Die US-Notenbank hat erneut ihre Entschlossenheit im Kampf gegen die Inflation deutlich gemacht. Sie erhöhte den Leitzins am 21. September 2022 um 75 Basispunkte auf eine Spanne von 3,0 bis 3,25 Prozent. Was bedeutet das für die Märkte?
Ein Kommentar von Ellen Gaske, Lead Economist, G10 Economies bei PGIM Fixed Income und Robert Tipp, Chief Investment Strategist und Head of Global Bonds bei PGIM Fixed Income.
Auch wenn weiterhin viel Ungewissheit bestehen bleibt, können aus der aktuellen Fed-Entscheidung mehrere Rückschlüsse für die Märkte gezogen werden:
1. Der Markt vertraut der Fed nicht
Trotz der dramatischen Neubewertung der letzten Wochen, die noch immer andauert, sind die 2-jährigen Treasuries in den letzten zwei Monaten um über 100 Basispunkte gestiegen. Die langfristigen Anleihen konnten im Vergleich zu Mitte Juni kaum neue Renditehöchststände erreichen. Tatsächlich fielen die Renditen langfristiger Staatsanleihen am Mittwoch aufgrund von Rückgängen sowohl bei den Inflationserwartungen (Breakeven) als auch bei den realen Renditekomponenten als Reaktion auf die restriktiven Ergebnisse.
Diese relative Stabilität der langfristigen Renditen deutet darauf hin, dass der Markt – unseres Erachtens völlig zu Recht – die Zusage der Fed ignoriert, die Inflation in den kommenden Jahren einzudämmen. Es ist daher möglich, dass sich die langfristigen Zinssätze bereits auf einem Niveau befinden, das sich als Höchststand in diesem Zyklus entpuppen könnte, es sei denn, es kommt zu einer höheren Neubewertung des Kurses der Fed.
2. Zinsen und Staatsanleiherenditen als Überdruckventil
Trotz der bisherigen Zinserhöhungen hat die Wirtschaft noch keinen klaren Kurswechsel vollzogen und die Inflation ist infolge der Nachfrage, die das Angebot deutlich übersteigt, bedenklich hoch. Solange diese wirtschaftliche Anspannung weiter anhält, werden der Leitzins und die Renditen kurzfristiger Staatsanleihen als Überdruckventil dienen, und die Zinserwartungen dürften noch nicht über den aktuellen Erwartungen liegen. Wir glauben zwar, dass genug eingepreist ist, aber es ist noch zu früh, um bei den kurzfristigen Treasury-Renditen von einem Höhepunkt zu sprechen.
3. Mandat des Inflationsziels
Die amerikanische Zentralbank ist ganz offenbar bereit, das Risiko einzugehen, die Arbeitslosigkeit in die Höhe zu treiben. So hat Jerome Powell sogar angedeutet, dass das Wirtschaftswachstum geopfert werden muss, um die Inflation auf das angestrebte Niveau zu bringen.
Inwieweit ist das jedoch ein Todesurteil für Aktien und Spread-Produkte? Ungeachtet der Schwäche vom 21. September liegen die Aktienkurse über und die Kreditspreads unter ihren Tiefstständen vom Juni. Dies deutet darauf, dass die Märkte die Wahrscheinlichkeit einer harten Landung jetzt nicht höher einschätzen als im Juni und spiegelt ein kleines Vertrauensvotum der Märkte wider, trotz der höheren Zinsen und der hartnäckigen Inflation. Das Glas der Risikobereitschaft ist also entweder halb leer oder halb voll, je nachdem, wie sich die Inflation entwickelt.
4. Der Kurs des US-Dollars hält weiter an
Während in den meisten Teilen der Welt viel über die Fundamentaldaten der hohen Inflation und der steigenden kurzfristigen Zinsen diskutiert wird, scheint die Lage in den USA weniger schlimm oder besser zu sein als anderswo, was die Währungen betrifft.
Infolgedessen war das Ergebnis der FOMC-Sitzung vom 21. September lediglich eine Fortsetzung des bestehenden Trends: Der US-Dollar legte im Durchschnitt zu, ohne dass sich dabei eine Änderung abzeichnete – sowohl gegenüber den Währungen der Industrieländer als auch gegenüber den Währungen der Schwellenländer.
Fazit
Die Fed hat ihre Entschlossenheit signalisiert, die Inflation zu senken und den erwarteten Verlauf des Leitzinses als Reaktion auf die höheren Messwerte weiter nach oben korrigiert. Der Markt hat jedoch nach wie vor Vertrauen in die Kompetenz der Fed, die Inflation zu stabilisieren.
Auch ist er der Ansicht, dass die langfristigen Renditen bereits ihren Höchststand in diesem Zyklus erreicht haben könnten, sofern die kurzfristigen Zinserwartungen nicht noch weiter ansteigen. Was die Risikobereitschaft anbelangt, so waren sowohl Aktien als auch Spread-Produkte nach dem Sitzungsergebnis zwar schwach, liegen aber immer besser also zu ihren Tiefstständen vom Juni.
Dies deutet darauf hin, dass sich die Risikobereitschaft mangels einer noch restriktiveren Fed und/oder eines sich verschlechternden fundamentalen Hintergrunds in einem Stabilisierungsprozess befinden könnte.
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