Christian Wulff auf der DKM 2025

Die große Bühne der DKM 2025 bot einen nachhallenden Moment politischer Reflexion, als Christian Wulff, Bundespräsident a.D., in der Speaker’s Corner sprach. Unter dem Titel „Frieden, Demokratie, Europa und unsere Wettbewerbsfähigkeit scheinen in Gefahr: Dennoch Anlässe für Optimismus“ umriss er in eindringlichen Worten die komplexe Lage Europas – und zugleich Wege aus der kollektiven Lähmung.

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Ein Rückblick als Mahnung

Wulff begann mit einem historischen Bogen: von 1945, als Europa in Trümmern lag, bis hin zu den Errungenschaften der Versöhnung und des demokratischen Wiederaufbaus. Er erinnerte an den Europarat, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, an die christlich inspirierten Gründungsväter Europas – und an die Worte aus dem deutschen Grundgesetz: „Dem Frieden der Welt zu dienen“. In seinem Vortrag warnte er davor, wie schnell Geschichte vergessen werde, wenn der Wohlstand selbstverständlich erscheint.

Ein besonderes Augenmerk richtete er auf die Versöhnungsgeste der polnischen Bischöfe 1965 und die Kraft zivilgesellschaftlicher Bewegungen – von der polnischen „Solidarność“ bis zu den Montagsdemonstrationen in der DDR. Diese Beispiele nannte Wulff als Belege für die Wandlungsfähigkeit Europas – und als Kontrast zur aktuellen Verzagtheit.

Krisen als Prüfstein demokratischer Kultur

Wir leisten uns den Luxus, die Demokratie allein zu lassen, so kritisierte Wulff. In seiner Rede machte er deutlich, wie gefährlich das politische Desinteresse in der Mitte der Gesellschaft sei. Er zitierte Barack Obama, der vor den Folgen des Nichtwählens warnte, und verwies auf die Spaltungstendenzen in den USA und Europa. Die Rezeption antidemokratischer Ideologen wie Carl Schmitt durch autoritäre Akteure wie Putin oder JD Vance wertete Wulff als alarmierendes Signal.

Zentraler Gedanke: Demokratie sei kein Selbstläufer. Ihre Erosion beginne oft schleichend – durch Verächtlichmachung demokratischer Institutionen, Freund-Feind-Denken und Rückzug ins Private. Wulff zitierte Hannah Arendt:

„Jede Gesellschaft muss für die Verhältnisse sorgen, in denen sie leben will.“

Europa: Vom Patienten zum Pionier?

Trotz seiner kritischen Diagnose zeigte sich Wulff optimistisch. Europa sei nicht schwach, weil es empathisch sei – wie Elon Musk behauptet habe – sondern stark, gerade deshalb. Die Zukunft Europas hänge nicht nur von Strukturreformen, sondern auch vom kollektiven Selbstbewusstsein ab.

Er plädierte für eine Vollendung des europäischen Binnenmarkts, für ein Denken in großen, nicht kleinmütigen Maßstäben. Warum – so fragte er – holen wir nicht die vertriebenen Wissenschaftler aus den USA zurück? Warum reden wir unsere Lage schlechter als sie ist?

Die Wirtschaft als Stabilitätsanker

Mit Blick auf die deutsche Wirtschaft lobte Wulff explizit die Versicherungswirtschaft, etwa die Allianz oder Munich Re, als Beispiele für Stabilität und Innovationskraft. Auch den deutschen Mittelstand und die industrielle Qualität stellte er heraus:

„Wir sind die drittgrößte Volkswirtschaft ...aber wie Gulliver am Boden fixiert. ...Das müssen wir ändern.“

Der technologische Fortschritt – vom Buchdruck bis zur Quantenphysik – sei kein Selbstläufer. Doch gerade hier habe Deutschland enormes Potenzial. Der Corona-Impfstoff, der in Deutschland entwickelt wurde, sei ein Beleg für das wissenschaftliche Rückgrat des Landes.

Demografie, Digitalisierung, Demokratie

Wulff spannte den Bogen von der demografischen Entwicklung – mit schrumpfender Bevölkerung und stagnierender Produktivität – bis zu strukturellen Fragen: Wie kann Demokratie bestehen, wenn mehr Menschen in Rente als im Erwerbsleben sind? Migration, so seine klare Botschaft, sei Teil der Lösung – nicht das Problem.

Er mahnte: Hochmut müsse Demut weichen. Die großen Herausforderungen – technologisch, sozial und politisch – könnten gemeistert werden, wenn Europa und Deutschland den Mut hätten, neue Wege zu gehen.

Am Ende habe Christian Wulff betont, dass Deutschland kein sinkendes Schiff sei, sondern sich lediglich in Turbulenzen befinde – und dass die Gesellschaft gefordert ist, diesen Herausforderungen aktiv zu begegnen.


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