Am 13. Oktober 2022 hat der Schätzerkreis die im kommenden Jahr drohende Finanzierungslücke für die gesetzliche Krankenversicherung mit ihren 73 Millionen Versicherten in Höhe von rund 17 Milliarden Euro bestätigt.
Vor dem Hintergrund dieser Schätzung, in der einnahmen- und ausgabenseitige Entlastungsmaßnahmen gemäß Gesetzentwurf zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz berücksichtigt sind, ergibt sich vorläufig ein rechnerischer durchschnittlicher Zusatzbeitragssatz von 1,5 Prozent, der vom Bundesgesundheitsministerium für das kommende Jahr unter Berücksichtigung der Ergebnisse des parlamentarischen Verfahrens bis zum 1. November abschließend festgelegt wird.
Damit könnte der Anstieg der Zusatzbeitragssätze mit durchschnittlich + 0,2 Beitragssatzpunkten etwas geringer ausfallen, als bisher erwartet. Hintergrund sind die leicht höheren Reserven im Gesundheitsfonds, sodass durch die gesetzlich vorgesehene Absenkung der Obergrenze der „Liquiditätsreserve“ und Entnahme des überschießenden Betrags im nächsten Jahr zusätzliche gut 2 Milliarden Euro für die Finanzierung der laufenden Ausgaben verwendet werden können.
Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes erklärt dazu:
Es ist richtig, die etwas höheren Rücklagen im Gesundheitsfonds, die ja ursprünglich von den Beitragszahlenden eingezahlt wurden, dafür zu nutzen, die Zusatzbelastungen für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler abzumildern.
Gerade vor dem Hintergrund der massiv gestiegenen Energiepreise, der steigenden Inflation und der sich voraussichtlich noch verschärfenden Wirtschaftslage müsse eine zusätzliche Belastung durch steigende Krankenversicherungsbeiträge für die Menschen und Unternehmen in unserem Land wenn irgend möglich verhindert werden. Jeder Euro zum Schließen der Finanzierungslücke, der nicht durch steigende Zusatzbeiträge finanziert werden müsse, zähle für die Menschen.
Mit dem vorliegenden GKV-Finanzstabilisierungsgesetz werde bestenfalls die Finanzierungslücke im kommenden Jahr geschlossen, so die Vorstandsvorsitzende weiter. Die gesetzliche Krankenversicherung, die immerhin 90 Prozent der Bevölkerung versichere und versorge, brauche jedoch mittelfristig finanzielle Stabilität. Die auskömmliche Gegenfinanzierung der medizinischen Versorgung der ALG-II-Empfangenden, die die gesetzliche Krankenversicherung im Auftrag des Staates übernommen habe, sei ein überfälliger Schritt auf diesem Weg. Pfeiffer betont:
Wir sprechen immerhin von rund 10 Mrd. Euro, die der Staat für diese Leistung pro Jahr zu wenig an die gesetzlichen Krankenkassen zahlt. Faktisch subventionieren die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler mit diesem Betrag den Bundeshaushalt.
Zum Hintergrund
Das GKV-Finanzierungsstärkungsgesetz geht von einer Finanzierungslücke in Höhe von 17 Mrd. Euro aus. Diese sollte wie folgt ausgeglichen werden:
Aus Beitragsgeldern insgesamt 11 Mrd. Euro:
- Abbau Beitragsreserven bei den einzelnen Krankenkassen: 4 Mrd. Euro
- Abschöpfung Beitragsmittel aus Gesundheitsfonds („Liquiditätsreserve“): 2,4 Mrd. Euro - NEU nach Schätzerkreis: Jetzt 4,6 Mrd. Euro
- Zusatzbeitragssatz-Erhöhung um 0,3 Prozentpunkte: 5 Mrd. Euro - NEU nach Schätzerkreis: Zusatzbeitragssatzerhöhung um 0,2 Prozentpunkte möglich, dann 3,5 Mrd. Euro. Das Bundesgesundheitsministerium entscheidet per Rechtsverordnung.
- 3 Mrd. Euro von Leistungserbringenden (Zahnärzte, Pharmaindustrie, Ärzte, Krankenhäuser)
- 2 Mrd. Euro einmaliger ergänzender Bundeszuschuss
- 1 Mrd. Euro Darlehen des Bundes an den Gesundheitsfonds
Außerdem 6 Mrd. Euro:
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