Die Deutsche Aktuarvereinigung e.V. (DAV) empfiehlt, den Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung 2024 unverändert bei 0,25 Prozent zu belassen. Auf diesem historisch niedrigen Niveau liegt er bereits seit dem 1. Januar 2022.
Das Jahr 2022 ist von gestiegener Inflation und dem Bemühen der Zentralbanken geprägt, dieser mit Hilfe von deutlichen Zinssteigerungen zu begegnen. Dennoch hat sich der Vorstand der DAV nach intensiver Beratung und auf Vorschlag der damit im Vorfeld beauftragten Arbeitsgruppe für eine Beibehaltung des Höchstrechnungszinses bei 0,25 Prozent im Jahr 2024 ausgesprochen und diese Empfehlung dem Bundesministerium für Finanzen sowie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht weitergeleitet.
„Wir betrachten nicht nur dieses eine Jahr, in dem die Zinsen am Markt wieder gestiegen sind, sondern beziehen verschiedene Faktoren mit ein. Die Zinssituation am Kapitalmarkt muss sich erst dauerhaft stabilisieren, bevor wir einen höheren Höchstrechnungszins empfehlen“, so der DAV-Vorstandsvorsitzende Dr. Herbert Schneidemann zur Entscheidung des Berufsverbands der deutschen Versicherungs- und Finanzmathematiker.
Zweifelsohne gebe es derzeit, so Dr. Schneidemann, eine Menge disruptiver Faktoren wie den Ukraine-Krieg, die gestiegene Inflation und die nach wie vor Wirkung entfaltende Pandemie, die zu einer volatilen Zinssituation beitragen. „Dennoch schätzen wir die durch das langjährige Niedrigzinsumfeld ausgelösten Veränderungen in der Finanzsteuerung der Versicherer als nachhaltig und dauerhaft ein, sodass eine allzu schnelle Anpassung des Höchstrechnungszinses nicht geboten ist.“
Auch habe darauf, so der DAV-Vorstandsvorsitzende weiter, die relativ niedrige Langzeit-Erwartung für Zinsen Auswirkung. Diese wird anhand inverser Zinsstrukturkurven erkennbar. „Inverse Zinsstrukturkurven besagen, dass kurzfristig zwar mit steigenden Zinsen gerechnet wird, nicht aber langfristig.“
100 Prozent Beitragsgarantie engt ein
Trotz des sich verändernden Zinsumfeldes betont Schneidemann im Kontext der Bekanntmachung der Empfehlung zum Höchstrechnungszins, dass sich an der Grundhaltung der DAV zur Notwendigkeit, Garantieanforderungen für
staatlich geförderte Vorsorgeprodukte zu überarbeiten, nichts geändert habe.
Nach wie vor gebe es eine 100-Prozent-Beitragsgarantie für Lebensversicherungsprodukte, sodass ein Gros der Beiträge für die Absicherung der Garantien gebraucht werde. Das vermindere die Möglichkeiten, chancen- und renditereicher zu investieren, stellt Schneidemann fest. Hier sei der Gesetzgeber gefragt, den Weg für ein besseres Risiko-Rendite-Verhältnis zu ebnen.
Hintergrund zur Herleitung des Höchstrechnungszinses
2019 hat die DAV ihre Methodik zur Ermittlung des Höchstrechnungszinses angepasst. Die Zinsempfehlung orientiert sich seither nicht mehr primär an den historischen Renditen europäischer AAA-gerateter Staatsanleihen. Vielmehr berücksichtigt der Höchstrechnungszins die künftig realistisch am Kapitalmarkt erzielbaren Renditen der Lebensversicherungsunternehmen für neu abgeschlossene Verträge. Um diese zu berechnen, wurde ein repräsentatives Neuanlageportfolio eines Lebensversicherers mit konservativer Kapitalanlagestrategie modelliert.
Dieses besteht im Wesentlichen aus festverzinslichen Wertpapieren und einem geringen Anteil aus Substanzwerten wie Aktien und Immobilien. Unter Annahme verschiedener Zinsentwicklungen wurden die aus diesem Anlageportfolio abgeleiteten Durchschnittsrenditen in die Zukunft projiziert. Zur Glättung wurde das arithmetische Mittel dieser Renditen über jeweils fünf Jahre gebildet.
„Zusätzlich wurde ein 40-prozentiger Abschlag als Sicherheitspuffer eingerechnet. Diesen hatte der Gesetzgeber seit Mitte der 1990er-Jahre bis zur Einführung des europäischen Versicherungsaufsichtsregimes Solvency II gefordert“, erläutert Dr. Schneidemann das Vorgehen. Auch wenn diese Vorgabe an den Höchstrechnungszins inzwischen entfallen sei, setzt die DAV diesen Sicherheitsabschlag weiterhin in ihren Analysen an. Um ein ausreichendes Sicherheitsniveau zu gewährleisten, wurde zudem beschlossen, dass auch in Tiefzinsphasen der Sicherheitsabschlag immer mindestens 0,4 Prozentpunkte betragen muss.
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