Demografie-Problem der Sozialen Pflegeversicherung ist seit langem bekannt. Mit der Einführung des Pflegevorsorgefonds unternahm die Politik vor sieben Jahren einen zarten Versuch, die schlimmsten Folgen abzufedern. Nun wird diese Rücklage offen in Frage gestellt. Und das nicht zum ersten Mal.
Ein Beitrag des Verband der Privaten Krankenversicherung e.V.
„Eher legt sich ein Hund einen Salami-Vorrat an, als dass die eine Steuer zurücknehmen“, sagte Franz-Josef Strauß einst mit Blick auf die politische Konkurrenz. Ähnlich bildhaft könnte man nun beim Pflegevorsorgefonds argumentieren. Seit 2015 fließen 0,1 Prozent der Beitragseinnahmen der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) in diese Rücklage. Ab dem Jahr 2035 soll sie die durch die alternde Bevölkerung notwendigen Beitragssteigerungen abfedern.
Das Problem: Der Fonds befindet sich unter staatlicher Aufsicht. Und es besteht die Gefahr, dass die politisch Verantwortlichen schon heute auf das Ersparte zugreifen. Schließlich befindet sich die SPV nicht zuletzt wegen jüngster Leistungsausweitungen in einer finanziellen Schieflage. Die Verlockung ist also groß, das angesparte Geld gleich heute zu verzehren. Ähnlich eben, als wenn man einem Hund die Aufgabe anvertraut, einen Wurstvorrat aufzubewahren.
Etwas sachlicher formulieren es die Experten vom Beirat im Bundeswirtschaftsministerium:
„Selbst wenn der Fonds treuhänderisch gesichert und daher vor einem direkten Zugriff geschützt ist, besteht … bei einem Fonds, der von staatlicher Seite bedient wird, die Gefahr, dass die weitere Akkumulation in Zeiten finanzieller Engpässe oder veränderter politischer Präferenzen ausgesetzt wird, so dass er letztlich seine Wirkung nicht entfalten kann.“
Ganz gleich, wie man die Warnung formuliert, sie scheint angebracht zu sein. Denn nun hat die Vorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, anlässlich des Deutschen Pflegetags angeregt, die Befüllung des Pflegevorsorgefonds auszusetzen, um die derzeitige Finanzsituation in der Pflege zu entspannen (FAZ). Damit ist sie nicht die erste.
Im vergangenen Jahr forderte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock – damals Kanzlerkandidatin der Grünen – sogar, den Fonds komplett aufzulösen, um Pflegerinnen und Pfleger höher zu entlohnen. Ähnlich äußerte sich zwei Jahre zuvor ihre Parteikollegin Schulz-Asche: Der Fonds raube der Versichertengemeinschaft „die Möglichkeit, ein milliardenschweres Sofortprogramm aufzulegen, mit dem zusätzliche Pflegefachkräfte eingestellt und tarifgerecht bezahlt werden könnte“. (Tagesspiegel vom 20.12.2019).
Die Beispiele zeigen, wie groß die Verlockung ist, eine für die langfristige Vorsorge konzipierte Kapitalanlage unter staatlicher Obhut wieder aufzulösen, um Finanzlöcher kurzfristig zu stopfen. Doch damit werden die strukturellen Probleme des Systems nicht gelöst, sondern höchstens vorübergehend kaschiert. Ein ähnliches Muster zeigt sich aktuell im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz: Die Rücklagen der Krankenkassen sollen per staatlichem Dekret aufgelöst werden, um akute Defizite auszugleichen. Langfristige, strukturell wirksame Maßnahmen sind auch hier Fehlanzeige.
Unabhängig von den Begehrlichkeiten der Politik ist der Nutzen des Pflegevorsorgefonds angesichts der gewaltigen Kosten der Alterung der Bevölkerung nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Ansparsumme viel zu gering, um einen ausreichenden Effekt zu haben. Dennoch ist die Idee grundsätzlich richtig, dem demografieanfälligen Umlagesystem mit mehr Rücklagen zu begegnen.
So machen es auch wir in der PKV. Allein für die Private Pflegepflichtversicherung hat die Branche schon rund 45 Milliarden Euro an Alterungsrückstellungen zurückgelegt. Geld, das den rund 9 Millionen Versicherten in Zukunft zu Gute kommen wird, ohne dass der Staat oder andere vorzeitig Zugriff darauf haben. So ist die Private Pflegepflichtversicherung weitgehend unabhängig von der demografischen Entwicklung.
Zwar ist es illusorisch, für die wesentlich größere Zahl an Versicherten in der SPV nachträglich noch eine vergleichbare Rücklage aufzubauen. Doch Elemente der Kapitaldeckung können auch hier helfen, eine bessere Vorsorge zu treffen. Zum Beispiel durch individuelle oder betriebliche Zusatzversicherungen. Oder mit unserem Konzept für eine generationengerechte und solidarische Finanzierung der Pflege. Die Vorschläge dafür liegen auf dem Tisch.
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