Die Evolution der Digitalbanken: Auswirkungen auf traditionelle Banking-Modelle

Klassisches Banking mit Filialen, Vor-Ort-Berater:innen und einem meist sehr großen „Apparat“ im Hintergrund verliert immer mehr Kund:innen. Ein Grund dafür sind Digital- bzw. Neobanken – ähnliches Geschäftsmodell, völlig andere Herangehensweise.

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Manche Dinge spürt man nur dann, wenn man valide Zahlen über längere Zeiträume betrachtet. So nicht zuletzt ein von vielen unbeobachtetes „Filialsterben“ bei Banken.
Noch 2013 gab es in Deutschland mehr als 36.000 Filialen von Banken und Sparkassen. Lediglich zehn Jahre später hatte sich der Wert auf 19.501 beinahe halbiert. Dahinter stehen verschiedene Ursachen. Nicht zuletzt die seitdem massiv gestiegene Bedeutung von Onlinebanking und digitalen Zahlungsmodellen. Dazu die allgemein gestiegenen Kosten für Löhne und Gehälter, Betriebskosten und nicht zuletzt eine zeitgemäße technische und anderweitige Ausstattung von Bankfilialen.
Für viele Kund:innen ist seitdem das höchste der Gefühle, was sie an physischer Bank benötigen (und in ihrem Umfeld vorfinden), ein kombinierter Geld- und Überweisungsautomat. Dafür braucht es allerdings keine ganze Bankfiliale mit Schaltern, Schließfächern und Berater:innen.
In diesem Klima etablieren sich Neobanken immer mehr. Kreditinstitute, die zwar nach wie vor alle typischen Endkund:innenangebote offerieren, aber dennoch von Grund auf viel stärker auf ein volldigitales Banking zugeschnitten sind. Das wiederum spüren nicht nur die etablierten Banken, sondern letztlich sogar Finance Headhunter als Profis der Personalbeschaffung.

Digitale Banken für digitale Kund:innen

Rein rechnerisch besitzt jede:r Deutsche 1,7 Bankkonten. Ende 2021 existierten hierzulande allein knapp 114 Millionen Girokonten. Bereits 2019 wurde die Schwelle überschritten, an der die Hälfte aller Kund:innen Onlinebanking betrieb – mittlerweile hat sich der Wert laut Bankenverband auf atemberaubende 84 Prozent gesteigert.

All das ist ein Klima, das fraglos Neobanken zugutekommt. Denn es sind buchstäblich Kreditinstitute für eine digitale Welt:

  • Keine Filialen
  • Ausgefeilte Online-Prozesse zwischen Kontoeröffnung und alltäglichem Banking
  • Typischerweise auch ein „charakterlich“ moderneres Auftreten im Stil eines Start-ups.

Damit zielen diese Banken mit voller Absicht auf eine junge Zielgruppe, für die das Digitale seit frühester Kindheit zum Alltag gehört – und wo es deshalb keinerlei Berührungsängste gibt, diese Affinität auch im Banking-Bereich auszuleben.

Der Weg zum Erfolg war in den vergangenen Jahren durchaus holprig – wie so oft, wenn sich ein neuer Markt auftut und sehr viele an den Potenzialen partizipieren möchten. Mittlerweile haben sich jedoch sowohl B2B- als auch B2C-Fintechs konsolidiert. Und der Erfolg ist über jede Kritik erhaben.
Derzeit bewegt sich das Kund:innenvolumen allein in Europa bei etwa 160 Millionen Menschen. Das entspricht einer Verfünffachung seit 2019. Ganze 40 Prozent der Kund:innen sind unter 34 Jahre alt – und Deutschland gehört mit 14 Prozent Marktanteil dieser Banken zu den europäischen Spitzenreiter:innen.

Weniger ist mehr: Das Erfolgsrezept der Digitalbanken

Tatsächlich ist der Erfolg groß genug, um Finance Headhunter auf den Plan zu rufen. Denn einerseits operieren solche Neobanken vollständig in der digitalen Sphäre. Dadurch müssen alle Funktionen absolut nahtlos online oder allerhöchstens per Telefon funktionieren. Eine auf Filialen basierende Rückfallebene wie bei klassischen Banken existiert nicht. Wenn bei Digitalbanken etwa die App einen Bug hat, kann man Kund:innen nicht bitten, einfach die nächste Filiale aufzusuchen – es gibt schließlich keine.
Andererseits arbeiten diese Banken, wie schon kurz angeschnitten, viel moderner, flexibler, sind vielfach in ihrer gesamten Personalstruktur ebenso jung wie der Großteil der Kontoinhaber:innen. Nehmen wir etwa Valentin Stalf, Mitgründer und CEO von N26, einer der „Kronjuwelen“ der Digitalbanke. Mit Geburtsjahr 1985 ist Herr Stalf definitiv ein recht junger Mann, was die Führungsetagen der Bankenwelt anbelangt. Wer mag, kann zum Vergleich googeln, wann die CEOs der klassischen Banken und deren Verbände geboren wurden.
Beide Faktoren sind deshalb so relevant für die angesprochenen Finance Headhunter, weil die Neobanken auch unter ihren Teammitgliedern ein spezielles Klientel benötigen. Keine klischeehaften Bankmitarbeiter:innen alter Schule, sondern junge, flexible, digitalaffine Spezialist:innen, denen dieses Geschäftsmodell im Blut liegt.

