Die häufigste Form der betrieblichen Altersversorgung (bAV) der geschäftsführenden Gesellschafter ist die Pensionszusage. Ein neues Urteil der Bundesgerichtshofes (BGH-Urteil vom 18.07.2013, Az. IX ZR 219/11) eröffnet dem Insolvenzverwalter weitergehende Möglichkeiten, auf das Vermögen der Mittelstandskapitalgesellschaft zur Rückdeckung der Altersversorgung zuzugreifen.
Anfechtbarkeit der Verpfändung einer Rückdeckung an den Geschäftsführer
Der BGH hat entschieden, dass für eine Anfechtung der Bestellung von Sicherheiten für den Geschäftsführer (z.B. Verpfändung oder Abtretung) durch Insolvenzverwalter beziehungsweise Gläubiger nach § 135 Insolvenzordnung (InsO) es ausreichend ist, wenn der Geschäftsführer mit 50 Prozent am Gesellschaftskapital beteiligt ist und zugleich deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer.
Nach der seit 1. November 2008 gültigen gesetzlichen Regelung sind nämlich solche Sicherheiten (zum Beispiel Verpfändung einer Lebensversicherung), die die Gesellschaft in den letzten 10 Jahren gewährt hat, anfechtbar – auch wenn seinerzeit damit nicht die Absicht einer Gläubigerbenachteiligung verbunden war. Dies gilt nicht nur für Sicherheiten zur Absicherung von Darlehen des Gesellschafters, sondern auch für Rechtsverhältnisse, die einem Darlehen an die Gesellschaft wirtschaftlich entsprechen.
Für die spätere Pension hat der Geschäftsführer eine Arbeitsleistung erbracht, sich den Lohn jedoch teilweise nicht ausbezahlen lassen, sondern wirtschaftlich bei seiner Gesellschaft dieses Geld darlehensähnlich bis zum Erreichen des Rentenalters stehen lassen: Dies spricht stark für die Annahme eines darlehensähnlichen Geschäfts. Würde es keine Sicherheit geben, also zum Beispiel keine Verpfändung, dann wären allenfalls Rechtshandlungen aus dem letzten Jahr vor Insolvenzeröffnung anfechtbar – also bei Tilgung von Gesellschafterdarlehen ohne Kreditsicherheit.
Alle Darlehen und darlehensähnlichen Geschäfte betroffen
Entscheidend ist dabei zu wissen, dass die Anfechtungsmöglichkeit seit 1. November 2008 auch sämtliche Darlehen sowie darlehensähnliche Geschäfte betrifft, gleichgültig ob die Mittelstands-GmbH sich in einer Krise befand oder nicht. Dies gilt natürlich auch, wenn ein Geschäftsführer seiner GmbH das Gehalt oder seine Gewinnansprüche stundet, wie etwa auch bei sogenannter „deferred compensation“. Auf die Absicht einer Gläubigerbenachteiligung kommt es dabei nicht an.
Damit eröffnet sich dem Insolvenzverwalter die Chance, sämtliche Einzahlungen in die Rückdeckungen oder ähnliche Rechtsgeschäfte wie Dotierungen von Zeitwertkonten aus den letzten 10 Jahren vor Insolvenzeröffnung rückgängig zu machen, um die Insolvenzmasse zu mehren. Dies auch, wenn der Beginn der Verpfändung zum Beispiel der noch aufzubauenden Rückdeckungsversicherung vor mehr als 10 Jahren lag. Der geschäftsführende Gesellschafter blickt dann sprichwörtlich mit dem Ofenrohr ins Gebirge.
Auch unangemessen hohe Pensionszusage anfechtbar
Handelt es sich um eine unangemessen hohe Pensionszusage, wird der Insolvenzverwalter nach § 134 InsO von einer (gemischten beziehungsweise teilweisen) Schenkung ausgehen, und anfechten (LG Bochum, Urteil vom 10. Mai 2011, Az. 9 S 251/10). Diese Möglichkeit besitzt auch jeder normale Gläubiger, der ansonsten keine Vollstreckung mehr mit Erfolg hat durchführen können.
