Einen Nachlässigkeitsfehler eines Maklers wertet das OLG Frankfurt am Main als arglistige Verletzung vertraglicher Aufklärungspflichten und entbindet infolgedessen einen Wohngebäudeversicherer von der Leistungspflicht. Der Versicherungsnehmer erhält keinerlei Leistung. Dem Makler droht natürlich der (nicht versicherte) Haftungsfall in Höhe der berechtigten Versicherungsleistung. Kann das wirklich sein?
Ein Beitrag von Stephan Michaelis, Rechtsanwalt Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte
Stellen Sie sich den folgenden Sachverhalt vor: Sie sind von Ihrem Kunden mit der Schadensabwicklung im Rahmen eines Versicherungsfalles in der Wohngebäudeversicherung beauftragt worden. Ihr Kunde übersendet Ihnen Kostenvoranschläge. Diese Kostenvoranschläge leiten Sie per E-Mail an die Versicherung weiter, schreiben im Textfeld jedoch irrtümlich, dass es sich bei der Anlage um Rechnungen handele, die vom Versicherungsnehmer bezahlt worden seien.
Tage später erhalten Sie eine Nachricht Ihres Kunden, der sie auf ihren Fehler hinweist und um Richtigstellung gegenüber der Versicherung bittet. Das versäumen Sie allerdings, weil Sie es vergessen haben. Kann ein solcher Fehler jetzt große Konsequenzen haben?
Erst als die Versicherung einige Monate später den Fehler erkennt, stellen Sie als Makler*in klar, dass es sich um einen Irrtum ihrerseits gehandelt hat. Doch ist es da bereits zu spät? Die Versicherung lehnt die Leistung gegenüber Ihrem Kunden nur aufgrund der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten ab und begründet dies mit ihrem Fehlverhalten, es nicht sofort richtiggestellt zu haben!
Das hätte Ihnen nicht passieren können? Gut! Denn genau diesen Sachverhalt hatte das OLG Frankfurt a.M. (nachzulesen unter OLG Frankfurt a.M. Urt. V. 7.12.2022 – 3 U 205/22, BeckRS 2022, 44368) zu entscheiden und gab dem Versicherer sogar Recht. Dieser ist wegen der arglistigen Verletzung vertraglicher Aufklärungspflichten von der Leistungspflicht befreit. Der Versicherungsnehmer erhält keinerlei Leistung. Dem Makler droht natürlich der (nicht versicherte) Haftungsfall in Höhe der berechtigten Versicherungsleistung.
1. Die Entscheidungsgründe des Gerichts
Das Gericht hat entschieden, dass der Versicherer wegen einer arglistigen Obliegenheitsverletzung des Versicherungsmaklers leistungsfrei geworden ist. Denn nach den zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen traf den Kläger (VN) die Obliegenheit, unverzüglich jede Auskunft zu erteilen, die zur Feststellung des Umfangs der Leistungspflicht der Beklagten erforderlich gewesen ist. Für den Fall der vorsätzlichen Verletzung dieser Obliegenheit war Leistungsfreiheit geregelt. Also eine ganz übliche Regelung, die wir aus vielen Versicherungsverträgen kennen.
Zu dieser Obliegenheit gehöre auch, so das OLG weiter, die Vorlage von Belegen über erfolgte Reparaturen. Diese Obliegenheit hat der Versicherungsmakler dadurch verletzt, dass er es unterließ, seine vorherigen falschen Angaben gegenüber dem Versicherer richtigzustellen und damit deren Irrtum, dass die Reparaturen durchgeführt seien, aufrechterhielt.
