Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz soll die für 2023 bestehende Finanzierungslücke bei der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von rund 17 Milliarden Euro geschlossen werden. Der Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium liegt zwischenzeitlich zur Fachanhörung vor.
Eine Erklärung von Uwe Klemens und Dr. Susanne Wagenmann, Vorsitzender und Vorsitzende des Verwaltungsrates des GKV-Spitzenverbandes
Die 17-Milliarden-Euro-Finanzierungslücke ist das Ergebnis konkreter politischer Entscheidungen in der Vergangenheit. Einerseits wurden Gesetze beschlossen, die zu strukturell höheren Ausgaben führten, andererseits gab es keine nachhaltige Gegenfinanzierung. Vielmehr wurden die höheren Ausgaben durch das Auflösen von Rücklagen und adhoc-Steuerzuschüsse kurzfristig gegenfinanziert. Dabei wurde von der Bundesregierung der Weg der soliden und nachhaltigen Finanzierung der gesundheitlichen Versorgung für die 73 Millionen gesetzlich Versicherten verlassen.
Die Politik hätte jetzt die Chance, die immer wieder nur ins nächste Jahr schauende, kurzatmige Sonderfinanzierung zu beenden und zu einer soliden und nachhaltigen Finanzierung zurückzukehren. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird diese Chance vertan.
Beitragszahlende sollen die Hauptlast der Finanzierungslücke schultern
Die jetzt notwendig gewordene kurzfristige Konsolidierung der Finanzsituation sollte nicht durch eine einseitige Belastung der Beitragszahlenden erfolgen. Hier muss dringend nachgebessert werden. Vorgesehen ist, die Zusatzbeitragssätze ab 2023 um durchschnittlich mindestens 0,3 Beitragssatzpunkte anzuheben, Finanzreserven der Krankenkassen in relevantem Umfang abzubauen und Mittel aus der Liquiditätsreserve zu entnehmen.
Damit sollen die Beitragszahlenden, aus deren Portemonnaies die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds sowie die Finanzreserven der Krankenkassen stammen, mit über 11 Milliarden Euro gut zwei Drittel der für 2023 erwarteten Finanzierungslücke von 17 Milliarden Euro schultern.
90 Prozent der Bevölkerung sind gesetzlich versichert. Sie und ihre Arbeitgebenden zahlen gemeinsam die Krankenkassenbeiträge. Die von der Bundesregierung geplanten Beitragserhöhungen sind angesichts steigender Energiekosten, Inflation und höherer Lebensmittelpreise ein fatales Signal. Es ist wichtig, dieses Herzstück der sozialen Absicherung ohne Beitragssteigerungen finanziell stabil zu halten.
Die vorgesehene Abführung von vier Millliarden Euro aus den von den Krankenkassen - in rechtlich zulässiger und wirtschaftlich vorausschauender Weise - gebildeten Reserven stellt einen massiven Eingriff in die Finanzautonomie der selbstverwalteten gesetzlichen Krankenversicherung dar. Die Botschaft, dass es sich nicht lohnt, für schlechte Zeiten vorzusorgen, da der Staat dann das zurückgelegte Geld umverteilt, ist keine, die vorsorgendes Handeln fördert.
Gesamtgesellschaftliche Verantwortung des Bundes für die Stabilisierung der GKV
Bei der Finanzierung der gesundheitlichen Versorgung von ALG-II-Empfangenden kommt der Staat einer seiner sozialen Kernaufgaben auch weiterhin nicht nach. Im Auftrag des Staats organisieren und bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen die gesundheitliche Versorgung der ALG-II-Empfangenden, erhalten dafür aber vom Staat pro Jahr zehn Milliarden Euro weniger aus Steuermitteln, als sie für diese Versorgung ausgeben müssen.
Wenn der Staat hier seiner Verpflichtung voll nachkäme, wäre das ein entscheidender Beitrag zur Stabilisierung der GKV. Hier hat es, trotz der Ankündigung im Koalitionsvertrag, keinerlei Bewegung gegeben. So bleibt es dabei, dass die Krankenkassen den Bundeshaushalt Jahr für Jahr mit rund zehn Milliarden Euro subventionieren.
Der Bundeszuschuss für die versicherungsfremden Leistungen soll die Ausgaben decken, die die Krankenkassen allein deshalb haben, weil sie originäre Aufgaben des Staates übernehmen, wie beispielsweise die familienpolitischen Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft. Ein gleichbleibender Bundeszuschuss wird durch die Ausgabensteigerung schleichend entwertet. Hier muss die Politik mit einer regelhaften Dynamisierung des Bundeszuschusses gegensteuern. Für Süßigkeiten und Schnittblumen werden 7 Prozent Mehrwertsteuer berechnet, für oftmals lebenswichtige Medikamente müssen die Krankenkassen dagegen die vollen 19 Prozent bezahlen.
