Anordnung einer Impfpflicht gegen Corona: Darf der Arbeitgeber das?

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Als Arbeitgeber stellt sich auch jeder Versicherungsmakler die Frage, ob im Arbeitsverhältnis die Einführung einer Impfpflicht gegen Corona wirksam eingeführt werden darf und wie insbesondere die Konsequenzen bei einer Verweigerung sind.

Anordnung einer Impfpflicht gegen Corona im Arbeitsverhältnis?!

Ein Beitrag von Stephanie Has, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Koch & Boikat, Nordhausen

1. Gesetzliche Impfpflicht

Nach § 20 Abs. 6 IfSG ist das Bundesministerium für Gesundheit ermächtigt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anzuordnen, dass bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist.

Solange das Bundesministerium für Gesundheit von der Ermächtigung nach Absatz 6 keinen Gebrauch macht, sind die Landesregierungen zum Erlass einer Rechtsverordnung nach Absatz 6 ermächtigt. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die obersten Landesgesundheitsbehörden übertragen. Bislang wurde eine solche Impflicht ausschließlich gegen Masern angeordnet.

Eine gesetzliche Pflicht gegen das Covid-19-Virus sieht das Gesetz hingegen nicht vor. Die Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (CoronaImpfV) sieht lediglich vor, dass Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland in der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung versichert sind, sowie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland haben, einen Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus im Rahmen der Verfügbarkeit der vorhandenen Impfstoffe haben.

Eine entsprechende Anordnung durch das Bundesministerium für Gesundheit sowie durch die Landesregierungen oder Landesgesundheitsbehörden, welche eine Impfpflicht vorsieht, besteht aktuell nicht. Damit handelt es sich bei der Impfung gegen das Covid-19-Virus um eine freiwillige Impfung.

2. Arbeitsvertragliche Impfpflicht

Eine im Arbeitsvertrag verankerte Verpflichtung zur Impfung gegen das Corona-19-Virus unterliegt der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB.  Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dann unwirksam, wenn sie entgegen den Geboten von Treu und Glauben den anderen Vertragspartner unangemessen benachteiligen.

Dabei sind insbesondere bei einer Angemessenheitskontrolle auch die verfassungsrechtlichen Wertungen nach der Lehre von der Schutzgebotsfunktion der Grundrechte zu berücksichtigen (BAG 16.03.1994 NZA 1994, 937).  Darin ist das Interesse des Arbeitgebers, welches momentan darin besteht, dass der Beschäftigte selbst nicht schwer erkrankt gegenüber dem Selbstbestimmungsrecht und der körperlichen Integrität des Beschäftigten abzuwägen.

Aufgrund der derzeitig wissenschaftlichen Erkenntnisse schützt eine Impfung lediglich den Geimpften vor einer Ansteckung. Wissenschaftlich nicht erwiesen ist hingegen, ob dadurch auch die Verbreitung ausgeschlossen wird.

Darüber hinaus ist auch bei jedem Grundrechtseingriff, wie vorliegend der Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, eine Interessenabwägung durchzuführen.

Zwar trifft den Beschäftigten grundsätzlich eine Treue- und Rücksichtnahmepflicht, infolgedessen er die Rechtsgüter des Arbeitgebers und seiner Kollegen zu schützen hat, die bislang angebotene Impfung schützt allerdings unmittelbar nur den geimpften Arbeitnehmer selbst, sodass sich hieraus keine Impfpflicht ergeben kann.

Sollte die Impfung nachweislich davor schützen, andere zu infizieren, so müsste im Einzelfall geprüft werden, ob es mildere Mittel zur Erreichung des betrieblichen Schutzes gibt. Darunter fällt etwa die Durchführung von Home-Office und das AHAL-Konzept (Abstand-Hygiene-Alltagsmasken beziehungsweise FFP 2-Maske-Lüften).

3. Impfpflicht durch Weisung

Das Direktionsrecht nach § 106 GewO ermöglicht es, den Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung einseitig zu bestimmen, sofern die Weisung billigem Ermessen entspricht. So hat jedoch auch hier das BAG entschieden, dass eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach dem verfassungsrechtlich und der gesetzlichen Wertentscheidung, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit entsprechen muss.

Eine Impfpflicht, die tief in die körperliche Unversehrtheit eingreift, geht weit über das hinaus, was normalerweise im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber einseitig (Art, Ort, Zeit der Arbeitsleistung) angeordnet werden kann.

So sind mildere Mittel, wie das Fiebermessen vor Betreten des Betriebes, die regelmäßige Testung, Nutzung von Desinfektionsmitteln und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, die eine Verbreitung des Coronavirus vergleichbar verhindern können, vorzuziehen und auch einseitig durch den Arbeitgeber anzuordnen.

Eine einseitige Anordnung der Pflicht zur Impfung gegen das Corona-19-Virus greift, wie bereits unter Ziffer 2. aufgeführt, gravierend in die Grundrechte der Arbeitnehmer ein. Ein Rechtfertigungsgrund, ist ausschließlich durch die Einwilligung des Arbeitnehmers oder durch die gesetzliche Pflicht gerechtfertigt.

4. Arbeitsvertragliche Nebenpflicht

Auch aus der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht des Arbeitnehmers folgt keine Impfpflicht. Diese steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis und greift sehr tief in das Persönlichkeitsrecht eines einzelnen Arbeitnehmers ein.

5. Arbeitgeberseitig ausgeübte Druck

Auch sollte der Arbeitgeber es vermeiden Druck auf die Belegschaft aufzubauen. Eine erzwungene Impfpflicht stellt nicht nur eine strafbare Körperverletzung dar. Sondern die in Aussichtstellung von arbeitsrechtlichen Sanktionen (Abmahnung, Kündigung etc.) oder anderen Nachteilen können den Straftatbestand der Nötigung erfüllen. Der Arbeitgeber sollte hier also sehr vorsichtig sein und bestenfalls eine Impfempfehlung aussprechen.