Der Makler habe mit der falschen Bezeichnung der Anlagen auf die Regulierungsentscheidung des Versicherers Einfluss genommen. Denn bei Nichtausführung der Arbeiten hätte allenfalls ein Anspruch in Höhe des Zeitwertes bestanden. Zum Vorsatz des Maklers führte das Gericht weiter aus:
„In subjektiver Hinsicht ist für eine arglistige Täuschung nicht erforderlich, dass der Versicherungsnehmer sich bereichern will und Tatsachen vortäuscht, die zu einer höheren als der geschuldeten Entschädigung führen würden, oder Tatsachen verschweigt, die eine niedrigere Entschädigung zur Folge hätten.
Ausreichend ist die Verfolgung eines gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zwecks – sei es die Beschleunigung der Schadenregulierung oder das Ausräumen von Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche – verbunden mit dem Wissen, dass durch dieses Fehlverhalten die Schadenregulierung des Versicherers möglicherweise beeinflusst werden kann.“
2. Rechtliche Bewertung
Das Urteil zeigt zweierlei: Zum einen wird deutlich, wie weit der Begriff der Arglist ausgelegt wird. Grundsätzlich liegt Arglist nur dann vor, wenn jemand in der Absicht handelt, das Regulierungsverhalten des Versicherers zu beeinflussen. Auch wenn die falsche Information nur irrtümlich erfolgte. Dass es der Makler absichtlich unterließ, seinen Irrtum zeitnah richtig zu stellen, genügt für das Vorliegen von Arglist.
Das Urteil ist aber auch aus einem anderen Blickwinkel interessant: Das OLG führt in seiner Entscheidung aus, dass das Verhalten des Maklers dem Versicherungsnehmer zuzurechnen sei, da der Makler im Rahmen der Schadensabwicklung im Auftrag des Klägers handelte. Das Gericht begründet dies mit der sogenannten „Wissenszurechnung“ nach § 166 BGB. Diese ist vor allem bei Aufklärungs- und Anzeigeobliegenheiten, also Erklärungsobliegenheiten, relevant.
Anders als bei Obliegenheitsverletzungen, die sich auf den tatsächlichen Umgang mit dem versicherten Risiko beziehen, bedarf es für die Zurechnung falscher Erklärungen auch keiner Repräsentantenstellung. Denn im Unterschied zur Repräsentantenstellung setzt die Wissensvertretung nicht voraus, dass der Dritte bei der Risiko- oder Vertragsverwaltung in vollem Umfang an die Stelle des Versicherungsnehmers tritt.
Wissenserklärungsvertreter ist nach ständiger Rechtsprechung bereits, wer von dem Versicherungsnehmer mit der Erfüllung von dessen Obliegenheiten und der Abgabe von Erklärungen betraut ist. Aufklärungs- und Anzeigepflichtverletzungen des Maklers muss sich der Versicherungsnehmer demnach selbst anrechnen lassen.
3. Fazit
Es verbleibt bei dem bekannten Grundsatz: Die Beratungspflichten des Versicherungsmaklers gehen weit. Bei der Verletzung von Anzeige- und Aufklärungsobliegenheiten sind die Erklärungen des Maklers dem Versicherungsnehmer allein aufgrund seiner Beauftragung zuzurechnen. So kann der Versicherer dem Versicherungsnehmer aufgrund der Falschangaben des Maklers sämtliche Leistungen versagen. Dies gilt sogar dann, wenn sich der Versicherungsnehmer selbst noch um Richtigstellung bemüht.
Täuschungsvorsatz ist nach dieser Rechtsprechung schon dann anzunehmen, wenn irrtümliche Falschangaben nicht zeitnah richtiggestellt werden. Auch vermeintlich kleinere Fehler sind daher unverzüglich zu korrigieren. Dies gilt umso mehr, als dass auch die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung beim Vorliegen von Arglist nicht leistet.
Diese interessante Ausarbeitung hat unsere Kollegin Frau Rechtsanwältin Judith Pötter für Sie verfasst. Informieren Sie auch unbedingt Ihre Mitarbeiter über diese Entscheidung. Ein kleiner Fehler muss unverzüglich richtiggestellt werden, sonst droht Ihre Haftung!
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