Kein Schutz durch Treuhandmodelle
Eine die Gläubiger der Mittelstands-GmbH stets benachteiligende Treuhandvereinbarung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, zu dem das Treugut entsteht (BGH, Urteil vom 24.05.2007, Az. IX ZR 105/05). Erfolgt der Aufbau einer Rückdeckung (zum Beispiel in einer Lebensversicherung oder über ein Wertpapierdepot) durch laufende Einzahlungen, oder erfolgt die dingliche Übertragung von Vermögen auf einen Treuhänder, so ist im Zweifel erst der zeitlich letzte Teilakt bei mehraktigen Rechtsgeschäften maßgeblich.
Würden dem Treuhänder gegen den Auszahlungsanspruch des Insolvenzverwalters wirksame Einreden zustehen, welche die Mittelstands-GmbH nicht erheben konnte, so ist bereits die Zahlung an den Treuhänder gläubigerbenachteiligend und damit anfechtbar.
Anfechtung nach Werbung mit Insolvenzschutz durch Produktgeber
Bereits das Ziel, auch einen Vermögensschutz (Asset-Protection) durch Verpfändung der Rückdeckung einer Pensionszusage zu verfolgen, selbst in wirtschaftlich guten Zeiten der Mittelstands-GmbH, eröffnet dem Insolvenzverwalter auch bisher schon wegen bedingt vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung die Anfechtung nach § 133 InsO (OLG Brandenburg, Urteil vom 13.02.2002, Az. 7 U 152/01). Neu ist nun, dass es auf das Ziel der Gläubigerbenachteiligung gar nicht mehr ankommt, soweit ein als darlehensähnlich zu beurteilendes Geschäft zugrunde liegt.
Vertriebsmärchen der Insolvenzsicherheit bei verpfändeten Rückdeckungsversicherungen
Je nach Ausgestaltung der Pensionszusage mit Rückdeckung, einschließlich Treuhandmodell, kann der Insolvenzverwalter wie auch jeder normale Gläubiger bis zu mehr als 10 Jahre rückwirkend auf die seitdem entstandene Rückdeckungsmittel des geschäftsführenden Gesellschafters ohne weiteres zugreifen, sofern dieser mindestens zu 50 Prozent an der Gesellschaft beteiligt und zur Alleingeschäftsführung berechtigt ist.
Treuhandmodelle als Mittel der Gläubigerbenachteiligung
Bereits der Einsatz eines Treuhandmodells indiziert die Absicht zur Gläubigerbenachteiligung, § 133 InsO. Ausreichend ist, dass diese Benachteiligung möglicherweise und lediglich mittelbar eintritt, also billigend in Kauf genommen wird, § 3 Anfechtungsgesetz (AnfG). Der Vorsatz folgt dabei stets aus dem Vertragszweck, der sich aus dem Inhalt schwarz auf weiß ablesen lässt. § 133 InsO und § 3 I AnfG schützen dabei sowohl Alt- als auch Neugläubiger. Verträge mit Treuhändern „für den Fall der Insolvenz“ haben sich nach der Rechtsprechung als sittenwidrig und damit auch bisher schon von Anfang an als nichtig erwiesen.
Problemlösung nicht im inländischen Rechtsraum
Zunächst einmal gilt Insolvenzrecht und Zivilprozessrecht einschließlich Vollstreckungsrecht nur im Inland. Nur durch wirksame Rechtswahl kann ein Vermögensschutz im Einzelfall im Ausland erreicht werden. Hintergrund ist die rechtspolitische Entscheidung zwischen dem Interesse der Gläubiger einerseits und dem Interesse des Staates sowie der Mitarbeiter und Geschäftsführer an einer Sicherstellung der Altersversorgung andererseits. Dies zu gestalten ist Versicherungsmaklern jedoch nicht möglich, denn in aller Regel wird durch die Einschaltung irgendeiner Mittelsperson aus dem In- oder Ausland die Wahl ausländischen Rechts nichtig sein.
Von Dr. Johannes Fiala, RA (München), MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), LB (Univ.), Bankkaufmann (www.fiala.de) und
Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt), Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).
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