6. Arbeitsrechtliche Konsequenzen bei Impfverweigerung

a. Hausverbot

Unabhängig von dem Bestehen einer Impfpflicht haben Arbeitgeber das Hausrecht über ihre Betriebe. Dies ermöglicht es grundsätzlich, im Einzelfall darüber zu entscheiden, wem der Zutritt gewährt wird und wem nicht. Damit könnte das Hausrecht prinzipiell als Instrument genutzt werden, um nur noch solchen Beschäftigten den Zugang zum Betrieb zu gestatten, die ihrerseits zuvor einen Impfnachweis erbringen.

In diesem Zusammenhang ergäben sich aber bereits datenschutzrechtliche Probleme, weil die von Arbeitgeber geforderte Auskunft zum Impfstatus ihrer Mitarbeiter als schützenswerte Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu bewerten sind.

Die wesentliche Problematik dürfte für Arbeitgeber aber in dem gesetzlichen Maßregelungsverbot gem. § 612 a BGB bestehen, wonach eine Benachteiligung von Beschäftigten untersagt ist, wenn sie zulässigerweise ihre Rechte ausüben. In Ermangelung einer gesetzlichen Impfpflicht ist genau hiervon auszugehen, sofern sie die Auskunft über eine etwaig erfolgte Impfung verweigern. Selbst wahrheitswidrige Angaben müssten rechtlich ohne Konsequenz bleiben, weil auch in anderem Zusammenhang gegenüber Arbeitgeber auf nicht zulässige Fragen sanktionslos gelogen werden darf.

Ein arbeitgeberseitiges Zutrittsverbot wegen des fehlenden Nachweises über eine durchgeführte Impfung wäre von Rechtswegen zwar dennoch zu beachten, hieran knüpfte sich dann aber insbesondere der sog. Annahmeverzug als rechtliche Konsequenz. Damit bliebe also der Vergütungsanspruch der Beschäftigten erhalten, die ihre Arbeitsleistung allein deshalb nicht erbringen können, weil deren Arbeitgeber den Zutritt zum Betrieb wegen eines fehlenden Impfnachweises untersagen.

Zudem gilt es zu beachten, dass Arbeitnehmer auch grundsätzlich einen Anspruch auf faktische Beschäftigung haben, der somit unabhängig davon besteht, ob Arbeitgeber ihrer Vergütungspflicht im Stadium des Annahmeverzuges tatsächlich nachkommen. Dieser Anspruch könnte ebenso wie der Anspruch auf Vergütung bei einer etwaig ausgesetzten Gehaltszahlung mit gerichtlicher Hilfe durchgesetzt werden.

b. Abmahnung/Kündigung

Wenn es aus den gezeigten Gründen nicht möglich ist, eine Impfung der Beschäftigten rechtlich und tatsächlich zu realisieren, stellt sich die Frage, ob sich Arbeitgeber im Wege einer Kündigung von dem Arbeitnehmer trennen können, die für sich eine Impfung ablehnen.

Die rechtliche Abwesenheit einer Impfpflicht hat zunächst einmal zur Folge, dass die Ablehnung einer Impfung kein Pflichtverstoß sein kann. Damit entfällt von vornherein die Möglichkeit, eine solche Haltung als begründeten Anlass für eine verhaltensbedingte Kündigung zu nehmen. Aus demselben Grund wäre schon eine Abmahnung insoweit nicht statthaft, weil dies ebenfalls einen Verstoß gegen bestehende Pflichten zur Voraussetzung hätte, die im Zusammenhang mit einer Impfung gerade nicht bestehen.

Allerdings könnte die streitgegenständliche Kündigung mit einem personenbedingten Grund gerechtfertigt sein. Auf einen Pflichtverstoß kommt es hierbei nämlich nicht an.

Zudem erscheint es vorstellbar, dass nicht allein die Arbeitgeber eine durchgängige Impfung wünschen, sondern dies auch die Gruppe der impfwilligen Beschäftigten sowie der Kunden verlangen, welche den persönlichen Kontakt zum Makler suchen und gleichzeitig den Makler durch ihre Ankündigung unter Druck setzen, dass sie andernfalls ihr Vertragsverhältnis durch eine Eigenkündigung beenden werden.

Die Rechtmäßigkeit jeder Kündigung wird jedoch u.a. an ihrer Verhältnismäßigkeit gemessen. Deshalb sind Arbeitgeber verpflichtet, alle zumutbaren und geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, die im Rahmen der betrieblichen Interessen eine Kündigung vermeiden helfen (Bundesarbeitsgericht Urt. v. 12.07.2007 – 2 AZR 716/06).

Die soziale Rechtfertigung einer personenbedingten Kündigung gegenüber nicht zur Impfung bereiten Personen wird aber jedenfalls daran scheitern, dass aktuell keine gesicherte Erkenntnis darüber besteht, ob und inwieweit eine Impfung die Infektionsgefahr zulasten anderer überhaupt ausschließt. Nach zutreffender Ansicht fehlt es damit schon an der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorausgesetzten nachweislichen Geeignetheit der entsprechenden Maßnahme.

7. Fazit

Es bleibt insgesamt ein abgestuftes Vorgehen zu empfehlen und zunächst auf eine freiwillige Impfteilnahme und einen freiwilligen Nachweis der Beschäftigten zu setzen. Hierbei können Unternehmen Anreize für eine freiwillige Impfung, zum Beispiel durch Zahlung von Impfprämien, schaffen.

Sowohl eine gesetzliche als auch arbeitsvertragliche Impfpflicht ist aufgrund der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse jedoch unzulässig.