Keine Spekulation mit dem Tod durch Übertragung der LV

Keine Spekulation mit dem Tod durch Übertragung der LV
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Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 27. Juni 2018, Az. IV ZR 222/16) entschied, dass für die Versicherung des Lebens eines anderen es auch später der Zustimmung dieser versicherten Person (VP) bedarf.

Dies gilt nicht nur für den ursprünglichen Vertragsabschluss, sondern auch wenn nur die Todesfallleistung übertragen werden soll, oder (bei Begünstigung im Todesfall des Versicherungsnehmers) dieser wechseln soll, zum Beispiel bei Verkauf im Zweitmarkt.

Todesfallleistung der Lebensversicherung für Beerdigungskosten nicht betroffen

Handelt es sich beim Leistungsversprechen des Versicherers (VR) der Höhe nach nur um gewöhnliche Beerdigungskosten, so braucht es keine Zustimmung der VP. Ist ausschließlich eine Leistung auf den Todesfall vereinbart, so sind Versicherungssummen bis 3.579 Euro pfändungsfrei und insolvenzfest, § 850b ZPO.

Keine Zustimmung der Versicherten Person bei Übertragung der Erlebensfallleistung

Aus § 150 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ergibt sich laut BGH:

„Bei einer Lebensversicherung auf den Tod eines anderen erfordert die Übertragung der Versicherungsnehmerstellung oder der Bezugsberechtigung im Erlebensfall – anders als eine Änderung des im Todesfall Begünstigten – keine Einwilligung der versicherten Person in entsprechender Anwendung von § 150 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VVG.“

Lebensversicherer ignoriert Änderungsantrag des Versicherungsnehmers

Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala
Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala

Der VR kann derartige (unwirksame) Änderungsanträge hinsichtlich der Todesfallleistung schlicht ignorieren, ohne sich schadensersatzpflichtig zu machen. Im konkreten Fall hatte der vermeintlich neue Begünstigte der Todesfallleistung ein formell unwirksames Schenkungsversprechen erhalten. Der unwirksame Versuch einer Bezugsrechtsänderung führte dazu, dass die Schenkung nicht erfüllt wurde und damit ebenfalls unwirksam geblieben war. Dies gilt auch bei Verkauf mit Abtretung einer Lebensversicherung (LV) an einen Aufkäufer, wenn dem VN die Todesfallleistung bei Tod einer anderen VP zusteht – der Aufkäufer geht dann leer aus.

Freilich hätte Anlass bestanden den VN zu beraten, § 6 VVG. Dies führt dann zur Schadensersatzpflicht des VR – aber wenn der Kläger es nicht vorträgt, verjährt dies eben.

Bezugsrechtsänderungen erfordern Absicherungen innerhalb und außerhalb des Testaments

Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungs-mathematik
Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik

Kapitalanleger sind überrascht, wenn der „Lebensversicherungs-Zweitmarkt-Investmentfonds“ derartige rechtliche Fallen gemäß einer Rückfrage noch gar nicht erkannt beziehungsweise geprüft hat. Das Geld des Anlegers ist dann durch Rechtsirrtum der Fondsgesellschaft erst mal verloren gegangen.

Genauso kann es sein, dass die Erben das eingeräumte Bezugsrecht später widerrufen, womit speziell begünstigte außereheliche Lebenspartner oder ausdrücklich ein Kind von mehreren „mit dem Ofenrohr ins Gebirge blicken“ dürfen. Auch jene Erblasser, die versucht hatten, den Pflichtteil über Lebensversicherungen (gerne im Ausland so als Option angepriesen) zu gestalten, werden sich im Grabe noch umdrehen – wenn sie gewusst hätten, dass dieser Schachzug – meist unnötig, da gestaltbar – am „Internationalen Privatrecht“ beziehungsweise einer unwirksamen Rechtswahl des ausländischen Rechts gescheitert war.

Ziel der Rechtsprechung ist die Verhinderung der Spekulation mit dem Leben von Anderen

Der BGH wendet § 150 II 1 Hs.1 VVG über den Wortlaut hinaus an, damit die VP weitergehend geschützt wird. Schließlich könnte der Aufkäufer von Todesfallleistungen zum Kreis der Skrupellosen gehören, welche über das Darknet dann für die VP vergiftete Pralinen bestellen.

