Wie lange kann die Fed hawkish bleiben und wann wird sie einen Pivot machen? Im Juli/August hatten die Märkte mit sinkenden Inflationszahlen einen Wendepunkt bis zum Jahresende erwartet, doch das Treffen in Jackson Hole hat sie eines Besseren belehrt. Jetzt, da die Anleger davon überzeugt sind, dass die Fed und die EZB die Zinsen stärker als erwartet anheben werden, stellt sich die Frage, wie lange sie diese Position halten können und welche Auswirkungen dies auf die Märkte haben wird.
Ein Kommentar von Florian Ielpo, Head of Macro bei Lombard Odier Investment Managers zur bevorstehenden Fed-Sitzung am 20. und 21. September 2022
Vor dem Krieg in der Ukraine und dem daraus resultierenden Rohstoffschock war der US-Indikator zunächst gesunken und danach wieder gestiegen: Alle Lichter standen auf Grün, damit unsere Zentralbanker den Kampf gegen die Inflation aufnehmen konnten. Solange die Indikatoren nicht wieder unter ihre 45 Prozent-Schwelle fallen, sollten die Zentralbanken hawkish bleiben.
Was der Markt erwartet
Vor der Sitzung in Jackson Hole erwarteten die Märkte, dass die Fed die Zinsen auf bis zu 3,5 Prozent anheben, sie einige Monate lang beibehalten und dann aufgrund der erwarteten Rezession in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 senken würde. Nach der Fed-Sitzung wurde dieses Szenario dreifach revidiert:
Die Märkte wurden von der Fed davon überzeugt, dass Zinserhöhungen mittelfristig zu höheren Zinsen führen können, ohne dass die Wirtschaft schrumpft. Ist der Pivot also wirklich eine gute Nachricht, wenn er eintritt?
Ist Pivot eine gute Nachricht für die Märkte?
Was können wir bei einem solchen Szenario, dass die Fed ihre Leitzinserhöhungen bis zum ersten Quartal beendet, von den Märkten erwarten? Die Antwort auf diese Frage ist komplex und kann in zwei verschiedene Elemente unterteilt werden:
Einerseits belasten die raschen Zinserhöhungen, die wir erleben, und der damit einhergehende Anstieg der Realzinsen sowohl Aktien als auch Anleihen. Eine Mäßigung dieser Situation dürfte die meisten Märkte entlasten und könnte auch zu einer Normalisierung der Korrelationen führen. Für Manager von Multi-Asset-Portfolios wird diese Normalisierung ein erster Schritt in Richtung einer positiveren Gesamtperformance sein - eine Atempause.
Andererseits ist das, was die Zentralbanken wahrscheinlich von ihren Zinserhöhungen abbringen wird, wahrscheinlich etwas Schlimmeres als die Inflation. Das natürliche Ergebnis dieser Erhöhungen dürfte eine Rezession sein, und diese Rezession dürfte sich negativ auf die Kreditausfälle und die Gewinne auswirken. Die Kombination dieser Elemente im Kontext eines diversifizierten Portfolios bedeutet, dass die Duration wahrscheinlich zum einzigen Versteck wird, was eine klassische Episode der "Flucht in die Qualität" nach sich ziehen wird.
Einfach ausgedrückt könnte der Pivot der Zentralbanken sehr wohl in den nächsten 6 bis 9 Monaten eintreten, wie es die Märkte nun erwarten. An dem Tag, an dem er stattfindet, wird es keine gute Nachricht sein, da bis dahin eine Rezession im Gange sein dürfte.
Themen:
LESEN SIE AUCH
DIVA-Umfrage: Sparer sind bei der Geldanlage überfordert
Die Inflation macht sich inzwischen für viele direkt im Geldbeutel bemerkbar. Aber auch die Zinsen für Geldanlagen und Kredite sind in Bewegung gekommen. Wie die Bundesbürger mit ihrer Geldanlage auf die stark veränderten Rahmenbedingungen reagieren.
Die Fed, die EZB und der Beinahe-Crash der Banken
Die Spannungen bezüglich der US-Regionalbanken, die SVB-Pleite und die Übernahme der Credit Suisse als Ansteckungspunkt in Europa sind eine indirekte Folge und ein unerwünschter Nebeneffekt im Kampf gegen die Inflation, den Fed und EZB um jeden Preis führen wollten.
Feiern festverzinsliche Wertpapiere ein Comeback?
2023 könnte eher ein Jahr der Anleihen als eines der Aktien werden. Möglicherweise lebt sogar die altbekannte negative Korrelation zwischen Anleihe- und Aktienrenditen wieder auf. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist durch die Zinserhöhungen gestiegen.
Wind aus den Segeln der internationalen Aktienmärkte
Die Aktienmärkte verzeichnen leichte Verluste, während die US-Futures vor der Eröffnung unverändert sind. Die Erholungsrallye hat an Schwung verloren, was nach dem letzten Arbeitsmarktbericht verständlich ist. Das heißt nicht, dass der Optimismus nicht zurückkehren kann.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
In der Steuerung des Kreditrisikos liegt ein strategischer Hebel
Protektionismus, Handelskonflikte, geopolitische Risiken – die Unsicherheit an den Märkten bleibt hoch. Passive Kreditstrategien stoßen in diesem Umfeld schnell an ihre Grenzen. Warum gerade aktives Management und ein gezielter Umgang mit Kreditaufschlägen den Unterschied machen können, erklärt Jörg Held, Head of Portfolio Management bei Ethenea.
Mehrheit befürwortet Rüstungsinvestments – Akzeptanz steigt auch bei nachhaltigen Fonds
Private Geldanlagen in Rüstungsunternehmen polarisieren – doch laut aktueller Verivox-Umfrage kippt die Stimmung: 56 Prozent der Deutschen halten solche Investments inzwischen für legitim. Auch nachhaltige Fonds greifen vermehrt zu.
PKV-Initiative „Heal Capital 2“: Neuer Fonds, neue Investoren, neue Start-ups
Digitale Wartung, KI-Zertifizierung, stärkere europäische Vernetzung: Der PKV-Investitionsfonds Heal Capital geht mit neuer Schlagkraft an den Start – und will die digitale Versorgung nachhaltig verändern. Doch welche Start-ups profitieren zuerst?
„Was zu gut klingt, um wahr zu sein, ist es meistens auch“
Von unseriösen Werbeversprechen bis KI-Euphorie: Im zweiten Teil des Interviews mit Tim Grüger geht es um Trends im Daytrading, die Erwartungen von Kunden und den Kampf gegen Finanz-Fake-News. Plus: Was TradingFreaks für die Zukunft plant – und welchen Rat der Gründer Anfängern mit auf den Weg gibt.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.