Die Rentenpläne der Regierungsparteien sind, was die gesetzliche Rente angeht, recht klar. Sie soll insgesamt gestärkt und das Umlageverfahren um eine Aktienrente ergänzt werden. Die Pläne zur privaten Altersvorsorge hingegen sind diffuser und lassen viele Fragen offen.
Im Koalitionsvertrag findet sich dazu ein Prüfauftrag für einen öffentlich verantworteten Fonds, offensichtlich verbunden mit der Absicht, über ein Obligatorium für alle, um in der privaten Altersvorsorge mehr Raum für Aktieninvestments zu geben.
Das Deutsche Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) hat im Rahmen des halbjährlich durchgeführten DIVAX Altersvorsorge-Index gefragt, welche Arten der privaten Altersvorsorge die Menschen in Deutschland bevorzugen. Die Ergebnisse liefern der Politik aufbauend auf dem Koalitionsvertrag hilfreiche Erkenntnisse dazu, ob und wie die private Altersvorsorge reformiert werden sollte.
Bürger haben unterschiedliche Präferenzen und Ausgangssituationen
Das entscheidende Ergebnis der Befragung dürfte mit Blick auf die Pläne der Regierungsparteien die große Breite der Vorsorgewünsche der Bürgerinnen und Bürger sein: Die beliebteste Form der Altersvorsorge ist für 66,1 Prozent der Befragten die selbstgenutzte Immobilie. Mit 63,1 Prozent folgt dicht darauf bereits die private Rentenversicherung mit Garantie. Auch der Abstand zu Aktien beziehungsweise Aktienfonds (54,3 Prozent der Nennungen) ist nur moderat.
Die Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger bei ihrer privaten Vorsorge seien sehr unterschiedlich und individuell, so Prof. Dr. Michael Heuser, Wissenschaftlicher Direktor des DIVA:
Die breite Streuung der Absicherungswünsche ist ein Indiz dafür, dass die Bürger bei der privaten Altersvorsorge auf ihre individuelle Situation blicken. Das ist naheliegend.
Denn wer beispielsweise eine hohe gesetzliche Rente erwarte, werde sich bei der ergänzenden privaten Altersvorsorge eher für Aktien und Immobilien und weniger für eine zusätzliche private Rente interessieren. Wer hingegen wenig gesetzliche Rente bekommen werde, müsse zunächst das Alterseinkommen absichern. Dafür eigne sich die Privatrente mit Garantie am besten, so Heuser.
Zusätzliches Obligatorium geht an den Interessen der Bürger vorbei
Mit Blick auf die Pläne der Regierungsparteien stellt sich damit die Frage nach der Bürgernähe eines Staatsfonds mit Obligatorium in der privaten Altersvorsorge, in den alle Bürger einzahlen müssten. Dr. Helge Lach, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Vermögensberater (BDV), kommentiert:
Vieles spricht dagegen, neben der gesetzlichen Rente eine zweite Pflichtversicherung für die Rente einzuführen - und das auch noch in der privaten Säule.
Schon heute werden den Bürgern per Zwang fast 10 Prozent vom Brutto für die gesetzliche Rente abgenommen, mit Arbeitgeberanteil sind es aktuell 18,6 Prozent. Am meisten träfe eine weitere Pflichtversicherung die Geringverdiener, denn die haben schon heute zu wenig Netto. Und die anderen haben im Zweifel längst individuell privat vorgesorgt, vertieft Lach. Er ist der Ansicht, dass man die Bürger selbst entscheiden lassen sollte, auf welche Art sie vorsorgen. Nur so bleibe die Individualität erhalten. Er erklärt:
Ein Staatsfonds kann das nicht leisten, denn bei diesem würde nicht mehr der einzelne Bürger für sich selbst, sondern der Fondsverwalter für alle entscheiden, auf welche Art Vorsorge aufgebaut wird.
Die zusätzlichen Zwangsbeiträge würden außerdem bei vielen dazu führen, dass kein Geld mehr übrig bleibe, um zum Beispiel für die eigenen vier Wände zu sparen, ergänzt der BDV-Vorsitzende.
„Opt-Out“ verfängt nicht
Die im Koalitionsvertrag enthaltene Möglichkeit, sich einem Obligatorium durch Nachweis einer alternative Vorsorgemaßnahme zu entziehen („Opt-Out“), hat nach Ansicht von Heuser Schwachstellen, denn es bliebe nichts anderes übrig, als das Obligatorium, so wie die gesetzliche Rente, über die Arbeitgeber abzuwickeln:
Gerade kleine Betriebe müssten dann die sonst von den Vermittlern übernommenen Beratungs- und Abwicklungsleistungen und -kosten der Vermittler übernehmen. Das würde viele überfordern.
Auch bei der Umsetzung würde das Subsidiaritätsprinzip verlassen, denn staatliche Fonds hätten vordergründig immer Kostenvorteile, weil bei einem staatlichen Obligatorium Werbung und Beratung wegfielen und der Staat zudem keine Eigenmittel nachweisen müsse, erklärt Heuser. Ein „Level-Playing-Field“ sei das nicht. Die Privatwirtschaft käme ins Hintertreffen.
Plädoyer für das Riester-Sparen
Fasst man die Befragungsergebnisse und Schlussfolgerungen zusammen, rückt das Riester-Sparen in ein ganz neues, positives Licht. Denn die Bürger können entsprechend ihrer Präferenzen frei wählen: Riester-Rente, Fondssparplan oder Wohn-Riester decken ein breites Spektrum ab. Alle Formen werden mit denselben staatlichen Zulagen gefördert.
Damit spiegelt das Riester-Sparen genau das Bild der Heterogenität der Präferenzen und der Individualität der Ausgangssituationen in der Bevölkerung wider. Außerdem profitieren gerade Bürger mit niedrigen Einkommen besonders, ein sozialpolitisch sehr wünschenswerter Effekt, den es so nur beim Riester-Sparen gibt. Denn die sonst übliche staatliche Förderung über die Steuer kommt im Regelfall bei dieser Bevölkerungsgruppe nicht an.
Lach konstatiert, dass seit Jahren die Anbieter der gesamten Finanzwirtschaft die Politik bitten, das Riester-Sparen zu reformieren, also die Bruttobeitragsgarantie abzuschwächen oder abzuschaffen und das Zulagenverfahren sowie die Förderbedingungen zu vereinfachen.
Bisher sei nichts geschehen, vielleicht, weil Teile der Politik der Finanzwirtschaft immer noch Eigeninteresse unterstellen. Das könne aber gar nicht mehr sein, denn fast alle Anbieter seien inzwischen vom Markt verschwunden. Vielleicht geben die Meinungen der Bürger einen erneuten Anstoß, hofft Lach.
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