Aktienrente, Zukunftsfinanzierungsgesetz, Riester-Reform und nicht zuletzt ein mögliches Provisionsverbot aus Brüssel – die Themen des AfW-Hauptstadtgipfels betreffen alle Vermittlerinnen und Vermittler. Führende Finanzpolitikerinnen und -politiker positionierten sich zur beabsichtigten Regulierung und stellten sich den Fragen aus der Branche.
„Nach dem Provisionsrichtwert ist vor einem möglichen Provisionsverbot“, warnt AfW-Vorstand Frank Rottenbacher. Damit war eines der wichtigen Themen für die rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 19. AfW-Hauptstadtgipfels in Berlin gesetzt. Grund: ein Provisionsverbot für die Anlageberatung im Rahmen von MiFID II – also damit indirekt auch für 34f-Vermittlerinnen und -vermittler – ist ernsthaft wieder im Gespräch.
Das Thema galt auf nationaler Ebene als erledigt, doch nun gibt es neue Bestrebungen in Brüssel, EU-weit ein Verbot der Provisionsberatung einzuführen. Schon im Januar könnte im worst case ein Verordnungsentwurf der EU-Kommission auf dem Tisch liegen. „Die deutsche Haltung zu dem Thema muss klar und eindeutig sein und auch in Brüssel kommuniziert werden“, so Rottenbacher.
Die Vertreterinnen und Vertreter der Fördermitgliedersunternehmen des Verbandes nutzten daher die traditionsreiche Veranstaltung, um die eingeladenen Finanzexperten von FDP, SPD und CDU mit konstruktiven Nachfragen für ihre Belange zu sensibilisieren.
FDP: Mehr Kapitaldeckung in allen Bereichen angestrebt
Anja Schulz, Berichterstatterin für Alterssicherung in der FDP-Bundestagsfraktion und von Haus aus selbstständige Finanzberaterin, bekannte, dass seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine einige Themen in den Hintergrund gedrängt wurden. Dennoch habe man wichtige finanzpolitische Vorhaben in Angriff genommen:
Die Aktienrente wird im Haushalt für 2023 verankert, wir werden dazu 10 Milliarden Euro für die Stabilität der Beitragssätze für die gesetzliche Rente aufbringen.
Da dies nicht ausreichend sei, könnte man zusätzliche Sacheinlagen wie Bundesbeteiligungen zweckgebunden in die Aktienrente übertragen, so die FDP-Politikerin.
Weitere Eckpunkte: Das Rentenniveau in Höhe von 48 Prozent soll für die laufende Legislatur garantiert werden, der Beitragssatz soll auf nicht mehr als 20 Prozent steigen. Das Credo der FDP: „Wir brauchen mehr Kapitaldeckung in allen Bereichen.“ Hier soll das im ersten Halbjahr 2023 anstehende Zukunftsfinanzierungsgesetz den Kapitalstandort Deutschland im internationalen Vergleich stärken.
Schulz dazu konkret: „Wir planen einen Freibetrag für Gewinne und Veräußerungen von Aktien beziehungsweise Fondsanteilen zu schaffen und wir wollen die Verlustverrechnung von Aktiengeschäften erleichtern. Die Arbeitnehmersparzulage soll erhöht werden und die Regelung zu Mitarbeiterkapitalerträgen attraktiver gestaltet werden.“ Ziel sei unter anderem die Hemmschwelle der Bevölkerung zu senken, für die Altersvorsorge in den Kapitalmarkt zu investieren.
Reformen in allen Säulen der Altersvorsorge geplant
Dr. Florian Toncar, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, führte die Vorhaben weiter aus. In dieser Legislaturperiode stünden Reformen in allen drei Säulen der Altersvorsorge an. Neben der bereits erwähnten Aktienrente werde gemeinsam ein Fachdialog von Bundesarbeits- und -finanzministerium für die betriebliche Alterssicherung geführt.
Es werde erwogen, in der zweiten Säule höhere Renditechancen zuzulassen, so der FDP-Politiker. Zudem werde das Sozialpartnermodell stärker in den Fokus genommen. Dort geht es um ein Finanzierungsmodell, bei dem Arbeitgeber Beiträge zahlen, ohne dauerhaft für die Performance der Anlage einstehen müssten. Ein solches Modell solle zu einer breiteren Akzeptanz für die betriebliche Alterssicherung führen.
Am meisten Beratungsbedarf bestehe derzeit noch in der dritten Säule, erklärte Toncar. Die FDP trete dafür ein, dass die drei Säulen der Altersvorsorge nicht vermischt werden und der Staat nicht in Konkurrenz zu privaten Anbietern trete. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Fokusgruppe, in der Branchenvertreter, Wissenschaftler, Sozialpartner und Verbraucherschützer vertreten sein werden, soll gemeinsam die aktuellen Regelungen und Produkte auf den Prüfstand stellen. Bis zum Sommer 2023 sollen Ergebnisse vorliegen, auf deren Basis man Änderungen an den Stellschrauben etwa der geförderten Altersvorsorge diskutieren werde.
