilen, in welcher Höhe sich der prämienanpassungsauslösende Faktor verändert hat.
Auch eine Änderung des Rechnungszinses muss nicht angegeben werden, auch wenn diese ganz erheblichen Einfluss auf die neue Prämie haben sollte.
Die Begründung hierfür ist, dass aus der Gesetzbegründung geschlossen wird, dass der Gesetzgeber im Rahmen der VVG-Reform keine grundsätzliche Neuregelung für das Wirksamwerden einer Prämienanpassung beabsichtigt hat.
Der Gesetzgeber wollte vielmehr die Mitteilungspflicht nur geringfügig erweitern. Zweck der Begründung soll lediglich sein, dass dem Versicherungsnehmer deutlich gemacht wird, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des VR der Grund für die Prämienerhöhung war, sondern eine bestimmte Veränderung der Umstände die Erhöhung herbeiführte.
Obwohl Beitragsanpassungen für den Versicherungsnehmer schon undurchsichtig sind, lässt der BGH den Versicherern weiterhin erheblichen Spielraum.
Insbesondere, dass der VR keine Plausibilitätskontrolle seiner Berechnungen ermöglichen muss, macht eine Kontrolle durch den Verbraucher wohl selten möglich.
Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der BGH erneut klarstellte, dass der Versicherer fehlende Angaben für die Begründung der Beitragsanpassung nachholen kann. Eine Beitragsanpassung ist dann also nicht unwirksam, wenn die Begründung nachgeholt wurde.
Aber Achtung!
Die Nachholung der Begründung ist relevant für die Frist des § 203 Abs. 5 VVG, also für die Frage, ab wann die Neufestsetzung der Prämie wirksam ist. Eine rückwirkende Heilung gibt es durch die Nachholung der korrekten Begründung nicht.
Was ist die Konsequenz für die Praxis?
Dem Versicherungsnehmer, der infolge einer auf eine mangelhafte Begründung gestützten Prämienanpassung Erhöhungsbeiträge entrichtete, steht ein Rückgewähranspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu. Auch dies bestätigte der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 14.04.2021 erneut.
Auf den Rückgewähranspruch ist auch nicht der genossene Versicherungsschutz anzurechnen, sofern sich bei dem wirksamen Versicherungsvertrag als Rechtsgrund der erbrachten Leistungen nur die Prämienerhöhung als unwirksam erweist, vgl. Senatsurteil, Az.: IV ZR 294/19.
Sollten auch Sie von einer unwirksamen Beitragserhöhung betroffen sein, stellt Ihnen die Kanzlei Michaelis auf ihrer Internetseite ein Musterschreiben zur Verfügung. Mit diesem können die Versicherer angeschrieben und aufgefordert werden, die zu viel gezahlten Erhöhungsbeiträge zurückzuzahlen.