VSH-Schadenfall aus der Praxis: Wenn der eine Versicherungsmakler Urteile in seinem Blog falsch interpretiert und der andere Makler sein Handeln danach ausrichtet
Fehler bei der PKV-Beratung: Wie eine falsche Einschätzung zur Kostenfalle wurde. Christian Henseler (CGPA) schildert einen Fall, der zeigt, warum Expertenwissen und sorgfältige Prüfung in der Versicherungsvermittlung unverzichtbar sind.
Der Makler M wurde von seiner Kundin K damit beauftragt, eine neue Krankenversicherung zu suchen und zu vermitteln. Hintergrund war, dass K zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer befristeten Aufenthaltsgenehmigung in einem Expat-Tarif versichert war.
Die Genehmigung wurde nun unbefristet ausgestellt und da M von dem noch recht neu am Markt vorhandenen aktuellen Versicherer keine gute Meinung hatte, wählte er den Versicherer V als Risikoträger für die Vollkrankenversicherung.
Zum Zeitpunkt der Beratung war K etwa im fünften Monat schwanger. Da die Krankenversicherung nach eigenen Angaben des M nicht zu seinen Schwerpunkten zählte, wusste er zunächst nicht, wie er damit umgehen sollte und beschloss, im Internet zu recherchieren.
Dort wurde er schnell fündig und fand einen Beitrag mit dem Titel „Schwangerschaft im PKV-Antrag angeben oder nicht?“, der von einer Versicherungsmaklerin mit dem Schwerpunkt Krankenversicherung verfasst wurde. Die Autorin kommt in ihrem Artikel zu dem Ergebnis, dass eine Schwangerschaft im PKV-Antrag „gar nicht“ anzugeben sei und bezieht sich dabei auf ein Urteil des OLG Hamm, welches auch in dem Blogbeitrag verlinkt ist.
Da auch im Antrag der PKV nicht explizit nach einer Schwangerschaft gefragt wurde, fühlte sich M dadurch bestärkt in seiner neu gewonnenen Auffassung. So teilte er dann der Antragstellerin auch mit, dass die Schwangerschaft nicht im Antrag anzugeben sei.
Der Versicherer V war aber einer anderen Auffassung. Er war der Meinung, dass die Kundin K ganz offensichtlich ihre VVA verletzt hatte. Dementsprechend verweigerte die Versicherungsleistung.
Umso überraschender war dann zuerst das Schreiben von V nach der Entbindung, dass die Kosten hierfür nicht übernommen werden. Weniger überraschend war dann die Aufforderung von K, dass die Kosten der Entbindung von etwas über 10.000 EUR von M erstattet werden sollen.
Bei der Prüfung des Sachverhalts waren hier zwei Dinge spannend: Zunächst interessierte uns als VSH-Versicherer von M natürlich das genannte Urteil (OLG Hamm, Urteil vom 12.01.2011 - I-20 U 102/10), zum anderen die im Antrag genannten Risikofragen.
Auf den ersten Blick wurde klar, dass diesem Urteil ein anderer Sachverhalt zugrunde lag. Darin heisst es:
„Nimmt ein Versicherer den Umstand, dass eine Versicherungsnehmerin bei Beantragung eines Krankenversicherungsvertrages Schwangerschaftskomplikationen nicht angegeben hat, zum Anlass für einen Rücktritt und eine Kündigung, so liegt darin ein Verstoß gegen das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot nach § 19 Abs. 1 AGG.“
Daraus lässt sich nicht ableiten, dass generell eine Schwangerschaft nicht anzugeben ist. Auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsprechung im allgemeinen „nur“ Einzelfallentscheidungen darstellt, ist eine solche Interpretation mindestens sehr gewagt.
Im Antrag wiederum wurde gefragt: „Fanden in den letzten 3 Jahren ambulante Untersuchungen, Operationen, medizinische Kontroll- und Nachsorgeuntersuchungen oder Behandlungen von Ärzten oder anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen statt oder sind solche angeraten oder beabsichtigt? (bei Wuerttembergische die letzten 5 Jahre; für ambulante Operationen bei Allianz, DKV, Hanse Merkur, R+V, SDK und SIGNAL IDUNA die letzten 5 Jahre, bei ottonova die letzten 10 Jahre).“
Spätesten hier hätte die Frage mit „Ja“ durch K beantwortet werden müssen. M war jedoch überzeugt, dass eine Verneinung richtig sei und hatte dies auch der K so mitgeteilt.
Nach unserer Auffassung lag hier ein deutlicher Beratungsfehler vor. Der Schadenfall wurde deshalb unbürokratisch und schnell reguliert.