SPD: Bundeszentrale für finanzielle Bildung einrichten
Frauke Heiligenstadt, Berichterstatterin der SPD Bundestagsfraktion für die private Altersvorsorge und stellvertretende finanzpolitische Sprecherin, machte kein Geheimnis aus der Tatsache, dass ihre Partei vor allem die erste Säule der Altersvorsorge stärken möchte und die dritte Säule eher nachrangig diskutiert werde. Ein Positionspapier zum Thema private Altersvorsorge der SPD gebe es derzeit daher noch nicht. Daran werde aber mit externen Experten in den nächsten Wochen gearbeitet.
Dennoch sprach sie sich angesichts der niedrigeren Rentabilität klar für eine grundlegende Reform der Riester-Rente und den Abbau bürokratischer Hürden aus. So sei die Garantie häufig als ein großer Hemmschuh für die Rentabilität der Verträge benannt worden. Der Bestand der Riester-Verträge stagniere weitgehend, die Anzahl der Anbieter sei zudem mittlerweile überschaubar. Heiligenstadt erklärt:
Es ist nicht gesund, wenn Rentabilität nur aufgrund des staatlichen Zuschusses gegeben ist. Die Riester-Verträge müssen stärker an der Entwicklung auf dem Finanzmarkt partizipieren können.
Die ehemalige niedersächsische Kultusministerin plädierte zudem für eine stärkere Verankerung der finanziellen Bildung: "Wir brauchen eine Art Bundeszentrale für finanzielle Bildung, die nicht nur Schülerinnen und Schülern, sondern auch erwachsenen Menschen Möglichkeiten gibt, sich transparent zu informieren und sie an das gesamte Thema Finanzen heranführt."
Die Einführung eines Schulfachs Finanzbildung hält Heiligenstadt hingegen nicht für umsetzbar, das Thema sei bereits in den Curricula anderer Fächer wie Politik/Wirtschaft oder Gesellschaftslehre verankert, müsse dort aber noch stärker präsent werden.
CDU: Klare Position gegen Provisionsverbot
Dr. Carsten Brodesser, CDU-Mitglied im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages, erläuterte das Konzept der Union, das sich seit der letzten Legislaturperiode im Hinblick auf die notwendige Reform der "Riester-Rente" nicht wesentlich verändert habe: "Wir wollen die Riester-Rente flott machen, die Beitragsgarantie öffnen, Zulagen angleichen, entbürokratisieren und ein multiples Produktangebot erhalten."
Allerdings werde die private Altersvorsorge noch nicht flächendeckend in Deutschland genutzt. Gerade Menschen mit geringerem Einkommen hätten oftmals gar nicht die Chance, über eine zusätzliche Geldanlage nachzudenken.
Da viele Arbeitnehmer in kleinen Unternehmen oft über keine bAV verfügen, spricht sich die Union trotz ordnungspolitischer Bedenken für eine verpflichtende arbeitgeberfinanzierte Altersvorsorge bei Geringverdienern aus. Sie soll so einfach gestaltet werden wie vermögenswirksame Leistungen und die Arbeitgeber nicht über Gebühr belasten. Bei steigenden Einkommen könnte diese dann vom Arbeitnehmer selbst finanziert und staatlich gefördert werden.
Zum drohenden Provisionsverbot aus Brüssel sagte der CDU-Politiker: "Es gibt Kräfte in Europa, die Provision für Teufelszeug halten." Dabei sei provisionsgestützter Vertrieb der fairste und gerechteste Weg eine Vertriebsleistung darzustellen. In Großbritannien gebe es etwa seit Einführung eines De-facto-Provisionsverbots in der Altersvorsorge für weite Teile der Bevölkerung kein bezahlbares Beratungsangebot mehr.
Brodesser hält es für möglich, dass die Provisionsverbot-Initiative demnächst in einem Verordnungsentwurf der Kommission münden wird, der vom Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat angenommen werden muss. Es werde spannend zu sehen, wie sich Deutschland und Finanzminister Lindner am Ende dazu positionieren. Die Union werde sie auffordern, alles dafür zu tun, dass provisionsgestützter Vertrieb auch weiterhin möglich bleibt, so Brodesser.
Neben Brodesser hatten zuvor auch die beiden FDP-Politiker ihre Ablehnung gegenüber einem Provisionsverbot für den deutschen Beratungsmarkt erklärt. Die SPD-Politikerin äußerte sich hier deutlich zurückhaltender, bekannte aber, dass es eine Provisionslösung für Menschen mit niedrigeren Einkommen geben müsse, weil diese sich kein Honorar für eine Beratung leisten werden.
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