Drei von vier Finanzdienstleistern durchlaufen gerade eine Neuorganisation oder haben diese bereits abgeschlossen. Weitere 18 Prozent planen aktuell den organisatorischen Umbau. Obwohl damit fast alle Banken und Versicherer an ihrer Zukunftsfähigkeit feilen, bleibt die Anspannung nach wie vor groß.
Mit 35 Prozent ist der Anteil der Unternehmen, die einen „sehr großen Veränderungsdruck“ spüren, in der Finanzbranche fast dreimal so hoch wie in der Industrie (12 Prozent). Zu diesem Ergebnis kommt die Studie Potenzialanalyse Organisation x.0 von Sopra Steria in Zusammenarbeit mit dem F.A.Z.-Institut.
In nahezu allen Finanzhäusern Deutschlands treibt die Digitalisierung der Prozesse und Arbeitsabläufe derzeit die Neuorganisation. Robert Bölke, Leiter Strategieberatung Banking bei Sopra Steria Next, resümiert:
Vor der Finanzkrise im Jahr 2008 haben sich die Häuser sehr stark auf den Vertrieb konzentriert, danach haben sie sich überwiegend mit Regulatorik befasst. Doch sie haben es dabei versäumt, sich mit einem klaren Profil sowie einer dazu passenden Organisation an einem deutlich veränderten Markt zu positionieren.
In der Folge hätten viele Institute den Anschluss an die Digitalisierung verloren und seien von Fintechs und branchenfremden Wettbewerbern rechts überholt worden, zum Beispiel im Zahlungsverkehr oder aktuell im Online-Brokerage.
Der Druck, die eigene Organisation zukunftsfest aufzustellen, um im Vergleich zu Konkurrenten aus Europa, Amerika und Asien nicht noch weiter ins Hintertreffen zu geraten, ist groß. Doch die Reformen drohen erneut ins Leere zu laufen.
Der Grund: Deutschen Finanzdienstleistern ginge es bisher vor allem darum, die Kosten zu senken, indem sie Stellen abbauen und Filialen zusammenstreichen. Das sei ein Rückzugsgefecht, aber keine Strategie.
Technologen und Philosophen statt Betriebswirte
Damit Veränderungen zum Erfolg werden, ist vor allem ein kultureller Wandel innerhalb der Organisationen wichtig. Mit transparenten Entscheidungen (93 Prozent) und einer offenen Unternehmenskultur (75 Prozent), wie die Mehrheit der Befragten betont.
Es solle nicht das Ziel von Reformen sein, Mitarbeiter vor die Tür zu setzen, Prozesse zu automatisieren oder die bestehende marode Infrastruktur am Laufen zu halten, so Bölke. Sondern es ginge um ein neues Denken. Dazu brauche es aber neben Betriebswirten vor allem kreative Köpfe wie Ingenieure oder Philosophen.
Bevor die Institute die nächsten Reformen starten, sollten sie sich zuerst überlegen, was ihre Kunden von ihnen erwarten und was sie ihnen künftig bieten wollen. Es reicht dabei nicht, auf austauschbare digitale Produkte zu setzen.
Jedes Institut sollte vor einer Neuorganisation zunächst sein Geschäftsmodell auf den Prüfstand stellen und klären, welchen Platz es in den digitalen Ökosystemen einnehmen möchte.
Die Corona-Pandemie hat auf diesem Weg immerhin wie ein Beschleuniger gewirkt. Die Mitarbeitenden haben im Homeoffice mehr Freiheiten gewonnen. Die Teams haben sie oft auch genutzt, um etablierte Strukturen zu hinterfragen. Sopra-Steria-Berater Bölke führt weiter aus:
Dies gilt es zu bewahren und in die Post-Corona-Zeit mitzunehmen. Die Arbeit sollte neu organisiert werden, mit interdisziplinären Teams und einer gleichzeitigen Öffnung hin zu neuen Partnern und neuen Ideen.
Die Einsicht jedenfalls ist da: Für 62 Prozent sind es inzwischen die veränderten Erwartungen der Kunden, die organisatorische Veränderungen erzwingen. Den Kostendruck nennen in der im Juni 2021 durchgeführten Befragung nur 50 Prozent.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Robo-Advisory: Digitale automatisierte Vermögensanlage im Vergleich
Steigendes Vertrauen in Robo-Advisors auch im Krisenjahr 2022
Knapp ein Fünftel der Nicht-Nutzer*innen sehen Robo-Advisors positiver als im Vorjahr. Nutzer*innen vertrauen der digitalen Vermögensverwaltung mittlerweile 30 Prozent ihres Anlagevermögens an - ein Anstieg um sieben Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr.
Gemischte Arbeitsmodelle werden zum Standard
Digitalisierungsschub wird Pandemie überdauern
KfW: Weitergabe negative Bankeneinstände stärkt Förderprogramme
Versicherer sehen Zukunft mit verhaltenem Optimismus
Starke Nachfrage nach breit gestreuten ETFs
Der ETF-Markt startete mit robusten Zuflüssen ins Jahr 2025. Besonders breit gestreute Core-Equity-ETFs bleiben gefragt, während auch Anleihe-ETFs von stabilen Rahmenbedingungen profitieren, so der aktuelle ETF-Marktbericht von Vanguard.
Finanzentscheidungen in Partnerschaften: Wer hat das Sagen?
Männer und Frauen bewerten ihre Finanzverantwortung unterschiedlich – eine Verivox-Umfrage zeigt große Wahrnehmungsunterschiede.
Fondskongress 2025 in Mannheim: Neue Trends und alte Herausforderungen
Der Fondskongress 2025 hat einmal mehr bewiesen, dass die Investmentbranche im stetigen Wandel ist. Zwei Tage lang trafen sich führende Experten, Finanzberater und Asset Manager im Congress Center Rosengarten in Mannheim, um über die Zukunft der Finanzwelt zu diskutieren.
Inflation frisst Sparzinsen auf – Festgeld-Realzins wieder negativ
Festgeld bringt Sparerinnen und Sparern im Durchschnitt nicht mehr genug Rendite, um die Inflation auszugleichen. Laut einer aktuellen Verivox-Auswertung liegt der Realzins erstmals seit einem Jahr wieder im negativen Bereich. Dennoch gibt es Möglichkeiten, sich gegen den schleichenden Wertverlust zu schützen.
Finanzplanung auf dem Tiefpunkt: Nur 26 Prozent der Deutschen planen ihre Finanzen aktiv
Die finanzielle Absicherung wird in Zeiten unsicherer Rentensysteme und wachsender Altersarmut immer wichtiger. Dennoch haben nur 26,3 Prozent der Menschen in Deutschland einen Finanzplan für 2025, wie eine aktuelle Umfrage der LV 1871 zeigt.
Die beliebtesten Geldanlagen 2024/2025
Immobilien, Tagesgeld, Gold und Fonds sind die Favoriten der Deutschen für das kommende Jahr. Sicherheit bleibt der wichtigste Faktor bei der Geldanlage.