Pflegefinanzierung am Limit: Kurzfristige Stabilisierung und langfristige Reformen gefordert
Die Pflegeversicherung steht vor enormen finanziellen Herausforderungen. Ein Defizit von 1,55 Milliarden Euro in 2024, steigende Ausgaben und wachsende Pflegebedürftigkeit machen umfassende Reformen dringend notwendig. Doch wie kann die Finanzierung langfristig gesichert werden? Neue Studien und Forderungen der Sozialversicherungsträger werfen ein Schlaglicht auf mögliche Lösungen.
Pflegefinanzierung in der Krise
Die soziale Pflegeversicherung (SPV) steht unter massivem Druck: Schon 2024 wird ein Defizit von 1,55 Milliarden Euro erwartet, wie Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, kürzlich betonte. Bereits im Februar könnten einzelne Pflegekassen auf Liquiditätshilfen aus dem Pflege-Ausgleichsfonds angewiesen sein. „Die Beitragserhöhung zum Jahreswechsel hat das Finanzierungsproblem nur aufgeschoben, aber nicht gelöst“, so Pfeiffer. Besonders alarmierend: Für 2026 reichen die aktuellen Beiträge keinesfalls aus.
Die Probleme sind vielfältig. Einerseits treiben der dynamische Anstieg der Zahl der Leistungsbeziehenden, die Anhebung der Leistungsbeträge und die Abmilderung der Eigenanteile die Ausgaben in die Höhe. Allein 2025 wird die Pflegeversicherung erstmals über 70 Milliarden Euro ausgeben – ein Anstieg um mehr als 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Andererseits fehlt es an strukturellen Lösungen, um die steigenden Kosten langfristig zu bewältigen.
Steigende Pflegebedürftigkeit und wachsende Ausgaben
Aktuelle Zahlen belegen die wachsende Belastung der Pflegeversicherung: Laut Statistischem Bundesamt stieg die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland auf 5,7 Millionen – mit einem klaren Trend nach oben. Ein Großteil dieser Menschen wird zu Hause gepflegt, was zwar kostengünstiger ist als stationäre Versorgung, dennoch enorme Ressourcen bindet.
Laut einem Gutachten des Wirtschaftsforschungsunternehmens Prognos im Auftrag der AOK könnte der Finanzbedarf der SPV bis 2030 auf 93 Milliarden Euro steigen – und bis 2060 sogar 226 Milliarden Euro erreichen. Der Beitragssatz müsste bis 2030 von derzeit 3,4 Prozent auf 4,1 Prozent und langfristig auf bis zu 4,55 Prozent ansteigen. Auch diese Prognosen gehen von einer moderaten Entwicklung der Pflegeprävalenz aus.
Forderungen nach politischem Handeln
Angesichts dieser Zahlen fordert Pfeiffer nicht nur schnelle, sondern vor allem nachhaltige Lösungen. Dazu gehört die Rückzahlung der Pflegeversicherungs-Ausgaben für Corona-Maßnahmen durch den Bund. Ebenso sollten die Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige nicht länger aus der Pflegekasse finanziert werden. Diese Forderungen decken sich mit den Positionen anderer Sozialversicherungsträger: Eine Initiative von AOK-Bundesverband, Verband der Ersatzkassen (vdek) und weiteren Organisationen plädiert ebenfalls für die Entlastung von versicherungsfremden Leistungen.
Die langfristigen Reformen, so Pfeiffer, müssten dabei nicht nur die Finanzstabilität sichern, sondern auch die Eigenanteile der Pflegebedürftigen in den Blick nehmen. „Ohne zusätzliche Steuermittel wird die soziale Pflegeversicherung nicht zukunftsfähig bleiben“, so die einhellige Meinung der Verbände.
Politik in der Verantwortung
Mit Blick auf die vorgezogene Bundestagswahl im Februar 2025 drängt Pfeiffer darauf, dass die Parteien ihre Konzepte für eine zukunftsfähige Pflegefinanzierung vorstellen. „Es ist entscheidend, dass die Menschen wissen, welche Antworten die Politik auf diese existenziellen Fragen hat“, erklärt sie. Das Prognos-Gutachten zeigt zudem auf, dass eine moderate Ausweitung der Steuerfinanzierung den Beitragssatz im Mittel um 0,5 Prozentpunkte senken könnte.
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