Umlagesystem unter Druck: Studie warnt vor massiver Beitragslast für junge Generationen
Die demografische Entwicklung wird das umlagefinanzierte System der Sozialversicherungen in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten finanziell überfordern, zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP).
Prof. Dr. Martin Werding, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, hat für das WIP berechnet, dass der Gesamtbeitragssatz zur Sozialversicherung von derzeit knapp 42 Prozent bis 2035 auf 47,5 Prozent steigen wird – und bis 2080 auf bis zu 58,4 Prozent anwachsen könnte. Grundlage der Berechnungen sind mittlere Annahmen zu Wirtschaftswachstum, Erwerbsverhalten und Demografie unter geltender Rechtslage.
„Wenn künftige Erwerbstätige über die Hälfte ihres Einkommens für Sozialbeiträge aufbringen müssen, ist das kein tragfähiger Generationenvertrag mehr – sondern eine Schieflage mit sozialen und ökonomischen Risiken“, warnt WIP-Institutsleiter Dr. Frank Wild in der Pressemitteilung zur Studie.
Intergenerationelle Umverteilung in Zahlen
Besonders plastisch wird die Umverteilung, wenn man die durchschnittliche Beitragslast in Relation zu den Geburtsjahrgängen setzt. Während ein 1940 geborener Arbeitnehmer über seine Erwerbsphase hinweg rund 34,2 Prozent seines Einkommens an die Sozialversicherungen zahlte, liegt dieser Wert beim Jahrgang 2020 bereits bei 55,6 Prozent. Die stärksten prozentualen Steigerungen betreffen die Pflege- und Krankenversicherung. Der Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung steigt zwar ebenfalls deutlich, aber relativ gesehen am wenigsten – was auf vergangene Reformen zurückzuführen ist.
Diese Zahlen verdeutlichen: Der sogenannte Generationenvertrag gerät zunehmend aus dem Gleichgewicht. „Seine Konditionen müssen politisch so gesteuert werden, dass sie für alle beteiligten Generationen zumindest zustimmungsfähig sind“, mahnt Werding. Andernfalls drohten Legitimationsverluste des Sozialversicherungssystems.
Reformbedarf auf mehreren Ebenen
Die Studie wirft auch ein Schlaglicht auf das politische Spannungsfeld: Änderungen am Leistungsniveau erfordern gezielte Gesetzesreformen, während Beitragserhöhungen automatisch greifen, wenn Einnahmen nicht ausreichen. Das führt zu einem System, das vor allem die jungen Generationen belastet. Die Studie spricht sich daher für eine grundlegende Reform der Finanzierung aus – etwa durch mehr Kapitaldeckung oder eine Entlastung über Bundeszuschüsse.
Brisanz durch Rentenpolitik
Besonders kritisch bewertet Werding politische Vorhaben wie die „Haltelinie“ beim Rentenniveau von 48 Prozent, die derzeit bis 2031 festgeschrieben ist. Sollte diese dauerhaft beibehalten werden, steigt die Beitragsbelastung des Jahrgangs 2020 laut Studie auf 57,1 Prozent – und damit nochmals um 1,5 Prozentpunkte gegenüber der Referenzprojektion.
Die Studie steht auf den Webseiten des Wissenschaftlichen Instituts der PKV zum Download bereit.
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