86 Prozent der Deutschen fordern Reform des Krankenversicherungssystems

Steigende Beiträge und strukturelle Probleme belasten das deutsche Krankenversicherungssystem zunehmend. Eine Finanztip-Umfrage zeigt: Die Mehrheit der Deutschen fordert Veränderungen. Finanztip-Chefredakteur Hermann-Josef Tenhagen nennt drei konkrete Reformansätze, um die gesetzliche Krankenversicherung langfristig zu stabilisieren.

(PDF)
Die Mehrheit der Deutschen will Reformen im Gesundheitswesen. Welche Ansätze dafür diskutiert werden, skizziert Finanztip-Cehfredakteur Hermann-Josef Tenhagen.DALL-E

Das deutsche Krankenversicherungssystem steht unter Druck: Stark steigende Beiträge, wachsende Kosten durch politische Entscheidungen und eine alternde Gesellschaft belasten die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) massiv. Eine aktuelle Umfrage von Finanztip zeigt, dass 86 Prozent der Deutschen eine Reform des Krankenversicherungssystems fordern – unabhängig davon, ob sie gesetzlich oder privat versichert sind.

Laut Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des Geldratgebers Finanztip, gibt es drei zentrale Reformansätze, um das System langfristig zu stabilisieren:

1. Mehr staatliche Finanzierung statt steigender Beiträge

„Wenn politische Entscheidungen, wie etwa die Krankenhausreform, zusätzliche Kosten im Gesundheitswesen verursachen, sollten diese aus Steuermitteln finanziert werden“, fordert Tenhagen. Ob dies über höhere Steuern, neue Schulden oder Umschichtungen im Haushalt geschehe, müsse die Politik entscheiden. Auch die vollständige Finanzierung der Versicherungskosten für Bürgergeld-Beziehende durch den Staat sei ein wichtiger Schritt.

2. Effizientere Krankenkassen

Finanztip vergleicht regelmäßig die Leistungen und Beitragssätze der Krankenkassen. Das Ergebnis: Zwischen teuren und günstigen Anbietern liegen Beitragssatz-Unterschiede von bis zu 2,5 Prozentpunkten – was einem zweistelligen Milliardenbetrag entspricht. „Versicherte sollten einen Kassenwechsel in Betracht ziehen, um Kosten zu sparen, da nicht alle Krankenkassen effizient arbeiten“, so Tenhagen.

3. Zusätzliche Beitragszahler und faire Verteilung

Seit Jahrzehnten wird diskutiert, ob Beamte in die gesetzliche Krankenversicherung eingebunden werden sollten. Dies würde die Einnahmen der GKV erhöhen und Privilegien reduzieren. Darüber hinaus könnten auch Pflichtversicherte stärker einbezogen werden: „Warum zahlen Angestellte mit 5.000 Euro Kapitaleinkünften im Jahr keine Krankenkassenbeiträge, während Boni und Betriebsrenten belastet werden?“, fragt Tenhagen. Eine Reform müsse sicherstellen, dass die Finanzierung nach Leistungsfähigkeit fairer gestaltet wird.

Umfrageergebnisse: Unzufriedenheit über Ungleichheit und hohe Beiträge

Die Umfrage zeigt, dass die Deutschen vor allem folgende Probleme im Krankenversicherungssystem sehen:

  • Ungleichheit zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung: 48 %
  • Lange Wartezeiten auf Arzttermine: 45 %
  • Hohe Beiträge: 42 %

Die Belastungen der Versicherten steigen weiter. Nach Finanztip-Berechnungen können die Beiträge für viele Versicherte um bis zu 313 Euro pro Jahr höher ausfallen. Zudem wird bereits jetzt mit weiteren Preissteigerungen für 2026 gerechnet. Der Chef der Techniker Krankenkasse prognostiziert Kassenbeiträge von bis zu 20 Prozent.

Die Ergebnisse der Umfrage unterstreichen den Reformbedarf im deutschen Krankenversicherungssystem. „Die Belastung der Versicherten ist nicht mehr tragbar. Eine grundlegende Reform ist unausweichlich“, resümiert Tenhagen. Dabei müsse die Politik Verantwortung übernehmen und Lösungen finden, um langfristige Stabilität zu gewährleisten.

Über die Studie:

Die Umfragedaten beruhen auf einer Online-Befragung von Innofact im Auftrag von Finanztip, an der im Dezember 2024 1.019 Personen teilgenommen haben. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren. Mit einer Screening-Frage wurden die Ergebnisse für gesetzlich Krankenversicherte, beitragsfrei gesetzlich Krankenversicherte (jeweils mit und ohne private Zusatzversicherungen) sowie privat Krankenversicherte ausgewertet.

