Interessenkonflikt bei Büroimmobilien

Aus Sicht von Bürobeschäftigten müssen Büroimmobilien drei Interessensbereiche miteinander vereinen: Die Ankerfunktion für die Volkswirtschaft und ihre Rolle für die Vermögensbildung privater Haushalte gerade im Rahmen der Altersvorsorge, das Erreichen der Klimaschutzziele und die Rolle als attraktiver Arbeitsort. Nur unter Berücksichtigung aller Teilaspekte und durch die Vereinbarung etwaiger Zielkonflikte miteinander kann die Assetklasse langfristig erfolgreich sein und bleiben.

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Lonely ChairLonely ChairSean Nel – stock.adobe.com

Mehr als ein Arbeitsplatz: Büroimmobilien üben nach Ansicht von Büroangestellten einen starken Einfluss auf ihr Arbeitsleben, ihre Umwelt und Lebensqualität sowie ihre persönlichen Finanzen aus. Gleichzeitig müssen sie unterschiedlichsten Interessen gerecht werden: Im Vordergrund steht dabei mehrheitlich der Blick aus Investmentsicht. Aber auch die Nutzen- und ökologischen Nachhaltigkeitsanforderungen werden hoch gewichtet. Resultat dieser Mehrdimensionalität ist ein Interessenkonflikt, der im öffentlichen Diskurs mitgedacht und von allen Beteiligten gemeinsam gelöst werden muss.

Dies sind Ergebnisse einer aktuellen Studie von Swiss Life Asset Managers in Deutschland und der Technischen Universität Darmstadt, für die Ende 2022 rund 1.000 Büronutzer in ganz Deutschland befragt wurden. Die Befragten sind repräsentativ für die 36,7 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland, die laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft in Büros arbeiten (Stand 2020).

Wahrnehmung von Büroimmobilien durch Angestellte

Nach Ansicht der befragten Nutzerinnen und Nutzer nehmen Büroimmobilien starken Einfluss auf ihr Arbeitsleben (75 Prozent). Gleichzeitig spielen sie eine wichtige Rolle für die Umwelt und Lebensqualität der Angestellten (38 Prozent). Für die persönlichen Finanzen wird der Einfluss hingegen gering wahrgenommen (19 Prozent).

Weniger deutlich ist die Antwort auf die Frage der Anforderungsverteilung: Für die Mehrheit (43 Prozent) steht die Investmentanforderung an erster Stelle. Dahinter folgen Nutzenanforderungen (35 Prozent) sowie ökologische Nachhaltigkeitsanforderungen (23 Prozent).

„Über das Büro der Zukunft wird in Fachkreisen viel und oft gesprochen. Dabei werden alle möglichen Experten befragt – jedoch kommen die Endnutzer, die tatsächlich auf den Flächen arbeiten, nur selten zu Wort. Mit der vorliegenden Studie wird genau diese Lücke geschlossen“, sagt Holger Matheis, CEO von Swiss Life Asset Managers in Deutschland.

„Die Ansprüche an Büroimmobilien bewegen sich zunehmend im Interessenkonflikt zwischen drei Perspektiven: der Ankerfunktion für die Volkswirtschaft und ihre Rolle für die Vermögensbildung privater Haushalte gerade im Rahmen der Altersvorsorge, dem Erreichen der Klimaschutzziele sowie der Rolle als attraktiver Arbeitsort für die Beschäftigten, die hier einen Großteil ihrer Lebenszeit verbringen“, fasst Prof. Dr. Andreas Pfnür von der TU Darmstadt die Ergebnisse zusammen.

Zwischen New Work, Homeoffice und Coworking

Ein deutliches Ergebnis der Studie: Zwar sind im Großen und Ganzen viele Deutsche mit ihren Büroarbeitsflächen zufrieden – 73 Prozent der Befragten äußerten sich positiv über den Arbeitsplatz in ihrem Unternehmen – aber setzen die Erfahrungen durch das Homeoffice neue Maßstäbe an die Qualität.

So geben 54 Prozent an, dass das Büro für sie nur noch ein Arbeitsplatz unter vielen ist. Wenn sie Zeit im Büro verbringen, dann erwarten Büroangestellte, dass der Arbeitsplatz maximalen Nutzen bietet (88 Prozent). Martin Höcker, der Studienleiter auf Seiten der TU Darmstadt, erklärt:

Niemand kehrt nach der Pandemie zurück in schlechte Büros.

