Teuer, ineffizient, unsozial? Eine neue IGES-Studie im Auftrag des PKV-Verbands wirft der Pflegereform von 2022 eine massive Schieflage vor. Was als Schutz vor finanzieller Überforderung in Pflegeheimen gedacht war, könnte sich zum teuersten Umverteilungsprogramm seit Jahren entwickeln.
Die Leistungszuschläge in der stationären Pflege kosten die gesetzliche Pflegeversicherung schon jetzt ein Vielfaches der ursprünglich kalkulierten Summe. Laut IGES-Analyse lagen die Ausgaben bereits im ersten Jahr bei 3,6 Milliarden Euro – anstelle der erwarteten 2,5 Milliarden. 2023 waren es 6,4 Milliarden Euro, und bis zum Ende der Legislaturperiode könnten die Kosten auf bis zu 9,4 Milliarden Euro jährlich steigen.
„Die IGES-Studie belegt eine milliardenschwere Fehlsteuerung in der gesetzlichen Pflegeversicherung“, warnt Thomas Brahm, Vorsitzender des PKV-Verbands. „Eine Begrenzung der pflegebedingten Eigenanteile ist weder zielführend noch tragfähig.“
Entlastung der Falschen?
Die Kritik wiegt schwer: Laut Studie kommen die Zuschläge vor allem Haushalten zugute, die mit ihrem Vermögen eigentlich selbst für Pflegekosten aufkommen könnten. So liegt das Medianvermögen der 65- bis 74-Jährigen bei rund 212.000 Euro. Die gesetzliche Pflegeversicherung hingegen wird von allen Beitragszahlern finanziert – auch von Geringverdienern und der jungen Generation.
„Aus verteilungspolitischer Sicht ist es bedenklich, dass der ermöglichte Vermögens- und Erbenschutz mit einer überproportional hohen Belastung von Menschen mit niedrigem Einkommen verbunden ist“, mahnen die Studienautoren.
Rückbesinnung auf die Teilkostenversicherung gefordert
Die Pflegeversicherung wurde als Teilkostenmodell konzipiert, nicht als Vollkasko-System. Die aktuelle Entwicklung widerspricht dieser Logik. „Um die Pflegeversicherung zu stabilisieren und auf den demografischen Wandel vorzubereiten, muss die Bundesregierung jetzt die Eigenverantwortung stärken und die private Vorsorge fördern“, betont Brahm. Die Private Krankenversicherung bringe vier Jahrzehnte Expertise in der Pflegevorsorge mit und sei bereit, diese in die Arbeit der Reformkommission einzubringen.
Hintergrund: So funktionieren die Zuschläge
Seit 2022 erhalten Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen Zuschläge auf den Eigenanteil, der im Bundesdurchschnitt derzeit bei 1.800 Euro pro Monat liegt. Die Zuschläge steigen mit der Aufenthaltsdauer:
- 15 % im ersten Jahr
- 30 % im zweiten Jahr
- 50 % im dritten Jahr
- 75 % ab dem vierten Jahr
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