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Die Deutsche Aktuarvereinigung e.V. (DAV) betrachtet Künstliche Intelligenz als einen bedeutenden technologischen Entwicklungsschritt, welcher der Versicherungswirtschaft viele Chancen eröffnet. Dennoch bedarf es auch einer geeigneten Regulierung und technologieoffener Kontrollmechanismen. Aktuarinnen und Aktuare können einen wichtigen Beitrag leisten, KI in der Branche zu etablieren.
Am Rande einer Podiumsdiskussion, die auf der DAV/DGVFM Jahrestagung in Berlin zum Thema „Was kann KI, was soll KI, was darf KI?“ stattfand, äußert sich Daniela Rode, DAV-Vorständin und Ausschussvorsitzende Actuarial Data Science zu den Chancen Künstlicher Intelligenz speziell in der Versicherungswirtschaft: „Wir sehen ganz klar die positiven Aspekte, die mit den Möglichkeiten eines KI-Einsatzes einhergehen.“ So seien beispielsweise auf einer damit verknüpften umfassenderen Datengrundlage auch Hinweise zu Präventionsmaßnahmen und damit zur Schadenverminderung denkbar:
„Eine größtmögliche Schadenvorbeugung ist nach wie vor wesentlich. Wenn durch den Einfluss von Künstlicher Intelligenz individualisierte und wirksamere Präventionsempfehlungen gegeben werden können, ist das daher ein großer Mehrwert.“
KI biete darüber hinaus die Chance, dass Daten in Zukunft besser analysiert und damit gegebenenfalls auch bisher noch nicht versicherbare Risiken abgesichert werden können. Außerdem kann der Versicherungsschutz mit seinen Leistungen und Services noch besser auf den Bedarf der Versicherten angepasst werden. „Die Aktuarinnen und Aktuare rechnen vor allem aber mit Prozessoptimierungen bei den Versicherern“, so Daniela Rode weiter. „Das betrifft zum Beispiel digitale Abschlussmöglichkeiten, eine schnelle und effiziente Schadenabwicklung oder die Leistungsregulierung.“
Risiken entgegenwirken
Natürlich sind mit Künstlicher Intelligenz in dem Kontext auch Risiken verbunden. Zum einen können Kriminelle die dadurch entstehenden Möglichkeiten für ihre Zwecke nutzen. Dem muss insbesondere in der Schadenregulierung ein besonderes Augenmerk geschenkt werden. Auch hier helfen wiederum KI-Anwendungen, um diesen adäquat entgegenzutreten. „Die Technologie kann dann dafür eingesetzt werden, Versicherungsbetrug zu erkennen und einzudämmen“, so die DAV-Vorständin. Zum anderen gibt es im Kontext von Versicherungen gelegentlich den Einwand, dass KI, wenn sie auf unvollständigen oder fehlerhaften Daten trainiert wurde, unbeabsichtigt Diskriminierung begünstigen könne. Daniela Rode: „Wenn der Einsatz von KI mit einer angemessenen Governance einhergeht, kann dies sogar einer Objektivierung Vorschub leisten und diskriminierungsfreie Entscheidungen zusätzlich stärken. Um Risiken einzudämmen und Vertrauen zu schaffen, ist es essentiell, dass Menschen mit hoher Kompetenz an den richtigen Schnittstellen agieren. Aktuarinnen und Aktuare sind schon jetzt diejenigen, die bei der Interpretation von Daten genau solche Fehlauslegungen verhindern.“
Domänenwissen der Aktuarinnen und Aktuare bietet Chancen
Der Berufsstand der Aktuarinnen und Aktuare wacht über das Versichertenkollektiv und die Versicherbarkeit von Risiken. Das bedeutet auch, dass sich die DAV als Vereinigung verpflichtet sieht, bei aktuellen Entwicklungen mit voranzugehen und prägend daran mitzuwirken. Dazu zählt auch das Thema Künstliche Intelligenz und Data Science. Ein Ausdruck dessen ist etwa die gezielte Weiterbildung zum Certified Actuarial Data Scientist (CADS), die die DAV anbietet, also zum versicherungsmathematischen Spezialisten an der Schnittstelle von Datenverarbeitung, Datenschutz, Data Science-Anwendungen und Programmierung. Daniela Rode:
Aktuarinnen und Aktuare können, wie schon ausgeführt, potenziell diskriminierende Ergebnisse schnell erkennen und gegensteuern. Sie sind mit ihrer breiten Daten-, Modellierungs- und Methodenexpertise aber auch prädestinierte Ansprechpartner bei der Frage nach Erklärbarkeit von KI-Modellen. Letztere dient nicht zuletzt dem so wichtigen Vertrauen in ihre Anwendung.
Ein entscheidendes Merkmal, weshalb der Berufsstand bei der Implementierung von KI-Anwendungen eine wichtige Rolle spielen sollte, sieht die DAV-Vorständin aber auch im hohen Domänenwissen in den jeweiligen Sparten, über das Aktuarinnen und Aktuare verfügen: „Damit können Aktuarinnen und Aktuare zu einem fachlich stimmigen Ansatz bei der Implementierung von KI in der Versicherungsbranche beitragen. Bei einer möglichen Selbstregulierung stehen sie den Versicherern beratend zur Seite.“
Regulatorik konsistent halten
Wichtig ist es aus Sicht der DAV, dass die bereits jetzt umfassenden Regularien, denen die Versicherungsbranche unterliegt, berücksichtigt werden sollten. So hält Daniela Rode fest: „Eine Regulierung von KI ist begrüßenswert, da sie Rechtssicherheit und Vertrauen schafft. Bei der Umsetzung der Vorgaben des mittlerweile verabschiedeten AI Acts sollte aber in jedem Falle die Konsistenz zu zahlreichen schon bestehenden Gesetzen eine Zielsetzung sein.“ Dazu zählen bereits viele Anwendungen abdeckende gesetzliche Regelungen wie das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), das Versicherungsvertragsgesetz (VVG), die Insurance Distribution Directive (IDD), Solvency II, das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) oder die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). „Dabei muss dringend darauf geachtet werden, die bisherige Technologieoffenheit von Gesetzen und Aufsicht zu wahren, wie es zum Beispiel die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) verfolgt“, so Rode.
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