Pflegevorsorgefonds in Staatshand: Zwischen Rücklagenbildung und Zweckentfremdung
Die Politik diskutiert über einen Ausbau des Pflegevorsorgefonds als Antwort auf steigende Kosten in der Sozialen Pflegeversicherung. Doch Beispiele aus der Vergangenheit zeigen: Rücklagen in Staatshand sind anfällig für politische Begehrlichkeiten. Der PKV-Verband warnt deshalb vor einer Zweckentfremdung – und schlägt Alternativen vor.
In der Sozialpolitik wird derzeit intensiv debattiert, ob die Soziale Pflegeversicherung (SPV) durch einen erweiterten, kapitalgedeckten Vorsorgefonds abgesichert werden soll. Seit 2015 fließt ein Anteil von 0,1 Prozentpunkten der SPV-Beiträge in den Pflegevorsorgefonds (PVF). Ab 2035 soll diese Rücklage eingesetzt werden, um weitere Beitragssteigerungen abzufedern. Doch schon jetzt ist klar: In seiner aktuellen Ausgestaltung ist der Fonds zu klein, um einen spürbaren Effekt zu erzielen.
Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe im Rahmen des „Zukunftspakts Pflege“ soll bis Ende des Jahres Vorschläge für eine nachhaltige Finanzierung erarbeiten. Auch das Bundesgesundheitsministerium hat für Anfang September eine Anhörung angesetzt.
Risiko Zweckentfremdung
Der PKV-Verband warnt jedoch, dass Rücklagen in Staatshand nicht sicher sind. „Zu groß ist die Gefahr einer Zweckentfremdung“, so die Argumentation. Tatsächlich gibt es zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit:
- Bereits 2023 wurden Einzahlungen in den Pflegevorsorgefonds auf Initiative von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gekürzt und Mittel für andere Zwecke verwendet.
- In Niedersachsen wurde eine ursprünglich für Pensionen gedachte Versorgungsrücklage 2010 zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung genutzt.
- Mecklenburg-Vorpommern verpflichtete 2016 seinen Pensionsfonds, ausschließlich in landeseigene Schuldscheine zu investieren – faktisch eine Umleitung in den Staatshaushalt.
Auch international sind die Erfahrungen gemischt. Während Norwegen und Schweden als Erfolgsbeispiele gelten, beruhen diese auf Sonderbedingungen: extrem niedrige Staatsverschuldung und hohe Transparenz. Dagegen wurde der französische Rentenfonds nach der Finanzkrise 2008 zunehmend zweckentfremdet, um Sozialschulden zu tilgen.
Ruf nach privater Lösung
Vor diesem Hintergrund plädieren Fachleute wie Prof. Christian Rolfs von der Universität Köln gegen eine Ausweitung des staatlichen Pflegevorsorgefonds. „Eine generationengerechte, kapitalgedeckte Absicherung des Pflegerisikos kann nur gelingen, wenn das angesparte Kapital vor staatlichem und politischem Zugriff geschützt wird. Das ist nur im privaten Rechtsrahmen unter der Aufsicht der BaFin möglich.“
Rolfs ist Mitglied des Expertenrats Pflegefinanzen, der mit dem sogenannten „Pflege-Plus-Konzept“ eine obligatorische, kapitalgedeckte Zusatzversicherung vorgeschlagen hat. Diese soll von privaten Versicherungsunternehmen organisiert werden, um langfristig Planungssicherheit und Schutz vor politischer Zweckentfremdung zu gewährleisten.
Offene Grundsatzfrage
Damit steht die Pflegepolitik vor einer Richtungsentscheidung: Soll der Staat Rücklagen managen – mit dem Risiko kurzfristiger politischer Eingriffe? Oder braucht es eine privatwirtschaftlich organisierte Lösung, die Kapital langfristig sichert? Antworten hierauf werden entscheidend dafür sein, wie generationengerecht die Pflegeversicherung in Zukunft ausgestaltet wird.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Pflegereform: Zukunftspakt Pflege droht zentrales Ziel zu verfehlen
Pflegekosten steigen weiter: „Wahlprogramme dürfen keine Worthülsen sein“
„Lebenswerk gegen Lebensabend“ – Wirtschaftsweise fordern Zugriff auf Eigenheim für Pflegekosten
Reform der Pflegeversicherung: „Kurzfristige Flickschusterei reicht nicht“
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Pflege unter Druck: Aktuarvereinigung fordert Reformen und mehr Eigenverantwortung
Fehlerhafte Berechnung der Pflegeversicherungsbeiträge? DRV weist Vorwürfe zurück
Milliardenschwere Fehlsteuerung: IGES-Studie kritisiert Pflegezuschläge
Pflegeversicherung in der Krise – Welche Reformen sind nötig?
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.













