Deutschland kämpft mit überbordender Bürokratie, ineffizienten Strukturen und einer Verwaltung, die oft eher bremst als erleichtert. Doch das soll sich ändern – wenn es nach der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ geht. Die früheren Bundesminister Thomas de Maizière (CDU) und Peer Steinbrück (SPD), die Medienmanagerin Julia Jäkel sowie der ehemalige Verfassungsrichter Andreas Voßkuhle haben 30 konkrete Reformvorschläge präsentiert. Ihr Ziel: ein Staat, der endlich liefert.
Zuviel Bürokratie, zu wenig Effizienz
Was heute in Deutschland oft Monate dauert, könnte in Tagen erledigt sein – wenn die Verwaltungsstrukturen grundlegend modernisiert werden. Die Initiative fordert deshalb ein eigenständiges Digitalministerium, das die aktuell mehr als 10.000 unterschiedlichen Softwarelösungen in Bund, Ländern und Kommunen vereinheitlicht. Bürger sollen Behördengänge endlich vollständig online erledigen können – von der Kfz-Zulassung bis zur Beantragung von Sozialleistungen.
„Die Digitalisierung müssen wir viel entschiedener angehen, als wir es bisher getan haben“,
mahnte Jäkel. Deshalb soll das Digitalministerium nicht nur verwalten, sondern eine Strategie entwickeln, wie Deutschland den Anschluss an das digitale Zeitalter findet.
Doch es geht um mehr als nur Technik. Der Staat müsse aufhören, Bürger und Unternehmen mit übermäßigen Nachweispflichten zu gängeln, betonen die Initiatoren. Stattdessen solle eine Vertrauenskultur etabliert werden: weniger Bürokratie im Alltag, aber schärfere Stichprobenkontrollen mit spürbaren Strafen bei Verstößen.
„Es geht darum, eine Mentalität zu schaffen, die Lösungen ermöglicht, anstatt an Problemen zu scheitern“, erklärt de Maizière.
Ein Staat, der strategisch denkt
Die Initiative schlägt außerdem vor, die Sicherheitsarchitektur des Landes zu modernisieren. Ein nationaler Sicherheitsrat soll als ständiges, ressortübergreifendes Gremium agieren und eine kohärente Strategie für militärische und zivile Sicherheit entwickeln.
Auch das Bildungssystem soll effizienter werden: Einheitliche Abiturstandards sollen nicht mehr durch die Kultusministerkonferenz, sondern per Bundesratsbeschluss geregelt werden. Zudem braucht Deutschland laut den Reformern dringend eine Vereinfachung der 170 Sozialleistungen, die aktuell von fast 30 Behörden verwaltet werden.
Bürger stärker einbinden
Ein handlungsfähiger Staat braucht Vertrauen – und das entsteht durch Partizipation. Deshalb schlägt die Initiative die Einführung von Bürgerräten vor, die regelmäßig in politische Entscheidungsprozesse eingebunden werden sollen. So könnte die Distanz zwischen Politik und Bevölkerung verringert und das demokratische Fundament gestärkt werden.
Die Zeit für Reformen läuft ab
Die Experten geben der Politik nicht mehr viel Zeit. Die aktuelle Regierungsbildung sei die letzte Chance, Staat und Bürger zu versöhnen und das Land grundlegend zu modernisieren. Gelingt dies nicht, drohen die politischen Ränder weiter an Einfluss zu gewinnen.
Verfassungsrechtler Voßkuhle warnt eindringlich:
„Es ist nicht Viertel vor zwölf, eher Viertel nach zwölf.“
Die Herausforderungen sind drängend – die Frage ist, ob die Politik den Mut aufbringt, die notwendigen Veränderungen endlich anzugehen.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Koalition steht: Ein neuer Vertrag, vertraute Linien
Rente, Migration, Investitionen – Union und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt, der Stabilität verspricht und Strukturwandel andeutet. Was drinsteht, wer was bekommt und worauf es jetzt ankommt.
VOTUM fordert klare Reformen nach der Bundestagswahl
Bürokratieabbau, Reform der geförderten privaten Altersvorsorge, Altersvorsorge für Selbstständige, nachhaltige Sicherung der gesetzlichen Rentenversicherung und finanzielle Bildung: diese fünf Handlungsfelder benennt der Verband unabhängiger Finanzdienstleister VOTUM als zentral für die Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbranche. Mit einer Forderung hebt sich der Verband allerdings ab.
Bundestagswahl 2025: BVI fordert rasche Reformen
Der deutsche Fondsverband BVI drängt auf schnelle politische Entscheidungen in zentralen Finanzfragen. Neben einer Reform der privaten Altersvorsorge stehen Infrastrukturfinanzierung, Bürokratieabbau und der Umgang mit Finanzmarktdaten im Fokus.
Versicherer-Positionspapier für effizientere Regulierung
Der GDV spricht sich für eine grundlegende Konsolidierung insbesondere bei Berichts- und Mitteilungspflichten aus. Das Papier enthält dazu in fünf Handlungsfeldern Vorschläge für sechs Sofortmaßnahmen und zwölf mittelfristige Maßnahmen aus den Bereichen der Finanz- und Versicherungsregulierung.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
GKV-Spitzenverband kritisiert Haushaltspläne: Darlehen keine nachhaltige Lösung
Kredite statt Reformen: Der GKV-Spitzenverband kritisiert die Haushaltspläne der Bundesregierung scharf und warnt vor langfristigen Folgen für Beitragszahlende und das Gesundheitssystem.
§ 34k GewO: Neue Regulierung für Ratenkredit-Vermittlung startet 2026
Der neu geschaffene § 34k GewO bringt ab November 2026 weitreichende Pflichten für Vermittler von Ratenkrediten. Der AfW begrüßt das Vorhaben grundsätzlich, warnt jedoch vor unfairen Wettbewerbsbedingungen durch weitgehende Ausnahmen.
„Die Flut an Dokumentationspflichten ist nicht mehr verhältnismäßig“
Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) warnt eindringlich vor den Auswirkungen einer zunehmenden Regulierungsflut in der Versicherungsvermittlung. Im Zentrum der Kritik steht die aus Sicht des Verbands unverhältnismäßige Komplexität gesetzlicher Vorgaben, die nicht nur Vermittler, sondern auch Kunden überfordert – mit negativen Folgen für die Beratungsqualität.
Europas neue Ordnung: Regionalisierung statt Globalismus
In ihrer Kiewer Rede skizziert EZB-Präsidentin Christine Lagarde nicht nur ökonomische Unterstützung für die Ukraine – sie formuliert eine strategische Neuausrichtung Europas: Regionalisierung statt globaler Offenheit. Eine Analyse des leisen, aber folgenreichen Paradigmenwechsels der europäischen Wirtschaftspolitik.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.