insureNXT 2023: Smarte Kooperationen, innovative Lösungen

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Über 3.000 Teilnehmende, 170 Top-Referent*innen auf drei Bühnen sowie 165 Ausstellende, Sponsoren und Partner bei der zweiten Ausgabe der insureNXT im Congress-Centrum Nord der Koelnmesse: Die insureNXT 2023 zeigte eine Vielzahl von innovativen Projekten, Geschäftsmodellen und Technologien. 2024 findet die insureNXT am 28. und 29. Mai wieder in Köln statt.  

Norbert Rollinger, Präsident des Gesamtverbandes der deutschen Versicherer (GDV) und CEO der R+V Versicherung © Koelnmesse_Oliver Wachenfeld

„Der Net Promoter Score unserer Branche, also die Weiterempfehlungsrate, liegt unter Null. Wenn wir als Versicherungswirtschaft nicht kundenzentrierter werden, strafen uns die Kund*innen künftig ab”, appellierte Dr. Norbert Rollinger, Präsident des Gesamtverbandes der deutschen Versicherer (GDV) und CEO der R+V Versicherung, in seiner Keynote auf der insureNXT 2023 in Köln. 

„20 Jahre Amazon setzen uns als Versicherer erheblich unter Druck. Wir machen jetzt als Branche die Erfahrung, etwas bieten zu müssen, was die Kund*innen begeistert. Dafür müssen wir viel stärker und direkter mit den Kund*innen in Kontakt treten. Zwar haben wir in den vergangenen Jahren schon erheblich in Technologie investiert, aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns”, analysierte Rollinger.

Patrick Dahmen (Mitte), InsurLab Germany e.V., und Gerald Böse (r), CEO Koelnmesse © Koelnmesse_Oliver Wachenfeld

Auch Dr. Patrick Dahmen, Vorstandsvorsitzender des InsurLab Germany e.V., diagnostizierte auf der Center Stage der insureNXT, dass sich die Versicherungswirtschaft mitten in einer Transformationsphase befinde. Es gebe eine Menge Wettbewerbsdruck. Von innen und von außen. Kundenorientierung sei daher eines der Schlüsselelemente für den Erfolg.

„Von der Agilisierung der Organisation, über Omni-Channel-Ansätze bis hin zu Investitionen in Startups – in der Versicherungswirtschaft ist schon viel passiert. Aber das ist trotzdem erschreckend wenig, im Vergleich zu dem, was kommt“, prophezeite Dr. Christian Kinder, Partner bei Bain & Company und Knowledge Partner der insureNXT.

Für Norbert Rollinger liegt ein Lösungsansatz in smarten Kooperationen. Dabei sei die sorgfältige Auswahl von Kooperationspartnern wichtiger denn je.

Der Markt der Kfz-Versicherungen verändert sich

Ein Beispiel für die Kooperation zwischen klassischen Versicherern und InsurTechs präsentierten Stephen Voss, Vorstand der Neodigital, und Markus Imle, Leiter neue Geschäftsbereiche bei der HUK-Coburg. „Der ganze Markt der Kfz-Versicherungen verändert sich. Wir müssen vorbereitet sein für den nächsten Schritt”, sagte Markus Imle.

Deshalb habe sich die HUK mit 51 Prozent an der Neodigital Autoversicherung beteiligt. Als Marktführer bringe die HUK ihr Wissen ein, die Prozesse übernehme komplett die Neodigital. Das neue Tochterunternehmen soll auch auf Preisvergleichs-Plattformen, im freien Vertrieb und im Flottenmanagement tätig sein. Bereiche, die die HUK selbst nicht bedient. Gleichzeitig konkurriere die Neodigital Autoversicherung bei Endkund*innen aber auch mit der HUK und HUK24

Einen massiven Entwicklungssprung „vom isolierten Versicherungsanbieter hin zu situativen datengetriebenen Produkten” sagten im Kfz-Bereich auch Carsten Kock und Anastasia Golz von der HDI voraus.

„Wir werden die Kundenschnittstelle verlieren. Versicherung wird zu einem Hygieneprodukt. Dabei operieren wir im Hintergrund im Ökosystem der Partner und legen unseren Fokus auf Prozesse”, sagte Golz, die gemeinsam mit dem Automobilhersteller auf der insureNXT die Merkmale der neuen Porsche Car Policy Flex vorstellte.

Wie gelingen Transformation und bessere Kundenorientierung

Für Dr. Sylvia Eichelberg, die Vorstandsvorsitzende der Gothaer Krankenversicherung, gelingt die Transformation der Versicherer nur, wenn man das Know-how des eigenen Unternehmens nutzt und gleichzeitig agile Organisationsformen einführt: „Relevanz ist der Schlüssel für erfolgreiche Kundenorientierung.” Deshalb analysierte die Gothaer beispielsweise das Nutzungsverhalten der Kund*innen in ihrer Health App, um besser auf die Bedürfnisse eingehen zu können.   