Fazit: Schuster, bleib bei Deinen Leisten! Wenn Sie sich fachlich nicht sicher sind, fragen Sie den Versicherer oder eine Kollegen-Community in Social Media. Aber auf das Internet alleine sollte man sich nicht verlassen.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Haftungsfallen, KI und VSH: Kanzlei Michaelis lädt zur Fachtagung
Am 13. Februar 2025 veranstaltet die Kanzlei Michaelis eine umfassende Online-Fachtagung speziell für Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet ein intensiver Weiterbildungstag mit Fachvorträgen zu aktuellen rechtlichen und praktischen Themen im Versicherungsvertrieb.
Betriebliche Krankenversicherung auf Wachstumskurs
Immer mehr Unternehmen setzen auf die betriebliche Krankenversicherung (bKV), um Mitarbeiter zu binden und gesundheitlich abzusichern. Laut dem PKV-Verband steigt nicht nur die Zahl der Unternehmen mit bKV stark an, auch die Anzahl der versicherten Beschäftigten wächst. Die Entwicklung zeigt zudem Potenzial für eine bessere Pflegevorsorge.
BGH: Ausschluss von Schwammklauseln unwirksam?
Der BGH prüft den weit verbreiteten Ausschluss von Schwammschäden neu – ist er noch gerechtfertigt? Fachanwalt Stephan Michaelis erklärt im Gastbeitrag, warum der Sachverständigenbeweis im Mittelpunkt steht und was das für Versicherungsnehmer und Makler bedeutet.
Datenschutzskandal: Zehn Versicherer wegen rechtswidriger Datenweitergabe im Visier
Zehn Versicherer in NRW stehen im Verdacht, hochsensible Gesundheitsdaten über einen unsicheren E-Mailverteiler ausgetauscht zu haben. Landesdatenschutzbeauftragte Bettina Gayk erhebt schwere Vorwürfe.
Habecks Vorschlag zu GKV-Abgaben – eine gefährliche Gratwanderung
„Und deswegen schlagen wir vor, dass wir auch diese Einkommensquellen (...) sozialversicherungspflichtig machen.“ – Habecks Vorschlag zu GKV-Abgaben sorgt für heftige Debatte.
„Die neuen PKV-Premiumtarife überbieten sich regelrecht“
In der Privaten Krankenversicherung (PKV) verschiebt sich der Wettbewerb ins Premiumsegment - zu diesem Ergebnis kommt das M&M Rating PKV-Vollversicherung. Dessen Ergebnisse wurden nun erstmals auch auf der Webseite von MORGEN & MORGEN veröffentlicht.
BGH-Urteil: Hundehalter haften auch für gehorsame Hunde
Hundehalterinnen und Hundehalter müssen auch dann für Schäden haften, wenn ihr Hund gehorsam ist und an der Leine geführt wird. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH, VI ZR 381/23) in einem aktuellen Urteil entschieden.
BaFin bestraft Tesla-Tochter
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat gegen die Tesla Financial Service GmbH Bußgelder in Höhe von 11.000 Euro verhängt. Der Grund: Verstöße gegen das Kreditwesengesetz.
BGH erklärt Klauseln zu Verwahrentgelten für unwirksam
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Banken und Sparkassen dürfen keine Verwahrentgelte auf Giro-, Tagesgeld- und Sparkonten erheben. Zudem wurden Klauseln zu Entgelten für Ersatz-Bankkarten und Ersatz-PINs für unwirksam erklärt. Die Urteile könnten weitreichende Folgen für Banken und Kunden haben.
Verkehrsgerichtstag 2025: Hinterbliebenengeld und Kfz-Schadengutachten im Fokus
Der Verkehrsgerichtstag 2025 widmet sich erneut zentralen Fragen rund um Mobilität und Recht. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) präsentiert dazu klare Positionen und hebt zwei Themen besonders hervor: Hinterbliebenengeld und Standards bei Kfz-Schadengutachten. Was hinter diesen Forderungen steckt.
Mängel in der Wohnung: Was Mieter wissen müssen
Mängel in der Mietwohnung gehören zu den häufigsten Streitpunkten zwischen Mietern und Vermietern. Laut Auswertungen zu Rechtsrisiken bei Privatkunden zählen Mietrechts-Streitigkeiten regelmäßig zu den Top-5. Die ARAG Mietrechts-Expertin Christina Gellert erklärt, welche Rechte und Pflichten Mieter bei Mängeln haben und welche Schritte einzuleiten sind.
Rechtliche Stolperfallen an Silvester: Was tun, wenn der Böller nicht nur knallt?
In einem Interview gibt ARAG-Rechtsexpertin Jennifer Kallweit Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um Feuerwerkskörper, Versicherungen und rechtliche Pflichten.