Verwendung selbst akquirierter Kundendaten nach Beendigung des Handelsvertretervertrages
Der BGH hat mit Urteil vom 26.02.2009 (Az.: I ZR 28/06) zur Verwendung von selbst akquirierten Kundendaten nach einer Beendigung des Handelsvertretervertrages entschieden.
Damit schuf der BGH die Grundzüge der sogenannten „Gedächtnisrechtsprechung“.
Sachverhalt
In dem vorliegenden Fall hatte ein Versicherungsunternehmen gegen einen Versicherungsvertreter einen Anspruch auf Auskunftserteilung, Schadensersatz, sowie Unterlassung, Löschung und Herausgabe der gespeicherten Kundendaten geltend gemacht.
Seit dem Jahr 1991 hatte der Versicherungsvertreter Versicherungsverträge an das Unternehmen vermittelt. Im Anschluss an die Beendigung des Handelsvertretervertrages soll der Versicherungsvertreter rund 450, von ihm geworbene Kunden, angeschrieben haben.
Dabei soll er das Ziel verfolgt haben diesen Personen neue Versicherungen zu vermitteln. Der Versicherungsvertreter hingegen war der Ansicht, er dürfe diese Kunden mit den Anschriften, welche aus seinen eigenen Aufzeichnungen stammten, kontaktieren.
Entscheidung
Der BGH stellt fest, dass eine Versicherungsvertreter Kundendaten, die ein Geschäftsgeheimnis des Versicherers darstellen, nach der Beendigung des Handelsvertretervertrages nicht schon deswegen verwenden darf, weil er diese Kunden selbst geworben hat.
Einem Versicherungsvertreter ist es zwar gestattet die während der Tätigkeit erworbenen Kenntnisse später uneingeschränkt zu verwenden, wenn er keinem Wettbewerbsverbot unterliegt. Dies beschränkt sich allerdings auf Informationen, welche der Versicherungsvertreter im Gedächtnis hat oder die sich in Quellen befinden auf die in befugter Weise zugreifen kann.
Als solche Quellen sind schriftliche Aufzeichnungen aus dem Tätigkeitszeitraum jedoch nicht anzusehen.
Zudem müsste die Regelung des § 90 HGB berücksichtig werden wonach Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, welche einem Versicherungsvertreter anvertraut oder im Rahmen seiner Tätigkeit bekannt geworden sind, nach Beendigung des Handelsvertretervertrages nicht verwerten oder anderen mitteilen darf, wenn dies nach den gesamt Umständen der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmanns widerspricht.
Daher ist es unbeachtlich, dass die Informationen über die Kunden dem Versicherungsvertreter dadurch bekannt geworden sind, dass er diese selbst zuvor geworben hat.
Des Weiteren ist nach § 667 BGB ein Versicherungsvertreter nach Beendigung des Handelsvertretervertrages verpflichtet alle Kundenanschriften an das Versicherungsunternehmen herauszugeben.
Dabei bezieht sich die Herausgabepflicht auf alle Informationen, welche aus der Tätigkeit für das Versicherungsunternehmen, erlangt worden sind. Folglich sind von der Herausgabepflicht auch Daten von selbst geworbenen Kunden des Versicherungsvertreters erfasst.
Fazit
Wechseln Versicherungsvertreter innerhalb der Ausschließlichkeit von einem Versicherer in die Vertriebsstruktur eines anderen Versicherers, so sollten sie sich bewusst sein, dass viele Versicherer die Konkurrenztätigkeit des ehemaligen „Kollegen“ oftmals durchaus interessiert beobachten.
Gerade wenn dann auch noch bisher durch den Versicherungsvertreter betreute Versicherungsnehmer zur Konkurrenz wechseln, nehmen dies Versicherer oftmals zum Anlass die genauen Hintergründe dieser Abwerbungen zu ergründen und ggf. rechtlich zu überprüfen.
Neben den Regelungen des UWG liegt dabei dann auch oftmals ein Augenmerk darauf, vorher die Kundendaten stammen, auf deren Grundlage dem Versicherungsvertreter eine Abwerbung möglich gewesen ist.
Gerade wenn es sich bei den Versicherungsnehmern nicht mehr um Angehörige des engsten Umfeldes des Versicherungsvertreters handelt, kann schon kritisch hinterfragt werden, ob der Versicherungsvertreter diese Daten tatsächlich in seinem Gedächtnis hatte.
Soweit Versicherer dies tun, steht die unter anderem im Handelsvertreterrecht spezialisierte Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow betroffenen Versicherungsvertretern gerne zur Verfügung.
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