(PDF)

LESEN SIE AUCH

Stockfotos-MG – stock.adobe.comStockfotos-MG – stock.adobe.com
Gesundheitsvorsorge

Gesetzliche Krankenkassen 2025: Zusatzbeiträge auf Rekordniveau

Die Zusatzbeiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung erreichen 2025 neue Höhen. Mit bis zu 4,4 Prozent des Einkommens stellen sie viele Versicherte vor finanzielle Herausforderungen. Ein Wechsel der Krankenkasse könnte helfen – doch lohnt sich das?

PKV-Verbandschef Thomas BrahmDebekaPKV-Verbandschef Thomas BrahmDebeka
Gesundheitsvorsorge

Private Krankenversicherung wächst auch 2024 – Mehr Versicherte und höhere Leistungen

Die Private Krankenversicherung (PKV) konnte 2024 erneut stabile Zuwächse verzeichnen. Sowohl die Zahl der Versicherten als auch die ausgezahlten Leistungen stiegen deutlich. Besonders im Bereich der Zusatzversicherungen gab es ein kräftiges Wachstum.

Negativzinsen: Finanztip hat einen Musterbrief erstellt, den Betroffene nutzen können, um ihre Bank zur Rückzahlung aufzufordern.Ralphs_Fotos / pixabayNegativzinsen: Finanztip hat einen Musterbrief erstellt, den Betroffene nutzen können, um ihre Bank zur Rückzahlung aufzufordern.Ralphs_Fotos / pixabay
Verbraucher

Negativzinsen: Musterbrief soll helfen, Geld zurückzuholen

Banken durften Verwahrentgelte auf Spar- und Tagesgeldkonten nicht erheben, entschied der Bundesgerichtshof (BGH). Dennoch müssen Betroffene ihr Geld selbst zurückfordern – Banken sind nicht verpflichtet, Kunden aktiv zu informieren. Finanztip stellt dafür einen Musterbrief bereit.

Gesetzlich Versicherte können durch passende Zusatzleistungen ihrer Krankenkasse mehrere Hundert Euro im Jahr sparen, zeigt eine neue Finanztip-Auswertung.MabelAmber / pixabayGesetzlich Versicherte können durch passende Zusatzleistungen ihrer Krankenkasse mehrere Hundert Euro im Jahr sparen, zeigt eine neue Finanztip-Auswertung.MabelAmber / pixabay
Gesundheitsvorsorge

Zusatzleistungen der Krankenkassen: Wo Versicherte profitieren können

Gesetzlich Versicherte können durch passende Zusatzleistungen ihrer Krankenkasse mehrere Hundert Euro im Jahr sparen, zeigt eine neue Finanztip-Auswertung. Besonders gefragt sind professionelle Zahnreinigungen, Gesundheitskurse und Osteopathie – doch die Erstattungen unterscheiden sich erheblich.

Thomas Adolph, Geschäftsführer Kassensuche GmbH.Sabine RauscherThomas Adolph, Geschäftsführer Kassensuche GmbH.Sabine Rauscher
Gesundheitsvorsorge

„Es ist nicht überraschend, dass die Zusatzbeiträge der Krankenkassen explodieren!”

Die allermeisten gesetzlichen Krankenkassen haben zum Jahreswechsel ihre Beiträge massiv erhöht, was für viel Unverständnis bei den Versicherten sorgt. Dabei kommt diese Entwicklung nicht überraschend, wenn man sich die Historie des Finanzierungsmodells anschaut. Thomas Adolph, Geschäftsführer des unabhängigen Vergleichsportals gesetzlichekrankenkassen.de, erklärt die Mechanismen der Finanzierung und die Ursachen für die enormen Beitragssteigerungen.

Dr. Matthias Effinger, Vorstandsmitglied der ARAG KrankenversicherungARAGDr. Matthias Effinger, Vorstandsmitglied der ARAG KrankenversicherungARAG
Unternehmen

Oberberg Gruppe und ARAG Krankenversicherung starten Kooperation zur Patientenentlastung

Die Oberberg Gruppe und die ARAG Krankenversicherung haben eine strategische Kooperation vereinbart. Ziel ist es, die Versorgung und Kostenregulierung für Patientinnen und Patienten mit psychischen Erkrankungen einfacher, transparenter und effizienter zu gestalten.