Das ist schlicht nicht nachvollziehbar. Deshalb haben wir die Erwartung an die Politik, die Mehrwertsteuer für Medikamente zu senken. Das wäre ein klares sozialpolitisches Signal und würde die Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenkassen um rund sechs Milliarden Euro im Jahr entlasten.“
Nachhaltige Stabilisierung der GKV einleiten – ergänzende Effizienzverbesserungen notwendig
Das Versäumnis der letzten Jahre, notwendige Wirtschaftlichkeitsverbesserungen mit
Strukturreformen vorzunehmen, darf nicht zulasten der Beitragszahlenden gehen. Wir begrüßen, dass der Gesetzentwurf auch Regelungen zur Ausgabenbegrenzung enthält. Allerdings sind die bisher geplanten Maßnahmen insgesamt nicht ausreichend.
Die umfassende ökonomische Krisensituation erfordert durchgreifende Maßnahmen. Deshalb müssen jetzt echte Strukturreformen auf den Weg gebracht werden, um die vorhandenen Effizienzpotentiale zu heben. Die bereits angekündigte Krankenhausreform muss auch als Chance zur Kostenentlastung genutzt werden
Themen:
LESEN SIE AUCH
Beitragszahlende nicht weiter belasten!
Allein, wenn die Ampelkoalition die bereits im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen zur GKV-Finanzierung umsetzte, würde das nicht nur einen großen Teil des Finanzproblems der GKV lösen, sondern die Lasten auch deutlich ausgewogener verteilen.
Entlasten statt Belasten
Die Hauptlast bei der Schließung der GKV-Finanzierungslücke von 17 Mrd. Euro soll erneut den Beitragszahlenden aufgebürdet werden. Der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes lehnt die vorgesehenen Maßnahmen ab und erwartet deutliche Nachbesserungen an dem Gesetz.
GKV-Zusatzbeitrag wird 2024 erneut leicht ansteigen
Im kommenden Jahr werden die Zusatzbeiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung wohl erneut ansteigen. Aus den Schätzergebnissen für das Jahr 2024 ergibt sich eine Erhöhung des rechnerischen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes um 0,1 Prozentpunkte auf 1,7 Prozent.
Beitragssatz und Zusatzbeiträge: So berechnen Gesetzliche Krankenversicherer ihre Beitragssätze
Die gesetzlichen Krankenkassen sind der Hauptleistungsträger der gesundheitlichen Versorgung in Deutschland. Durch die stetig wachsenden Beiträge sind sie in der Vergangenheit häufig in die Kritik geraten. Die Beitragssätze basieren auf verschiedenen allgemeingültigen Bemessungsgrundlagen und variieren doch von Anbieter zu Anbieter. So berechnen gesetzliche Krankenversicherer ihre Beiträge.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Lebensversicherung: ZZR-Rückflüsse bringen Spielraum
Zinsanstieg, ZZR-Rückflüsse und demografischer Wandel verändern das Geschäftsmodell der Lebensversicherer grundlegend. Die Branche steht finanziell stabil da – doch das Neugeschäft bleibt unter Druck.
Wiederanlage im Bestand: Versicherer verschenken Milliardenpotenzial
In Zeiten stagnierender Neugeschäftszahlen und hoher Leistungsabfüsse rückt der Versicherungsbestand zunehmend in den Fokus strategischer Überlegungen. Das gilt insbesondere für die Lebensversicherung: Dort schlummern ungenutzte Chancen, die Erträge stabilisieren und die Kundenbindung stärken könnten – wenn Versicherer systematisch auf Wiederanlage setzen würden. Der Text erschien zuerst im expertenReport 05/2025.
#GKVTag – Pflegeversicherung unter Reformdruck: Stabilität durch Solidarität
Drei Jahrzehnte Pflegeversicherung – eine sozialpolitische Erfolgsgeschichte mit strukturellen Rissen. Seit ihrer Einführung garantiert sie die Absicherung pflegebedürftiger Menschen und setzt dabei auf das Zusammenspiel von Solidarität und Eigenverantwortung. Doch mit wachsender Zahl Anspruchsberechtigter, einem Ausgabenvolumen von inzwischen 65 Milliarden Euro und einem Beitragssatz von 3,6 Prozent (zuzüglich Kinderlosenzuschlag) gerät das System an seine finanziellen Grenzen.
„Fünf Tierseuchen gleichzeitig – Tierhalter geraten weiter unter Druck“
Mit einem neuen Höchstwert von 96 Millionen Euro Schadenaufwand blickt die Vereinigte Tierversicherung (VTV) auf das bislang teuerste Jahr ihrer Geschichte zurück. Der Großteil der Schäden entstand durch Tierseuchen – allen voran durch die Blauzungenkrankheit, die allein 30 Millionen Euro kostete. Diese betraf 2024 vor allem Wiederkäuer-Bestände in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Hessen. Die VTV ist Marktführer in der landwirtschaftlichen Tierversicherung und Teil der R+V Gruppe.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.