Jonathan Larsen, Chief Innovation Officer der chinesischen Ping An Group, sieht große kulturelle Unterschiede zwischen klassischen Versicherern und Firmen, die als Digital Native entstanden sind. Man brauche „eine DevOps-Kultur” in der Versicherungswirtschaft, die sich mehr an der Softwareentwicklung orientiere. So riefen Ping An beispielsweise pro Tag etwa eine Million Kund*innen an, deren Anliegen zu einem Großteil automatisiert beantwortet werden können. 

Eine Studie von Gini in Kooperation mit YouGov, die auf der insureNXT 2023 vorgestellt wurde, zeigte jedoch auch: Statt neuer zusätzlicher digitaler Tools steht bei den Kund*innen der Versicherer vor allem der Wunsch nach einfacheren und schnelleren Kernprozessen im Vordergrund.

Ensure Growth Capital: Neues Venture Capital-Projekt vorgestellt

„Der Axa-Konzern hat im vergangenen Jahr mehr Geld in seine Konzern-IT investiert, als Investoren in ganz Europa in InsurTechs”, analysierte Florian Graillot, Investor bei astorya VC. Dabei sei im Augenblick „ein perfekter Zeitpunkt, um in Startups zu investieren. Man kommt zu viel günstigeren Konditionen an Anteile. Startups der Frühphase sind jetzt um 30 Prozent günstiger, reifere Startups fast um 50 Prozent günstiger”, sagte Investor Carsten Maschmeyer auf der insureNXT. An die Versicherer appellierte Carsten Maschmeyer:

Investieren ist ein Risiko. Aber Innovation zu verpassen, ist das größere Risiko.

Maschmeyer stellte zusammen mit Sebastian Pitzler auf der insureNXT mit Ensure Growth Capital eine neue Venture Capital-Initiative vor, die nahtlos an die bisherigen Aktivitäten des InsurLab Germany e.V. anschließt: „Bisher sind wir hauptsächlich Matchmaker gewesen”, so Sebastian Pitzler, der ab Mai den VC als Managing Partner leiten wird. „Venture Capital ist für uns der nächste logische Schritt. Aber wir bieten mehr als nur Geld. Wir haben das Know-how, das Netzwerk und das Wissen, um die richtigen Partner zusammenzubringen.”   

Das InsurLab leiste einen unverzichtbaren Beitrag zur Entwicklung der Industrie, indem es Start-ups und Versicherer kuratiere, zusammenbringe und einen Austausch zwischen den unterschiedlichen Arbeitsweisen, Ansätzen und Wissensständen ermögliche und stütze. Der derzeitige Mindset-Shift hin zu Kooperationen und Co-Kreationen sei stark angetrieben durch diesen Einsatz und durch Veranstaltungen wie die insureNXT, bestätigte Anna Bojic, Gründerin des Start-ups Miss Moneypenny Technologies.  

Die Mitarbeitenden sind zentral für den Erfolg der Transformation

Ob die Transformation der Versicherungswirtschaft gelingt, ist in hohem Maße auch von den Mitarbeitenden der Branche abhängig. Im Panel „Culture eats Strategy for breakfast” diagnostizierte der langjährige Personalvorstand und Bildungspolitiker Thomas Sattelberger: „Transformation verursacht Freude und Schmerz. Und Disruption ist mit Personal von außen oft erfolgreicher als von innen.”

Imke Mahner, Head of People and Culture bei Hays, ergänzte: „Transformation wird von oben getrieben, von unten wird sie gewünscht, aber in der Mitte versackt sie oft.” Für Konrad Bartsch, verantwortlich für Innovation und Digitalisierung im Provinzial-Konzern, ist das auch der aktuell guten wirtschaftlichen Situation geschuldet: „Noch ist die Profitabilität der Versicherer groß genug. Es braucht die gefühlte Notwendigkeit, den Unruhemoment im eigenen Unternehmen, den Druck, um Transformation zu treiben.”

„Die Personalabteilungen dieser Republik sind mir viel zu verweichlicht geworden. Viele Firmen sind zu feige, eine klare Position zu beziehen. Das wird sich bitter rächen, wenn die echte Transformation ansteht”, prophezeite Thomas Sattelberger.  

Award Verleihung (v. l. n. r.) : Dr. Christina Ellringmann ,Bain&Company/ Moderatorin, Dr. Muhammad Sukmana, Mitigant/Resility, Kevin Goßling, Fusionbase, Jonathan Lange und Holger Teske, beide Gini, Dr. Michaele Völler, TH Köln, Melissa Wong, bolttech, Artur Reimer, corify, Nicole Schepanek, aureus Capital/Moderatorin © Koelnmesse_Oliver Wachenfeld

Sechs Gewinner beim insureNXT Innovators Award 2023

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Knapp 50 eingereichte Projekte, Produktinnovationen und Studien untersuchte die Expert*innen-Jury des insureNXT Innovators Awards in diesem Jahr. Eine neue Rekordbeteiligung. Bewertet wurden die Einreichungen nach Kriterien wie wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Relevanz, Innovationsstärke, Zukunftsorientierung sowie Strahlkraft und allgemeinem Impact auf die Versicherungsbranche.