Ein VN-Wechsel kann als solcher ohne Zustimmung der VP erfolgen, wenn der neue VN nicht Begünstigter der Todesfallleistung wird. Verfügungen über die Todesfallleistung bedürfen der Zustimmung der VP, gleichgültig ob dies aus einer Änderung des Bezugsrechts folgt oder etwa aus einem VN-Wechsel aufgrund LV-Aufkauf oder etwa einer Schenkung.

Der BGH sieht lediglich bei Änderung des Bezugsrechts für den Todesfall die Zustimmung der VP als erforderlich, weil diese darauf vertraut hat, dass der ursprüngliche Bezugsberechtigte kein gesteigertes Interesse an ihrem Tod hat. War dieser auch für den Erlebensfall bezugsberechtigt, könnte sich dies aber ändern, wenn er erfährt, dass er im Erlebensfall der VP nichts mehr bekommt, oder sogar nur dann, wenn diese schnell genug stirbt, bevor der neue VN kündigen und den Rückkaufswert vereinnahmen kann.

Verfügungshindernis durch (Berliner-)Testament

Pech kann auch jener Erbe haben, dessen Erblasser sich schuldhaft über ein (durch gemeinschaftliches Testament) verfügtes Vermächtnis hinweg gesetzt hatte. Vermächtnisse sind zu erfüllen, der Höhe nach bis zur Grenze, wo für den Erben rein gar nichts mehr übrig bleibt. Hatte der (zweite) Erblasser sich durch Verfügung über Todesfall- und/oder Erlebensfallleistung über ein Vermächtnis hinweggesetzt, fällt auch der Schadensersatzanspruch in den Nachlass, §§ 1922, 2174, 283 S. 1, 280 BGB.

Unwirksamkeit beim Aufkauf oder Verkauf von Lebensversicherungen

Der einfache Verkauf einer LV im Zweitmarkt kann bereits an der fehlenden Zustimmung der VP scheitern, ohne dass dies bemerkt wurde. Wirksam wäre hingegen wohl der VN-Wechsel durch Rechtsnachfolge im Rahmen einer Erbschaft; vielleicht auch gerade noch beim Erbvertrag.

Wenn nun VN und VP identisch sind, kann der erste Verkauf an den Aufkäufer wirksam sein. Wenn der Aufkäufer „seine LV“ nun aber weiter an einen Investor oder eine Investmentgesellschaft überträgt, kann – mangels abermaliger Zustimmung der VP – diese Weiterübertragung als unwirksam scheitern, soweit die Todesfallleistung betroffen ist.

Genauso unwirksam ist es in solchen Fällen, wenn ein Kreditinstitut, dem die LV als Kreditsicherheit verpfändet wurde, diese auf dem Zweitmarkt verwertet. Sicherer wäre die Pfändung der Rechte im Rahmen der staatlich hoheitlichen Zwangsvollstreckung – eingeschlossen anschließender Verwertung.

Verpfändung der Todesfallleistung an die Mafia

Die Verpfändung für Spielschulden oder Drogenkauf an die Mafia einer LV mit 5.000 Euro Rückkaufswert und 100.000 Euro Todesfallleistung für 60.000 Euro Schulden erhöht indes das Risiko der VP. Auch hier wird im Zweifel, beispielsweise bei unwiderruflicher Begünstigung selbiger, die VP zustimmen müssen. Im Zweifel wird man von der Unwirksamkeit nicht nur bei der Übertragung von Todesfallleistungen ohne Zustimmung der VP ausgehen, sondern auch bei deren Verpfändung.

Massenhaft unwirksame Verpfändungen von Lebensversicherungen an Banken?

Kreditinstitute müssten daher auch Sicherheiten in Frage stellen, wenn diese gar nicht oder nicht im Todesfall der VP als Dritter verwertet werden könnten, oder bereits die Verpfändung ganz unwirksam ist. Auch dies wird im Zweitmarkt der Lebensversicherungen ein Problem sein, da dessen Finanzierung über verpfändete Rückkaufswerte und – bei Tod – der Todesfallleistungen bis zum Rückkaufswert erfolgt.