Mehr zum Thema

Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) hat erneut seine Strukturanalyse für selbstständige Versicherungsvermittler gestartet.andibreit / pixabayDer Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) hat erneut seine Strukturanalyse für selbstständige Versicherungsvermittler gestartet.andibreit / pixabay
Studien

BVK startet Umfrage zur Strukturanalyse der Versicherungsvermittler

Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) hat erneut seine Strukturanalyse für selbstständige Versicherungsvermittler gestartet. Die alle zwei Jahre durchgeführte Umfrage soll ein umfassendes Bild über die wirtschaftliche Lage der Vermittlerbetriebe liefern.

Die Allianz führt weiterhin die Liste der sichtbarsten Versicherungen im SEO-Ranking an, doch die HUK konnte den Abstand im Jahr 2024 deutlich verringern.SpaVästkusten / pixabayDie Allianz führt weiterhin die Liste der sichtbarsten Versicherungen im SEO-Ranking an, doch die HUK konnte den Abstand im Jahr 2024 deutlich verringern.SpaVästkusten / pixabay
Studien

SEO-Ranking der Versicherungen 2025: Allianz vorn, HUK rückt näher

Die Allianz führt weiterhin die Liste der sichtbarsten Versicherungen im SEO-Ranking an, doch die HUK konnte den Abstand im Jahr 2024 deutlich verringern. Der aktuelle SEO-Benchmark der digitalagenten GmbH zeigt, worauf es bei der Online-Präsenz ankommt – und wo noch Nachholbedarf besteht.

Die Social Media-Präsenz der Versicherer wächst: Eine aktuelle Studie zeigt, dass Unternehmen im Schnitt 294 Beiträge pro Jahr auf sechs Plattformen veröffentlichen.Pixelkult / pixabayDie Social Media-Präsenz der Versicherer wächst: Eine aktuelle Studie zeigt, dass Unternehmen im Schnitt 294 Beiträge pro Jahr auf sechs Plattformen veröffentlichen.Pixelkult / pixabay
Studien

Versicherer setzen verstärkt auf Social Media – Instagram und TikTok gewinnen an Bedeutung

Die Social Media-Präsenz der Versicherer wächst: Eine aktuelle Studie zeigt, dass Unternehmen im Schnitt 294 Beiträge pro Jahr auf sechs Plattformen veröffentlichen. Besonders Instagram und TikTok gewinnen an Bedeutung, während X an Aktivität verliert.

Das M&A-Geschäft (Mergers & Acquisitions) zieht wieder an, so eine WTW-Studie.DALL-EDas M&A-Geschäft (Mergers & Acquisitions) zieht wieder an, so eine WTW-Studie.DALL-E
Studien

M&A-Markt zieht wieder an: Großfusionen legen weltweit zu

Nach einer Phase wirtschaftlicher Unsicherheit sind Fusionen und Übernahmen (M&A) weltweit wieder auf Wachstumskurs. Laut dem aktuellen Quarterly Deal Performance Monitor (QDPM) von WTW stieg die Zahl großer Transaktionen in der zweiten Jahreshälfte 2024 um 36 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Europa verzeichnete als einzige Region eine positive Performance bei Unternehmensübernahmen.

Moritz Schumann, stellvertretender GDV-HauptgeschäftsführerGDVMoritz Schumann, stellvertretender GDV-HauptgeschäftsführerGDV
Studien

Höherer Höchstrechnungszins: Mehr Leistung bei BU-, Risiko- und Rentenversicherungen

Der neue Höchstrechnungszins von 1,0 Prozent sorgt für höhere Garantieleistungen in der Berufsunfähigkeits-, Risikolebens- und Rentenversicherung. Eine aktuelle GDV-Analyse zeigt, wie Versicherte profitieren.

Wie die Autoren der Studie darlegen, wird die deutsche Mittelschicht durch das Einkommensteuersystem überproportional stark belastet.Foto: AdobestockWie die Autoren der Studie darlegen, wird die deutsche Mittelschicht durch das Einkommensteuersystem überproportional stark belastet.Foto: Adobestock
Studien

Studie des Dezernat Zukunft: Reform der Einkommensteuer – Entlastung der Mittelschicht im Fokus

Die Einkommensteuerreform ist eines der zentralen Themen des Bundestagswahlkampfs 2025. Vor allem die Mittelschicht leidet unter der starken Belastung durch das aktuelle Steuersystem, das wegen des schnellen Anstiegs der Steuerlast in mittleren Einkommensbereichen oft als „Mittelstandsbauch“ bezeichnet wird.