Das OLG Düsseldorf hatte sich mit Urteil vom 19.09.2019 (Az. 15 U 37/19) im Rahmen eines Wettbewerbsprozesses mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Service-Calls durch Versicherungsmakler zulässig sind. Insbesondere war zu klären, ob der Versicherungsmakler seinen eigenen Kunden anrufen und weitere Angebote unterbreiten darf. Die Entscheidung des Gerichts ist durchaus bedeutend.
Ein Versicherungsmakler rief seinen Bestandskunden im Rahmen eines sogenannten „Service-Calls“ an, um ihm ein neues Angebot zu unterbreiten. Bei dem Kunden handelte es sich um einen Geschäftsführer, jedoch in seiner Eigenschaft als Verbraucher. Dieser Anruf erfolgte jedenfalls ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Geschäftsführers. Dieser fühlte sich von seinem Versicherungsmakler belästigt und ließ ihn wettbewerbsrechtlich abmahnen.
Der Versicherungsmakler wandte sich gegen diese Abmahnung. Als Begründung führte er unter anderem an, er sei als Versicherungsmakler gesetzlich dazu verpflichtet seine Kunden zu betreuen, zum Beispiel auch im Rahmen einer sogenannten „Nachbetreuung“. Service-Calls durch Versicherungsmakler stellten eine solche Nachbetreung dar, so der Versicherungsmakler. Der Versicherungsmakler ließ diese Angelegenheit so dann rechtlich überprüfen.
Die Entscheidung des Gerichts
Auch ein Anruf, der zum Zweck einer Angebotsinformation getätigt werde, sei damit als Werbung deutbar. Die Betreuungspflicht, zu der sich der Versicherungsmakler geäußert hatte, sei damit nicht behindert. Das OLG Düsseldorf stufte Service-Calls durch Versicherungsmakler als Belästigung ein und sah einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Es lag diesem Anruf keine vorherige Einwilligung des Kunden zugrunde. Der Versicherungsmakler rief den Geschäftsführer mehrfach in dessen Eigenschaft als Verbraucher zwecks Durchführung eines sogenannten „Service-Calls“ an. Entsprechende „Service Calls“ stellen jedoch „Werbung“ i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 2 UWG dar.
Service-Calls durch Versicherungsmakler stellt Werbung im Sinne des UWG
Auch die Begründung des Versicherungsmaklers, er habe eine gesetzlichen Verpflichtungen zur „Nachbetreuung“, überzeugte das Gericht nicht. Nach § 61 Abs. 1 S. 1 VVG hat der Versicherungsvermittler den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben.
Das Gericht ließ dahinstehen, ob sich aus § 61 Abs. 1 S. 1 VVG, welcher ausweislich der Legaldefinition des§ 59 Abs. 1 VVG auch für Versicherungsmakler gilt, eine gesetzliche Pflicht des Versicherungsmaklers zu einer (Nach-)Betreuung seines Kunden ergibt.
Betreuungspflichten im Einklang mit dem UWG
Selbst wenn der Versicherungsmakler entsprechend zu einer (Nach-)Betreuung gesetzlich verpflichtet sein sollte, hat dieser seine korrespondierenden Pflichten in jedem Falle im Einklang mit dem Wettbewerbsrecht zu erfüllen. Etwaige versicherungsrechtliche Betreuungspflichten dispensieren nicht von gleichrangigen gesetzlichen Pflichten aus dem UWG. Dies bedeutet, dass ein Versicherungsmakler in Erfüllung seiner Betreuungspflichten kein unlauteres Werbeverhalten an den Tag legen darf.
Ausdrückliche Einwilligung notwendig
Kommt er seiner (etwaigen) auf versicherungsrechtlicher Basis beruhenden Betreuungspflicht nach, indem er den Kunden telefonisch kontaktiert, darf er diese telefonische Kontaktaufnahme gem. § 7 Abs. Nr. 2 UWG nur dann für eine (mittelbare) Werbung nutzen, wenn er zuvor eine ausdrückliche Einwilligung des Kunden eingeholt hat.
