Führen Klimaschäden zur Prämienverdoppelung in der Wohngebäudeversicherung?

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Die deutschen Versicherungsunternehmen warnen vor den finanziellen Folgen einer alleinigen verpflichtenden Elementarschadenabsicherung für Verbraucher.

„Wenn wir Prävention und Klimafolgenanpassung nicht konsequent umsetzen, könnte es in Deutschland nach unseren Schätzungen allein infolge der Klimaschäden innerhalb der nächsten zehn Jahre zu einer Verdopplung der Prämien für Wohngebäudeversicherungen kommen“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen.

Betroffen wären laut Asmussen alle Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer, anteilig über die Miete auch alle Mieterinnen und Mieter. Mancherorts könnten Gebäudeversicherungen gar so teuer werden, dass sich das Kunden nicht mehr leisten können, vermutet der GDV-Hauptgeschäftsführer. Der Verband äußerte sich einen Tag vor der Ministerpräsidentenkonferenz, die am 15. Juni 2023 stattfindet und auf der im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz auch über das Thema Pflichtversicherung gesprochen werden dürfte.

Der Grund für diese mögliche Entwicklung: Jeder Versicherer muss prüfen, ob er die steigenden Extremwetterschäden langfristig weiter versichern kann. Das hat auch aufsichtsrechtliche Gründe, denn Versicherer müssen die Stabilität ihres Unternehmens sicherstellen.

„Ohne Prävention könnte das breite Versicherungsangebot, wie wir es heute kennen, in Zukunft schrumpfen“, sagt Mathias Kleuker, Vorsitzender des GDV-Präsidialausschusses Risikoschutz in Gesellschaft und Wirtschaft. Einige Versicherer könnten früher oder später dazu gezwungen sein, das Geschäft aufzugeben, weil sie die entsprechenden Risiken nicht mehr tragen können. 

Um die Dringlichkeit des Handelns zu unterstreichen, verweist der GDV-Hauptgeschäftsführer auf den aktuellen Sachstandsbericht des Weltklimarats, wonach der Klimawandel schon jetzt zu häufigeren und schwereren Extremwetterereignissen geführt habe. Auch in Deutschland müsse man sich daher auf weitere Naturkatastrophen wie Überflutungen, Stürme, Hagel, Tornados und Dürre einstellen. 

„Ohne Gegenmaßnahmen, ohne Prävention wird sich diese Entwicklung unmittelbar in den Versicherungsprämien widerspiegeln“, erklärt Asmussen. Betroffen sei nicht nur die Elementarschadenversicherung, mit der unter anderem Starkregen und Hochwasser versichert sind. „Sondern die gesamte Wohngebäudeversicherung, die für Sturm- und Hagelschäden aufkommt.“

Asmussen wirbt vor diesem Hintergrund für das von der Versicherungswirtschaft erarbeitete Gesamtkonzept aus Prävention und Klimafolgenanpassung, Vorsorge für den Katastrophenfall und Versicherungsschutz. „Denn noch haben wir es als Gesellschaft in der Hand, die Schäden infolge des Klimawandels und damit die Versicherungsprämien positiv zu beeinflussen“, so Asmussen.

Um das zu erreichen, sollten aus Sicht der Versicherer folgende Änderungen rasch umgesetzt werden:

  • Klimaangepasstes Planen, Bauen und Sanieren: Prävention sollte fester Bestandteil der Landesbauordnungen werden.
  • Baustopp in Überschwemmungsgebieten: Jedes Jahr entstehen rund 1.500 neue Gebäude in hochwassergefährdeten Gebieten.
  • Stopp der Flächenversiegelung: Bei Baugenehmigungen sollte künftig eine Klima-Gefährdungsbeurteilung verpflichtend sein.
  • Bundesweites Naturgefahrenportal: Damit soll das Risikobewusstsein der Bevölkerung erhöht werden.

Mit Blick auf extreme Naturkatastrophen und damit auf mögliche Grenzen privater Versicherungskapazitäten sprechen sich Asmussen und Kleuker für eine sogenannte Stop-Loss-Regelung aus. Bei dieser Form einer öffentlich privaten Partnerschaft würde der Staat ab einer vorher definierten Grenze die Schäden übernehmen.

„Wir sprechen hier von Ausnahme-Katastrophen mit einem Schadenvolumen deutlich über 30 Milliarden Euro“, sagt Kleuker. Die Ahrtal-Flut von 2021, mit Schäden von 8,5 Milliarden Euro die bislang schwerste und teuerste Naturkatastrophe für die deutschen Versicherer, wäre also kein Fall für die Stop-Loss-Regelung gewesen. „Andere Länder in Europa und der Welt haben solche Partnerschaften, etwa Frankreich, Belgien und Großbritannien“, so Asmussen. „Wir halten das für eine gute Lösung auch für Deutschland.“