Von Oliver Wendel c_ow - https://unsplash.com/photos/vsg0_KECSVEArchivkopie in der Wayback Machine, CC0

Neue Regeln, alte Risiken - klare Botschaft aus FrankfurtFRTB: Warum die EZB vor einer Aufweichung des Marktrisikorahmens warnt

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich in ihrer jüngsten Stellungnahme zur geplanten Überarbeitung des europäischen Marktrisikorahmens durch die EU-Kommission positioniert. Der Ton ist deutlich: Marktrisiken sind keine abstrakte Größe, sondern ein zentrales Risiko für die Finanzstabilität – heute mehr denn je. Der Vorschlag, die neuen Regeln zur Bewertung von Marktrisiken (FRTB – Fundamental Review of the Trading Book) erneut zu verschieben oder zu lockern, trifft bei der EZB auf klaren Widerstand. Ihre Argumente: Eine weitere Verzögerung würde Banken bestrafen, die bereits vorbereitet sind, und die Glaubwürdigkeit der europäischen Finanzaufsicht gefährden.

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Was ist der FRTB? Ein kurzer Überblick

Der FRTB ist eine umfassende Reform des aufsichtsrechtlichen Rahmens für Marktrisiken. Ziel ist es, die Risiken aus Handelsgeschäften von Banken realistischer zu erfassen – und entsprechend Kapital vorzuhalten. Dabei unterscheidet der neue Rahmen zwei Ansätze:

  • Standardansatz (FRTB-SA): Einheitliche Regeln für alle Banken, einfach prüfbar, klar strukturiert.
  • Interner Modellansatz (FRTB-IMA): Erlaubt individuell entwickelte Risikomodelle, aber nur unter strengen Auflagen.

Die Umsetzung des FRTB in der EU ist für den 1. Januar 2026 geplant. Die Kommission prüft jedoch, ob sie über Artikel 461a der Eigenkapitalverordnung (CRR) eine einjährige Verschiebung beschließen sollte.

EZB: Kein Aufschub, keine Ausnahmen

Die EZB sieht dafür keinen Bedarf. Der Markt sei vorbereitet, Aufseher seien bereit, und das Kapital sei ausreichend. Eine Verschiebung würde jene Banken benachteiligen, die frühzeitig investiert haben. Außerdem sei der Aufwand für parallele Systeme – alter und neuer Rahmen gleichzeitig – hoch. Noch schwerer wiegt ein strukturelles Risiko: Die bisherigen internen Modelle werden kaum noch gepflegt oder überwacht. Sie bleiben aber in Kraft, solange der neue Rahmen nicht vollständig gilt – ein Risiko, das mit jeder Verzögerung wächst.

Ein Kompromissmodell – mit Bedingungen

Die EZB signalisiert dennoch Spielraum: Ein gestuftes Modell, bei dem der Standardansatz 2026 verpflichtend wird und der interne Modellansatz 2027 folgt, wäre tragfähig – wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Dazu zählt insbesondere:

  • Einheitliche Regeln für alle Institute, unabhängig vom gewählten Ansatz.
  • Keine Beibehaltung veralteter Modelle nur zum Zweck der Kapitaloptimierung.
  • Klare zeitliche Befristung und transparente Kommunikation.

Kapitalanforderungen: Flexibilität mit System

Ein weiterer Vorschlag betrifft die Kapitalanforderungen selbst. Die Kommission erwägt einen pauschalen Abschlag (Multiplikator 0,9) auf die Anforderungen im Standardansatz. Die EZB schlägt stattdessen ein dynamischeres Modell vor: ein ansteigender Skalar, der die Anforderungen über drei Jahre hinweg schrittweise erhöht. Das hätte gleich mehrere Vorteile:

  • Planbarkeit für Institute
  • Gleichmäßiger Übergang
  • Weniger regulatorischer Aufwand
  • Besserer Gleichlauf mit internationalen Entwicklungen

Erste Berechnungen zeigen: Für die meisten bedeutenden Banken ist der Kapitalaufwand durch FRTB-SA verkraftbar. Teilweise entsteht sogar ein positiver Effekt auf das Kernkapital.

Keine Toleranz für Datenlücken und Bilanzkosmetik

Besonders kritisch sieht die EZB einen Vorschlag zur Bewertung von Fondsrisiken (CIU-Exposures): Eine quartalsweise Durchleuchtung der Fonds reicht aus Sicht der Aufseher nicht aus. Sie ermögliche riskante Bewertungspraktiken („Window Dressing“) und widerspreche gängigen Prinzipien solider Risikosteuerung. Die EZB fordert eine häufigere, datenbasierte Bewertung – auch unter Verweis auf technische Fortschritte, die solche Analysen einfacher und kostengünstiger machen.

Aufsicht mit Augenmaß – aber ohne Kompromisse bei der Risikokultur

Die EZB zeigt sich offen für temporäre Vereinfachungen – etwa beim Umgang mit nicht modellierbaren Risikofaktoren oder beim sogenannten P&L-Attributionstest. Solche Erleichterungen müssten jedoch klar befristet, aufsichtlich abgesichert und risikobasiert ausgestaltet werden. Auch hier gilt: Der Schutz der Finanzstabilität bleibt das oberste Ziel.

Glaubwürdigkeit der Bankenaufsicht nicht aufs Spiel setzen

Mit ihrer Stellungnahme sendet die EZB ein starkes Signal: Reformen ja, aber nicht um jeden Preis. FRTB ist kein Bürokratieprojekt, sondern eine notwendige Antwort auf die komplexer gewordenen Risiken im Bankgeschäft. Die Vorschläge der EZB zeigen, dass auch regulatorische Disziplin mit Flexibilität vereinbar ist – solange sie nicht zur Beliebigkeit wird. Was jetzt zählt, ist Klarheit, Verlässlichkeit und die Bereitschaft, Risiken wieder ernst zu nehmen.

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