Der Bundesgerichtshof hatte sich im Rahmen seines Urteils vom 4. Oktober 2018 (Az.: III ZR 213/17) mit der Frage der Kausalität von Aufklärungspflichtverletzungen bei einer spekulativen Anlage zu befassen.
Anlagementalität „hohe Risikobereitschaft“
Die Anlegerin erwarb nach der Beratung durch einen Anlageberater eine geschlossene Beteiligung. Im Rahmen der Anlageberatung wurde sie durch den Anlageberater auch nach ihrer Risikobereitschaft befragt. Dabei gab sie unter anderem eine „hohe Risikobereitschaft“ an.
Nach erfolgter Zeichnung der geschlossenen Beteiligung begehrt die Anlegerin gleichwohl vom Anlageberater Schadensersatz mit der Begründung, sie sei nicht hinreichend über die Risiken der von ihr geschlossenen Beteiligung aufgeklärt worden. Hierbei rügt Sie insbesondere eine mangelnde Aufklärung seitens des Anlageberaters über das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung. Der Anlageberater wendet unter anderem ein, dass die Anlegerin auch in Kenntnis des Risikos des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung die geschlossene Beteiligung gezeichnet hätte. Es fehlte nach seiner Ansicht also an der sogenannten „Kausalität“ der behaupteten Pflichtverletzung für den Eintritt des Schadens.
BGH sieht Ansatzpunkte für fehlende Kausalität
Die Parteien des Rechtstreites stritten auch über die Frage, ob eine Aufklärung über das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung tatsächlich unterblieben war. Da hierzu weitere Tatsachen festzustellen waren, verwies der BGH den Fall an die unteren Instanzen zurück. Er äußerte sich allerdings vorsorglich bereits zur Frage der fehlenden Kausalität.
Grundsätzlich ist dabei anzumerken, dass die Frage der Kausalität oftmals in einem Rechtstreit von untergeordneter Rolle ist. Für den Kunden streitet regelmäßig die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Danach wird vermutet, dass der Kunde den Empfehlungen seines Beraters gefolgt wäre und in Kenntnis der Risiken von einer Anlageentscheidung Abstand genommen hätte. Allerdings hat der Berater die Möglichkeit diese Vermutung des Gerichts zu widerlegen, was oftmals mangels Anhaltspunkte nicht gelingt.
In dem Fall des BGH sah das Gericht nunmehr jedoch solche Anhaltspunkte als möglich an. Aufgrund der Anlagementalität der Anlegerin, welche von einer „hohen Risikobereitschaft“ ausging, könnte davon auszugehen sein, dass sie auch bei einer Aufklärung über das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung – unterstellt diese wäre unterblieben – die geschlossene Beteiligung erworben hätte. Ob im Rahmen der Beratung dann tatsächlich auf das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung hingewiesen worden ist oder nicht, käme es dann nicht mehr an.
Fazit
Anleger rügen in Schadensersatzprozessen gegenüber Anlageberatern oftmals eine Vielzahl von angeblich verletzten Aufklärungspflichten. Hierbei werden oft mehrere Risiken der Anlage aufgeführt, über die sie angeblich nicht informiert gewesen wären und bei denen sie in Kenntnis der Risiken die Anlage nicht gezeichnet hätte.
Vor dem Hintergrund, dass oftmals klare Motive zugunsten der Anlage sprechen, erschien dies bereits in der Vergangenheit zweifelhaft. Die Rechtsprechung zur Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens bot jedoch kaum Aussichten für eine aussichtsreiche Verteidigung des Anlageberaters mit dem Argument einer mangelnden Kausalität. Das aktuelle Urteil des BGH gibt indes Hoffnung, dass sich dies zukünftig ändern könnte.
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