Das von Bank-Verlagen formulierte und üblicherweise standardisiert verwendete Formular „Verpfändung von Rechten aus Lebensversicherungen“ berücksichtigt die Unterscheidung zwischen Todesfall- und Erlebensfallleistung bisher regelmäßig nicht. Daran, für die Änderungen erneut die erforderliche Zustimmung der VP einzuholen, wird kaum gedacht. Somit hätten Kreditnehmer und Begünstigte der Todesfallleistung auch noch später entsprechende Rechtsansprüche; sei es gegenüber den Kreditinstituten oder aber auch gegenüber betroffenen Versicherern; § 139 BGB.

Kreditbesicherung kann vorrangig sein – Kreditverkauf mit Kreditsicherheit unwirksam

Der BGH (Urteil vom 27.10.2010, Az. IV ZR 22/09) entschied bereits, dass bei einem widerruflichen Bezugsrecht der VN, der zugleich VP ist, die Todesfallleistung an die Bank abtreten kann, und dies zur Folge hat, dass die Bank vorrangig berechtigt wird. Damit muss sich der Begünstigte der Todesfallleistung gedulden, wenn die Bank erst mal die Todesfallleistung einzieht und sodann für die Raten einen ungekündigten Kredit vertragsgemäß über Jahre bis zum Ablauf verwendet. Dazu muss die Sicherungsabtretung der Todesfallleistung an das Kreditinstitut jedoch erst einmal wirksam sein, was die Zustimmung der VP voraussetzt, wenn diese nicht wie in diesem Fall des BGH mit dem VN identisch ist.

Wenn Kreditinstitute zur Stärkung ihres Eigenkapitals zahlreiche Kreditverträge bündeln und als Portfolio an einen Investor verkaufen, stellt sich abermals die Frage, ob die Todesfallleistung ohne Zustimmung der VP auf den Kredit-Aufkäufer übertragen werden kann, und damit am Ende nicht vielleicht der gesamte Vertrag unwirksam gewesen ist. Der Verkauf von Kreditforderungen scheitert zudem, wenn dies gegenüber einer natürlichen Person vertraglich abbedingen wurde. Seit dem 18. August 2008 gilt das Risikobegrenzungsgesetz, welches einen Warnhinweis der Bank erfordert.

Massenhaft unwirksame Begünstigungen von Witwen und Waisen in der bAV?

In der betrieblichen Altersversorgung (bAV) ist VN (zunächst) allein der Arbeitgeber. Betrachtet man die Todesfallleistung ist VP regelmäßig ein Mitarbeiter. Wenn kurze oder längere Zeit später auch noch Witwen und Waisen (auch Ungeborene) ein Bezugsrecht mit der aufschiebenden Bedingung „im Todesfall“ eingeräumt werden soll, bedürfte es der Zustimmung der VP: Dies berücksichtigen die dafür üblichen Formulare aus dem Versicherungsvertrieb nicht immer.

Sollen Witwen und Waisen noch besser abgesichert sein, etwa durch Abtretung oder Verpfändung der Todesfallleistung, bedarf es demnach ebenfalls der vorherigen Zustimmung der VP. Sind Minderjährige und Ungeborene betroffen, kann – im Einzelfall – sogar noch die Bestellung eines Ergänzungspflegers und anschließende eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich sein, damit das Rechtsgeschäft wirksam werden kann.

Die Todesfallleistung zugunsten von Witwen und Waisen kann sich später als nicht existent herausstellen, wenn sich beim VR entsprechende Bezugsrechtsänderungen nicht in den Akten auffinden lassen – womöglich im Büro des Versicherungsvertriebs liegen blieben. Die Absicherung durch Pfandrechte kann später auch unabsichtlich vollständig entfallen, wenn der spätere Erbe keine zu sichernde Forderung besitzt.

Heutzutage müsste sich auch Nero gedulden – sofern die versicherte Person nicht zustimmt

Bisher erschien entgegen BGH dessen Argumente folgend nichts wirklich dagegen zu sprechen, dass der neue VN beziehungsweise Begünstigte im Erlebensfall auch im Todesfall mit nicht mehr als dem begünstigt werden kann, ohne Zustimmung der VP, was er auch bei Rückkauf bekäme. Damit wären Banken und Zweitmarkt fein heraus – doch der BGH hat das so eben gerade nicht gesehen.

Wie Nero zu seinen Soldaten sagte, als man ihm mitteilte, dass die Patrizier ihn in ihren Testamenten als Miterben mit hohen Summen begünstigten: „Solange kann ich nicht warten!“

Von Dr. Johannes Fiala, PhD, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann (www.fiala.de) und

Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt), Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).

 

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