Alle zehn Nominierten präsentierten ihre innovativen Ideen und Projekte auf der Center Stage der insureNXT live vor Ort in Köln. Die meisten Stimmen beim Live-Voting des Publikumsawards holte dabei das Kooperationsprojekt von Gini mit der privaten Krankenversicherung ottonova und der Consorsbank. Die Gewinner*innen in den einzelnen Kategorien: 

Preisträger „Insuring the Digital Economy“

In dieser Kategorie überzeugte Resility die Jury mit der SaaS-Lösung „Mitigant“. Sie hilft Unternehmen dabei, Sicherheit für öffentliche Cloud-Strukturen in Amazon Web Services, Google Cloud und Microsoft Azure aufzubauen.

Unternehmen können so gewährleisten, dass ihre Cloud-Infrastrukturen sicher konfiguriert sind und den Best Practices und Standards für Cloud-Sicherheit entsprechen. Zudem kann automatisch die Widerstandsfähigkeit der Cloud-Infrastruktur gegen Cloud-Angriffe mit Security Chaos Engineering überprüft werden.

Preisträger „Customer Centricity & Distribution“

Corify entwickelt einen Marktplatz zur standardisierten Risikoerfassung und -prävention von Großgewerbe- beziehungsweise Industrieversicherungsrisiken. Dieser soll dazu beitragen, wieder bessere Risikopartnerschaften zwischen Marktteilnehmern zu ermöglichen.

Gemeinsam mit Versicherern, Maklern, Industrieunternehmen und Datenlieferanten soll ein Ort entstehen, an dem jedes Risiko transparent erfasst und platziert werden kann. Damit könne eines der größten Probleme der Versicherungsbranche im Bereich der Industrieversicherung gelöst werden.  

Preisträger „Business Transformation“

In der Kategorie „Business Transformation“ berzeugte die Zusammenarbeit zwischen SAS, Fusionbase und der Gothaer Versicherung. Der Wettbewerbsdruck durch Vergleichsportale zwingt Versicherer in der Tarifierung und Risikoprüfung innovative Lösungen zu finden.

Gemeinsam mit dem KI-basierten Data Hub für externe Daten von Fusionbase und der Analytics Plattform von SAS ist die Gothaer in der Lage, genau dieses Problem zu lösen: Sie reichert auf der SAS-Plattform bereits verbundene Bestandsdaten mit Stammdaten, finanziellen Kennzahlen und weiteren Datenpunkten von Fusionbase an.

Basierend auf diesen Daten entwickelt die Gothaer ein KI-gestütztes Modell, dass Angebote mit den benötigten Tarifierungsmerkmalen automatisiert vorbefüllt. Dieser vereinfachte Antragsprozess soll für ein verbessertes Kundenerlebnis sorgen. 

Preisträger „Digital Ecosystems“

Mit der proprietären, cloudbasierten, API-gestützten Plattform konnte sich bolttech in der Kategorie Digital Ecosystems durchsetzen. Die technologiegestützte Versicherungsbörse ermöglicht es Versicherern, schneller neue Vertriebskanäle und Märkte zu erschließen. Auch versicherungsfremde Unternehmen zum Beispiel aus den Bereichen Handel, Fintech oder Telekommunikation können die Angebote der Börse nahtlos in ihre Customer Journey einbinden, um dadurch neue Umsätze zu erschließen.

Preisträger „Science“

Unter der Betreuung von Prof. Michaele Völler, Leiterin der Forschungsstelle Versicherungsmarkt an der TH Köln, führt Juliane Ressel ihre kooperative Promotion in Zusammenarbeit mit der University of Limerick in Irland durch. In der Promotion wird untersucht, was den „vertrauenswürdigen“ Einsatz von algorithmischen Entscheidungssystemen in der europäischen Versicherungsbranche ausmacht.

Die angestrebten Forschungsergebnisse sollen es ermöglichen, Anwendungen der Künstlichen Intelligenz so zu gestalten, dass sie einen maßgeblichen Beitrag zur digitalen Transformation leisten und zugleich die zentralen Aspekte der Customer Centricity wahren.

Publikumsaward: Gini, ottonova und Consorsbank

Das Auditorium der insureNXT wählte die Kooperation von Gini mit der privaten Krankenversicherung ottonova und der Consorsbank in einem Live-Voting zum Gewinner des Publikumspreises. Gini integriert die Fotoüberweisung in die Versicherungs-App und ermöglicht es den Versicherten, nahtlos und ohne manuelles Abtippen direkt über die Banking-App zu bezahlen.

Bilder (2–4): © Koelnmesse_Oliver Wachenfeld (5): © Koelnmesse