Im Homeoffice arbeiten die Befragten lieber (43 zu 37 Prozent), fühlen sich insgesamt etwas zufriedener mit ihrem Arbeitsplatz (41 zu 39 Prozent) und sich wohler als im Büro (47 zu 33 Prozent).

„Als Büroentwickler und -investor sehen wir uns durch diese Ergebnisse in unserer Strategie bestätigt, auf qualitativ hochwertige Büroflächen zu setzen, in denen die Annehmlichkeiten beider Welten Berücksichtigung finden. Die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an einen Arbeitsplatz, an dem sie sich wohlfühlen und an dem sie produktiv arbeiten können, stehen dabei im Mittelpunkt“, sagt Holger Matheis.

Auch nach Coworking-Flächen wurde gefragt: 16 Prozent schätzen ihre Produktivität dort größer ein als im klassischen Büro. „Ein derart großer Bedarf an Coworking-Flächen kann vom aktuellen Angebot nicht abgedeckt werden – und sollte Immobilienunternehmen und Büromieter möglicherweise anspornen, entsprechende Flächen auch in ihre herkömmlichen Büros zu integrieren“, kommentiert Pfnür.

Büroimmobilien als Investment

Büroimmobilien werden von den Befragten als wichtige Option für die Vermögensbildung wahrgenommen: Bereits etwa jeder Fünfte (19 Prozent) hat Kapital in Büroimmobilien investiert. 23 Prozent der Befragten ziehen eine Kapitalanlage für ihre private Altersvorsorge in Betracht. Als attraktive Anlageklasse werden Büroimmobilien von etwa jedem Dritten eingestuft (29 Prozent). Die Befragten sehen Büroimmobilien im direkten Vergleich ähnlich attraktiv wie Wohnimmobilien und Staatsanleihen, attraktiver als Spareinlagen und Kryptos und weniger attraktiv als Aktien.

„Im Jahr 2022 belief sich der Gesamtwert aller Büroimmobilien in Deutschland gemäß unserer Berechnung auf etwa 1,3 Billionen Euro. Privatanleger sind über offene Immobilienfonds, Versicherungen und Pensionskassen umfangreich in Büroimmobilien investiert. Wenn sich politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen positiv oder negativ auf Büroimmobilien auswirken, betrifft das viele Menschen in Deutschland auch finanziell äußerst konkret. Diese Bedeutung scheint politisch oder medial kaum wahrgenommen zu werden – die Studie offenbart ein anderes Bild“, sagt Pfnür.

Hebel für Nachhaltigkeit

Weniger als die Hälfte (42 Prozent) sorgen sich aufgrund der Umweltbelastung aus Erstellung und Betrieb von Büroimmobilien um die Lebensqualität von sich selbst oder nachfolgender Generationen. Als wesentlich schädlicher werden von den Befragten andere Sektoren wahrgenommen, darunter das produzierende Gewerbe, das Verkehrswesen sowie der Energiesektor.

„Viele erkennen noch nicht die große Bedeutung, die Büroimmobilien im Kampf gegen den Klimawandel zukommt“, betont Pfnür. „Die Studie verdeutlicht, dass der Nachhaltigkeitsdiskurs hinsichtlich Büroimmobilien stärker in der breiten Öffentlichkeit geführt werden muss – bisher findet er vor allem innerhalb der Immobilienbranche statt.“

Ein Appell an die Branche

„Es müssen nicht ‚weniger‘, sondern ‚bessere‘ Büroflächen angeboten werden. Die Immobilienwirtschaft steht im Auftrag, genau das zu leisten“, resümiert Pfnür. „Denn de facto hat sie die Möglichkeiten, Antworten auf Nutzen-, Investment- und Umweltanforderungen gleichzeitig zu finden und somit zukunftsfähige Flächen zu entwickeln.“

„Büros sind kein Selbstzweck, sondern dienen den vielschichtigen Bedürfnissen der in ihnen arbeitenden Menschen. Dieses Ergebnis der Studie verstehen wir als Auftrag an uns wie an die Immobilienbranche, der bei den in den nächsten Jahrzehnten in massivem Umfang anstehenden Modernisierungen zu erfüllen ist“, sagt Matheis.

Studiendesign

  • Teilnehmer: 1000 Bürobeschäftigte in Deutschland
  • Zeitraum: Juli bis Dezember 2022
  • Form: Eine Kombination aus Experteninterviews und Online-Befragung (über Crowdsourcingplattform)
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