BaFin greift bei Turbo-Zertifikaten durch

Die BaFin hat eine Produktintervention für sogenannte Turbo-Zertifikate beschlossen. Ab Juni 2026 gelten neue Vorgaben für Anbieter und Vermittler, um Kleinanleger besser vor Verlusten zu schützen. Hintergrund sind alarmierende Untersuchungsergebnisse: Über 70 Prozent der Anleger erlitten in den vergangenen Jahren Verluste.

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Dr. Thorsten Pötzsch, Exekutivdirektor Wertpapieraufsicht und Asset-Management der BaFinDr. Thorsten Pötzsch, Exekutivdirektor Wertpapieraufsicht und Asset-Management der BaFinMatthias Sandmann / BaFin

Neue Transparenzpflichten für Anbieter und Vermittler

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat am 15. Oktober 2025 eine Produktinterventionsmaßnahme für Turbo-Zertifikate erlassen, die am 16. Juni 2026 in Kraft tritt. Ziel ist der Schutz von Kleinanlegern, die diese hochspekulativen Hebelprodukte häufig ohne ausreichendes Risikoverständnis handeln.

Künftig dürfen Emittenten, Anbieter und Intermediäre Turbo-Zertifikate nur noch unter strengen Bedingungen vertreiben. Sie müssen

  • eine standardisierte Risikowarnung anzeigen,
  • vor jedem Erwerb eine Wissensabfrage („Turbo-Basiswissen“) durchführen, die mindestens alle sechs Monate wiederholt wird,
  • und auf monetäre oder nicht-monetäre Anreize wie Ordergebührenermäßigungen oder Neukundenboni verzichten.

„Mit dieser Maßnahme stellen wir sicher, dass Kleinanleger sich über die besonderen Risiken von Turbo-Zertifikaten im Klaren sind, bevor sie investieren“, erklärt Dr. Thorsten Pötzsch, Exekutivdirektor Wertpapieraufsicht und Asset-Management der BaFin. „Turbo-Zertifikate können erhebliche Verluste verursachen – umso wichtiger ist es, Transparenz herzustellen und das Risikobewusstsein der Anleger zu schärfen.“

Verluste in Milliardenhöhe

Die Entscheidung folgt einer umfangreichen Marktuntersuchung. Laut BaFin erlitten 74,2 Prozent der Kleinanlegerinnen und Kleinanleger über einen Zeitraum von fünf Jahren beim Handel mit Turbo-Zertifikaten Verluste. Im Durchschnitt verloren sie 6.358 Euro – insgesamt summierten sich die Verluste auf mehr als 3,4 Milliarden Euro.

Die Aufsicht bemängelt insbesondere die hohe Komplexität der Produkte sowie aggressive Vermarktungspraktiken, die den spekulativen Charakter dieser Hebelprodukte häufig verschleiern.

Reaktion auf Anhörung: Frist verlängert

Bereits im Frühjahr 2025 hatte die BaFin den Entwurf ihrer Maßnahme veröffentlicht und eine öffentliche Anhörung gestartet. Bis Anfang Juli gingen 26 Stellungnahmen von Bürgern, Verbänden und Instituten ein. Nach deren Auswertung verlängerte die Behörde die Umsetzungsfrist von ursprünglich drei auf acht Monate.

„Mit der verlängerten Umsetzungsfrist berücksichtigen wir den hohen technischen und administrativen Aufwand der Institute“, erläutert Pötzsch. Viele Unternehmen hatten signalisiert, dass sie für die Implementierung der Risikowarnung und Wissensabfrage mehr Zeit benötigen.

Rechtsgrundlage und Ausblick

Die Maßnahme stützt sich auf Artikel 42 der europäischen Finanzmarktverordnung (MiFIR) sowie § 15 Absatz 1 Satz 2 WpHG. Diese Regelungen erlauben der BaFin, die Vermarktung, den Vertrieb oder den Verkauf von Finanzinstrumenten zu beschränken, wenn erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz bestehen.
Mit der Intervention folgt Deutschland dem Beispiel anderer EU-Länder, die bereits ähnliche Restriktionen für hochspekulative Finanzprodukte eingeführt haben.

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