Mithin hat der Versicherungsmakler die folgenden Wahlmöglichkeiten, um seinen versicherungs- und wettbewerbsrechtlich begründeten Verpflichtungen im Rahmen von „Service Calls“ kumulativ genügen zu können: Er kann eine telefonische Kontaktaufnahme zum Kunden durch die vorherige ausdrückliche Einwilligung legitimieren lassen. In Ermangelung einer vorherigen ausdrücklichen Einwilligung kann er alternativ einen anderen Kommunikationsweg anstelle der in § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG genannten Kontaktwege wählen.
Hinweis für die Vermittlerpraxis
Dieses Urteil ist im Ergebnis überzeugend, ebenso von hoher Brisanz. Es zeigt wiederum die Grenzen der Möglichkeiten des Versicherungsmaklers auf, wie er seine Kunden im Rahmen seiner Pflichten als sog. „Sachwalter“ betreuen kann. Das Gericht hat vorliegend die Vorschriften des UWG und der DSGVO für anwendbar gehalten und sah demgemäß die Pflicht des Versicherungsmaklers, für diese Service-Calls eine ausdrückliche vorherige Einwilligung des Kunden einzuholen, anderenfalls die zulässigen Kommunikationswege zu nutzen, welche das UWG gerade nicht pönalisiert. Von daher ist jedem Versicherungsmakler anzuraten, neben dem Maklervertrag auch entsprechende Einwilligungen des Kunden aus datenschutzrechtlicher sowie wettbewerbsrechtlicher Hinsicht einzuholen.
Vermittler-Kongress in Hamburg
Auf dem Vermittler-Kongress am 06.02.2020 in Hamburg wird die Kanzlei Jöhnke & Reichow zum Bereich „Vermittlerrecht“ referieren. Im Rahmen der kostenlosen Weiterbildungsveranstaltung vermittelt die Kanzlei spannende rechtliche Themen.
Daneben berichten weitere Experten aus der Versicherungs- und Finanzanlagebranche über aktuelle Marktentwicklungen. Zur Agenda und Anmeldung.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Digitale Offensive für die Kundenberatung
Datenschutz im Online-Vertrieb und der Auftragsdatenverarbeitung
Nachvertragliches Wettbewerbsverbot für Versicherungsvertreter
Kostenfreie rechtliche Hilfe für Versicherungsvermittler
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Allianz dominiert hybriden Versicherungsvertrieb
Deutsche Versicherer setzen zunehmend auf hybride Vertriebsstrategien, um Kunden optimal zu erreichen. Doch während einige Unternehmen große Fortschritte machen, hinken andere hinterher. Besonders beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz gibt es noch erheblichen Nachholbedarf.
„Die Versicherer müssen die Kosten senken – auch im Vertrieb“
Die Kompositversicherer stehen vor enormen Herausforderungen: Die Schaden-Kosten-Quote lag 2023 im Durchschnitt über 100 Prozent – ein Verlustgeschäft. Besonders betroffen sind Kfz- und Wohngebäudeversicherungen. Experten von Simon-Kucher fordern nun eine radikale Optimierung im Vertrieb, mehr Automatisierung und eine durchdachte Rabattstrategie.
Check24 in der Customer Journey von Versicherungskunden
Preisvergleichsportale wie Check24 beeinflussen zunehmend das Verhalten von Versicherungskunden. Eine aktuelle Studie zeigt, dass viele Verbraucher das Portal für eine erste Orientierung nutzen, während komplexere Produkte weiterhin eine persönliche Beratung erfordern.
INTER: „Makler müssen die Lebenswelt ihrer Zielgruppe verstehen.“
Michael Schillinger und Andreas Bahr von der INTER erklären, wie wichtig Zielgruppenspezialisierung für Makler ist und wie die INTER ihre Partner dabei unterstützt – von maßgeschneiderten Produkten bis hin zu persönlicher Beratung vor Ort. Es ist der zweite Teil eines Interviews, das zuerst im expertenReport 10/24 erschien.