Denn zweifelsohne ist das besondere Geschäftsmodell der Neobanken der Kern ihres Erfolgs:

  • Die gesamten Strukturen sind ungleich schlanker, schneller und viel stärker kund:innenorientiert
  • Keine trockenen Beratungstermine in steifer Atmosphäre. Stattdessen Chats, Video-Calls, Telefonate, digitaler Unterlagentransfer. Alles stromlinienförmig und reibungsarm.
  • Die allermeisten Dienstleistungen bzw. Beratungsleistungen sind 24/7 verfügbar oder wenigstens über mehr Tagesstunden, als es bei klassischen Filialbanken der Fall ist.
  • Indem Neobanken das gesamte Konzept von Filialen und dortigen Mitarbeiter:innen ersatzlos gestrichen haben, sind ihre Betriebskosten naturgemäß erheblich geringer. Dieses Weniger reichen sie an die Kund:innen durch – die deshalb in den Genuss niedrigerer Zinsen, günstiger Kontoführungsgebühren oder sogar gänzlich kostenloser Dienstleistungen kommen.

Wer in dieser Auflistung verdächtige Parallelen zum Onlinehandel erkennt, der liegt nicht falsch. Ebenso kommt bei den Digitalbanken noch etwas hinzu, das sich in ähnlicher Form beim Einzelhandel beobachten lässt:

Wie im Eingangstext angeschnitten, so gibt es in Deutschland zweifelsohne ein ausgeprägtes Bankfilialensterben – der wohl wichtigste Grund dafür sind Kosten sowie die gestiegene Bedeutung von Onlinebanking. Wie auch beim Einzelhandel, so treffen diese Schließungen eine ländliche Bevölkerung überproportional hoch. Hier ist die Distanz zur nächsten Bank, oder teilweise sogar nur einem Bankautomaten, typischerweise deutlich größer als in Städten, wodurch Filialschließungen stärker wirken.

In der Folge können Digitalbanken in diese Lücke stoßen. Ihr Angebot ist von Anfang an und in sämtlichen Punkten auf digitale Dienstleistungen hin zugeschnitten. In den Augen vieler Kund:innen sind sie deshalb in dieser Hinsicht kund:innenfreundlicher aufgestellt, komfortabler und vielfältiger. Mit anderen Worten: Viele Menschen haben sowieso keine Wahl mehr, außer die meisten Bankgeschäfte digital zu erledigen. Daher wählen sie diejenigen Anbieter:innen, die hierbei nutzungsfreundlicher und obendrein noch günstiger sind – das sind in den meisten Fällen die Neobanken.

Gleichsam versuchen just die klassischen Banken ebenso, ihr diesbezügliches Angebot weiter auszubauen. Das bedeutet abermals, dass die Finance Headhunter auf den Plan gerufen werden. Denn um ähnlich zu operieren, benötigen diese Kreditinstitute naturgemäß ähnlich vorwärtsdenkendes Personal wie ihre digitalen Konkurrenten. Allerdings gibt es noch etwas, was letztere voraus haben:
Denn last, but not least, haben sich mehrere Digitalbanken auf ein Klientel konzentriert, das es bei herkömmlichen Banken oft schwer hat. Namentlich sind das Freiberufler:innen, Freelancer:innen, Selbstständige und ähnliche Kreise – Personen, die durch ihre selbsterwirtschafteten und dadurch nicht transparent vorhersagbaren Einkommensströme für klassische Banken teils ein zu großes Risiko sind.

Zusammengefasst

Neobanken sind auf der Erfolgsspur. Ähnlich wie der Onlinehandel verknüpfen sie schlanke und dennoch vielfältige digitale Modelle mit verringerten Kosten und somit einer insgesamt viele Kund:innen, vor allem jüngeren Alters, ansprechenden Attitüde. Dieser Erfolg trifft auf klassische Banken, die derzeit immer mehr Filialen schließen, während sie gleichsam versuchen, sich ähnlich komfortabel digital aufzustellen.

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